Entscheidungsstichwort (Thema)
Darlegungs- und Beweislast des Kündigenden. Fehlende Beweise für Dieselschwund. Mitverschulden des Arbeitgebers bei fehlenden Sicherungsmaßnahmen
Leitsatz (redaktionell)
1. Mangels nachweisbarer Straftaten ist eine fristlose und hilfsweise fristgerechte, verhaltensbedingte Kündigung unwirksam.
2. Ein einmaliger Verkehrsverstoß - hier Restalkohol - begründet kein Recht zur fristlosen Kündigung.
Normenkette
BGB § 626 Abs. 1; KSchG § 1; ZPO § 286; BGB § 280 Abs. 1, § 619a
Verfahrensgang
ArbG Koblenz (Entscheidung vom 24.09.2019; Aktenzeichen 6 Ca 1026/19) |
Tenor
- Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 24.09.2019, Az.: 6 Ca 1026/19 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
- Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien des vorliegenden Rechtstreits streiten darüber, ob das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis aufgrund einer außerordentlichen, hilfsweisen ordentlichen Kündigung der Beklagten vom 30.11.2018 sein Ende gefunden hat oder aber fortbesteht, über Vergütungsansprüche des Klägers für November 2018 in unstreitiger Höhe von 2.624,15 EUR netto sowie über Schadensersatzansprüche, die die Beklagte widerklagend in Höhe von 6.909,59 EUR geltend macht.
Die Beklagte betreibt eine Spedition mit ca. 115 LKWs und beschäftigt mehr als 10 Arbeitnehmer unter Außerachtlassung der Auszubildenden. Ein Betriebsrat besteht im Betrieb der Beklagten nicht. Der Kläger ist seit dem 01.02.2017 bei der Beklagten als LKW-Fahrer auf der Grundlage eines schriftlich zwischen den Parteien abgeschlossenen Arbeitsvertrages vom 30.11.2016, hinsichtlich dessen Inhalts auf Bl. 4-10 d. A., Bezug genommen wird, beschäftigt. Der Kläger arbeitet von Montag bis Freitag durchgehend für die Beklagte; die Arbeitszeit beginnt regelmäßig zwischen 2:00 Uhr und 5:00 Uhr morgens. Sein LKW wird am Freitag bei der Disposition geladen und steht vereinbarungsgemäß über das Wochenende an seinem, des Klägers, Wohnort, bis er montags seine Arbeit wiederaufnimmt. Das durchschnittliche Bruttogehalt des Klägers beträgt 2.480,00 EUR.
Die LKWs der Beklagten waren ursprünglich mit verschließbaren Tankdeckeln versehen. Allerdings hat die Beklagte am LKW des Klägers, wie auch an den LKWs der anderen von ihr beschäftigten Fahrer, die Verriegelungstechnik der Tankanlage entfernen lassen, weil im Falle von Treibstoffdiebstahl die Schäden an der Tankanlage bei Öffnung mit Gewalt höher wären als die Verluste durch die Treibstoffeinbußen. Die LKWs der Beklagten sind mit sogenannten Fleetboards ausgestattet. Damit werden die Fahrzeugdaten, wie z. B. der Kraftstoffverbrauch, die Standzeit und die Kilometerleistung erfasst. Die Daten werden der jeweils eingesteckten Fahrerkarte und damit dem Fahrzeugführer zugeordnet. Der Standort des Fahrzeuges wird GPS gestützt auch dann erfasst, wenn der LKW während der Standzeit geparkt ist. Die Sensoren, die den Tankinhalt erfassen sind auch die, die die Tankanzeige im Fahrzeug steuern. Die Daten des Fleetboards werden per Mobilfunk an die Beklagte übertragen und dort per Computer erfasst und gespeichert. Innerhalb des Fahrzeugs wird der Tankinhalt mit einer analogen Tankanzeige dargestellt. Die Kapazität eines LKW-Tanks beträgt durchschnittlich 660 Liter. Die Betankung des Fahrzeuges erfolgt durch den Fahrer und wird per Tankkarte von ihm unmittelbar bezahlt.
Die Beklagte hat für die bei ihr beschäftigten Fahrer eine Prämie ausgelobt, wenn sie durch kraftstoffsparende Fahrweise Kraftstoffe einsparen.
In der Vergangenheit kam es bei den LKWs der Beklagten wiederholt zu unbefugten Kraftstoffentnahmen. Wenn Fahrer dementsprechende Meldungen an die Beklagte erstatteten, hat diese in einigen Fällen zwischen 2013 bis 2016 Strafanzeige erstattet bzw. die jeweilige Auslandsbehörde informiert. Etwaige strafrechtliche Ermittlungen wurden allerdings eingestellt, jeweils mangels Tatverdachts.
Als der Kläger am 30.11.2018 mit dem LKW auf dem Gelände der Beklagten erschien, war dort bereits die Polizei anwesend. Der Kläger, dessen Atem nach Alkohol roch, wurde eine Alkoholkontrolle unterzogen. Die durchgeführte Blutalkoholprüfung ergab, dass der Kläger 0,34 Milligramm Alkohol pro Liter (0,9 Promille) aufwies. Er erhielt einen Bußgeldbescheid mit einem einmonatigen Fahrverbot (s. Bl. 116 d. A.), das er innerhalb von vier Monaten nach Rechtskraft des Bescheides antreten muss. Der Bußgeldbescheid datiert vom 24.01.2019.
Unmittelbar nach der Alkoholkontrolle durch die Polizei wurde der Kläger in das Personalbüro der Beklagten gerufen; ihm wurde die außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung vom 30.11.2018 ausgehändigt. Zum Kündigungssachverhalt wurde er zuvor, dies ist zwischen den Parteien unstreitig, nicht angehört.
Der bisherige Verlauf des Arbeitsverhältnisses war ungestört. Insbesondere hat die Beklagte gegenüber dem Kläger keine Abmahnungen erklärt.
Der Kläger hat vorgetragen,
er bestreite, dass er am 30.11.2018 fahruntüchtig gewesen sei. Jedenfalls handele es sich aber b...