Entscheidungsstichwort (Thema)

Belästigung, sexuelle. Kündigung, fristlose. Interessenabwägung

 

Leitsatz (redaktionell)

Einem tariflich unkündbaren Arbeitnehmer kann nur dann fristlos gekündigt werden, wenn dem Arbeitgeber bei einem vergleichbaren kündbaren Arbeitnehmer dessen Weiterbeschäftigung bis zum Ablauf der einschlägigen ordentlichen Kündigungsfrist unzumutbar wäre. Ist danach eine fristlose Kündigung gegenüber einem tariflich unkündbaren Arbeitnehmer ausgeschlossen, so ist in den Fällen, in denen bei einem kündbaren Arbeitnehmer nur eine ordentliche Kündigung in Betracht käme, bei dem tariflich unkündbaren Arbeitnehmer nur eine außerordentliche Kündigung unter Gewährung einer Auslauffrist, die der fiktiven ordentlichen Kündigungsfrist entspricht, möglich.

 

Normenkette

BAT § 54 Abs. 1; BGB § 626 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Ludwigshafen (Urteil vom 07.11.2005; Aktenzeichen 8 Ca 1670/05)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 07.11.2005, Az. 8 Ca 1670/05 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Rechtswirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung sowie um die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers während des Rechtsstreits.

Von einer wiederholenden Darstellung des unstreitigen Tatbestandes sowie des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen und auf die Zusammenfassung im Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 07.11.2005 (dort S. 2 – 5 = Bl. 114 – 117 d. A.) Bezug genommen.

Der Kläger hat beantragt,

  1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die mit Schreiben der Beklagten vom 05.07.2005 – zugegangen am gleichen Tage – ausgesprochene fristlose Kündigung hilfsweise außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund mit einer Auslauffrist zum 31.03.2006 nicht aufgelöst ist,
  2. für den Fall des Obsiegens die Beklagte zu verurteilen, den Kläger bis zur rechtskräftigen Entscheidung dieses Rechtsstreits zu den bisherigen Bedingungen als Schuldner- und Insolvenzberater weiterzubeschäftigen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Arbeitsgericht Ludwigshafen hat mit Urteil vom 07.11.2005 (Bl. 113 ff. d. A.) festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung vom 05.07.2005 nicht aufgelöst worden ist. Des Weiteren hat es die Beklagte verurteilt, den Kläger bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Rechtsstreits zu den bisherigen Bedingungen als Sozialarbeiter zu beschäftigen. Im Übrigen ist die Klage abgewiesen worden.

Zur Begründung des klagezusprechenden Teiles seiner Entscheidung hat das Arbeitsgericht im Wesentlichen ausgeführt, der von der Beklagten dargelegte Sachverhalt sei an sich geeignet, eine fristlose Kündigung des Beschäftigungsverhältnisses zu rechtfertigen. Es sei nämlich nicht akzeptabel, dass ein Schuldnerberater sich von einer Klientin, die sich ihm gegenüber in einem Abhängigkeitsverhältnis befinde, massieren lasse. Das Verhalten des Klägers sei hierbei, trotz seiner Passivität, eindeutig sexuell bestimmt gewesen, zumal er nach dem Beschwerdeschreiben der Klientin vom 14.06.2005 „kurz nach” dem Massieren geäußert habe: „Wenn Sie wüssten, wie viele Frauen ich hier über den Tisch ziehen könnte.” Dieser Sachverhalt hätte aber erst nach Ausspruch einer Abmahnung eine Kündigung rechtfertigen können, da es nicht ausgeschlossen sei, dass die Beklagte verlorenes Vertrauen in den Kläger wiedergewinnen könne.

Zwar sei eine vorweggenommene Abmahnung in diesem Zusammenhang ausreichend gewesen, jedoch habe die Beweisaufnahme nicht ergeben, dass die Vorgesetzte, Frau X., gegenüber dem Kläger im Zusammenhang mit der Beschwerde von Frau W. eine vorweggenommene Abmahnung erklärt habe. Die Zeugin X. sei nämlich bei ihrer Vernehmung erst auf Nachfrage hinsichtlich der Abmahnungserklärung gegenüber dem Kläger konkreter geworden. Dabei habe die Kammer des Arbeitsgerichtes den Eindruck gewonnen, dass sich die Zeugin weniger an dem tatsächlichen Hergang aus dem Februar 2003 orientiert habe, sondern vielmehr an der erst im Zusammenhang mit dem jetzigen Kündigungssachverhalt abgefassten Aktennotiz. Die Kammer habe sich daher nicht in der Lage gesehen, dem Erinnerungsvermögen der Zeugin zu trauen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichtes wird auf S. 5 ff. des Urteils vom 07.11.2005 (= Bl. 117 ff. d. A.) verwiesen.

Die Beklagte, der die Entscheidung des Arbeitsgerichtes vom 17.11.2005 zugestellt worden ist, hat am 14.12.2005 Berufung zum Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz unter gleichzeitiger Begründung ihres Rechtsmittels eingelegt.

Die Beklagte macht geltend,

die außerordentliche Kündigung habe das Beschäftigungsverhältnis beendet, zumal es zuvor keiner Abmahnung oder einen sonstigen Hinweises bedurft habe. Die Pflichtverletzung des Klägers sei so schwer gewesen, dass die Hinnahme seines Verhaltens durch die Beklagte offensichtlich ausgeschlossen gewesen sei.

Selbst wen...

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