Entscheidungsstichwort (Thema)

Abmahnung. Verhältnismäßigkeit. Abmahnung bei ganz geringfügiger Pflichtverletzung

 

Leitsatz (redaktionell)

Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verlangt ein vertretbares Verhältnis zwischen der Abmahnung und dem gerügten Fehlverhalten. Mit dem Hinweis auf die Bestandsgefährdung des Arbeitverhältnisses greift der Arbeitgeber nämlich bereits in bestehende Rechtspositionen des Arbeitnehmers ein. Eine solche Gefährdung des Arbeitsverhältnisses ist nur gerechtfertigt, wenn ein weiteres Fehlverhalten nach Ausspruch einer Abmahnung als Grund für eine Kündigung geeignet sein könnte, wofür ganz geringfügige Verstöße nicht in jedem Fall ausreichen.

 

Normenkette

BGB §§ 1004, 242

 

Verfahrensgang

ArbG Ludwigshafen (Urteil vom 22.01.2004; Aktenzeichen 3 Ca 2659/03)

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 22.01.2004, AZ: 3 Ca 2659/02, wie folgt teilweise abgeändert:

  1. Die Beklagte wird verurteilt, die dem Kläger mit Schreiben vom 15.07.2003 erteilte „Abmahnung Nr. 4” aus der Personalakte des Klägers zu entfernen.
  2. Die Beklagte wird verurteilt, die dem Kläger mit Schreiben vom 15.07.2003 erteilte „Abmahnung Nr. 5” aus der Personalakte des Klägers zu entfernen.
  3. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

2. Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Entfernung zweier Abmahnungsschreiben aus seiner Personalakte.

Der Kläger ist bei der Beklagten seit dem 01.08.1981 als Schlosser beschäftigt. Seit Herbst 2002 erteilte ihm die Beklagte eine Reihe schriftlicher Abmahnungen. Vorliegend streiten die Parteien über die Berechtigung zweier Abmahnungen vom 15.07.2003 „Abmahnung Nr. 4” und „Abmahnung Nr. 5”).

Die Abmahnung Nr. 4 lautet wie folgt:

„Sehr geehrter Herr A.,

am 08.07.2003 wurden Sie morgens beauftragt Rundeisen Durchmesser 20 mm, 20 mm lang abzuschneiden. Gegen 8:00 Uhr wurden Sie von Herrn K. angewiesen, die Säge beim Hochfahren zum Rundeisen hin schneller laufen zu lassen (Zeitersparnis), um dann beim Sägen die Maschine langsamer laufen zu lassen. (einfache Handhabung durch einen Verstellgriff, der ohne Kraftaufwand zu bedienen ist.). Sie ignorierten diese Anweisung. Gegen 8:10 Uhr wurden Sie nochmals von Herrn K. angewiesen, die Säge beim Hochfahren zum Schneiden schneller zu fahren. Ihre Antwort hierauf: „Ich arbeite für die Firma K. genug”. Anstatt der Rundeisen mit 20 mm Durchmesser wählten Sie solche mit 18 mm Durchmesser, wodurch die Ihnen aufgetragene Arbeiten von vornherein falsch ausgeführt wurden und die Arbeitsergebnisse unbrauchbar wurden.

Wir müssen Sie hierzu darauf hinweisen, dass Sie verpflichtet sind, Weisungen Ihrer Vorgesetzten Folge zu leisten. Es ist für uns nicht hinnehmbar, wenn Sie derartige Weisungen nicht nur ignorieren, sondern sich offen – so mit den Worten „Ich arbeite für die Firma K. genug” dagegen stellen. Wir verlangen von unseren Mitarbeitern nichts Unzumutbares und schon gar nichts unmögliches. Als Arbeitgeberin sind wir berechtigt, Ihnen Weisungen, die das Arbeitstempo betreffen, zu erteilen. Wir werden es nicht hinnehmen, wenn Sie künftighin derartige Weisungen ignorieren, oder sich gar gegen dies offen auflehnen. Sollte sich dies wiederholen, werden wir das Arbeitsverhältnis kündigen. „

Die Abmahnung Nr. 5 hat folgenden Inhalt:

„Sehr geehrter Herr A.,

am 08.07.2003 waren Sie damit auftragt Rundeisen Durchmesser 20 mm je Stück 20 mm lang zuzuschneiden. Da Sie den hinteren Werkzeuganschlag nicht richtig eingestellt hatten, (die Fuge zwischen Sägeblatt und Werkzeuganschlag war zu groß), ist durch das Hinziehen eines Rundeisen-Zuschnittstückes in den Sägespalt, ein Segment des Sägeblattes herausgerissen worden.

Kostenpunkt der Reparatur 41,20 EUR/netto.

Auch dieser Vorgang zeigt uns, dass Sie nicht mit der ausreichenden Konzentration bei der Arbeit sind. Die Vermeidung von Fehlern wie in der hier angesprochenen Art entspricht Ihren Kenntnissen und Fähigkeiten. Wir fordern Sie auf, sich künftig auf Ihre Arbeit zu konzentrieren und Ihren Kenntnissen und Fähigkeiten entsprechende fehlerfreie Arbeiten abzuliefern. Sollten wir erneut feststellen müssen, dass Sie, sei es, dass Sie nicht Willens, sei es, dass Sie nicht in der Lage sind, diese Vorgaben zu entsprechen, insbesondere nach Ihren Kenntnissen und Fähigkeiten jedenfalls grobe Fehler der vorliegenden Art zu vermeiden, müssen Sie damit rechnen, dass wir das Arbeitsverhältnis kündigen.”

Gegen diese Abmahnungen richten sich die vom Kläger am 05.08.2003 beim Arbeitsgericht eingereichten Klagen. Das Arbeitsgericht hat die beiden Verfahren mit Beschluss vom 28.08.2003 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung miteinander verbunden.

Der Kläger hat beantragt,

  1. die Beklagte zu verurteilen, die ihn mit Schreiben vom 15.07.2003 erteilte Abmahnung (Nr. 4) aus der Personalakte zu entfernen.
  2. die Beklagte zu verurteilen, die ihm mit Schreiben vom 15.07.2003 erteilte Abmahnung (Nr. 5) aus der ...

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