Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Klage auf künftige Leistung. Kein Anspruch auf höheren Nachtzuschlag. Auslegung arbeitsvertraglicher Regelungen hinsichtlich Bezugnahme auf Richtlinie Arbeitszeit/Transport. Änderungen und Streichungen (Blue-Pencil-Test) bei Teilbarkeit einer unangemessenen Vertragsklausel
Leitsatz (redaktionell)
1. Der Arbeitnehmer hat keinen Anspruch auf einen höheren Nachtzuschlag als 15 % nach der Richtlinie Arbeitszeit/Transport.
2. Es ist zulässig, einzelne Begriffe ersatzlos aus einer Regelung herauszustreichen, wenn diese in Gänze teilbar ist (Blue-Pencil-Test).
3. Die Zahlung einer Gliederzugprämie verstößt nicht gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz, auch wenn sie als Funktionszulage gewährt wird.
4. Eine auf künftige Leistungen zielende Klage ist unzulässig, es sei denn, sie ist auf eine bloße Feststellung gerichtet.
Normenkette
ArbZG § 6 Abs. 5; BGB § 305 Abs. 1 S. 1, § 310 Abs. 3 Nr. 2; BUrlG § 11 Abs. 1; EFZG § 4 Abs. 1; GG Art. 3 Abs. 1; ZPO § 256 Abs. 1-2, § 287 Abs. 2, §§ 259, 97 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Mainz (Entscheidung vom 24.06.2020; Aktenzeichen 2 Ca 1764/19) |
Tenor
- Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 24. Juni 2020 - 2 Ca 1764/19 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
- Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Zahlung von Arbeitsvergütung, insbesondere um höhere Nachtzuschläge, Zahlung weiterer Urlaubsvergütung und um eine sog. Gliederzugprämie.
Der Kläger war bei der Beklagten seit dem 1. Oktober 2011 auf der Grundlage des Arbeitsvertrags vom 23. September 2011 und des Änderungsvertrags vom 30. Juni 2015/25. August 2015 im Distributionszentrum der Beklagten in B. als LKW-Fahrer zuletzt mit Wirkung vom 1. Juli 2015 bei einer Bruttomonatsvergütung von 2.635,90 Euro (Bl. 231 d.A) in Dauerfrühschicht, teilweise bereits ab 2:00 Uhr morgens, beschäftigt.
Bei der Beklagten handelt es sich um einen mehrschichtigen Betrieb im Sinne des § 4 Ziffer 4 Buchst. b MTV Groß- und Außenhandel NRW (Bl. 65 d.A).
In dem formularmäßigen Arbeitsvertrag vom 23. September 2011 und den diesem Vertrag unstreitig beigefügten Anlagen heißt es, soweit hier von Bedeutung (Bl. 215 ff.):
"§ 3 Arbeitszeit
Die Arbeitszeit ist in der jeweils gültigen Richtlinie Arbeitszeit Transport geregelt.
Die durchschnittliche wöchentliche Sollarbeitszeit beträgt 40 Stunden, die durchschnittliche tägliche Arbeitszeit beträgt 8 Stunden.
[...]
§ 13 Schlussbestimmungen
Für das Arbeitsverhältnis gelten außer den Bestimmungen dieses Vertrages die Betriebsordnung sowie die einschlägigen Richtlinien und Anweisungen der C. und/oder von C. Logistics und unserer Kunden. Ergänzend gilt teilweise der Manteltarifvertrag für Arbeitnehmer im Groß- und Außenhandel NRW in der jeweils gültigen Fassung, soweit in diesem Vertrag oder in der jeweiligen Betriebsordnung oder an anderer Stelle nichts anderes vereinbart oder festgelegt worden ist.
Anlagen
- Betriebsordnung Version 1.0
- Unternehmensprinzipien Version 1.0
[...]
- Richtlinie Altersversorgung (Direktversicherung) Version 1.0
- Richtlinie Arbeitszeit Transport Version 1.0
- Richtlinie Telekommunikationsgeräte Version 2.0
[...
- Leitfaden zur Unternehmenskultur"
In der dem Arbeitsvertrag beigefügten (Bl. 60 d.A) Richtlinie Arbeitszeit Transport Version 1.0 heißt es, insoweit wortlautidentisch (Bl. 59 d.A) mit der zur Akte gereichten Version 3.0 vom 1. Juni 2015 (Bl. 238 ff. d.A):
"Richtlinie Arbeitszeit Transport
[...]
10 Nachtarbeit
Die Nachtzeit liegt zwischen 20:00 Uhr und 06:00 Uhr. In dieser Nachtzeit darf die Arbeitszeit maximal 10 Arbeitsstunden betragen, sofern innerhalb von 1 Kalendermonat 8 Stunden werktäglich während der Nachtzeit durchschnittlich nicht überschritten werden.
[...]
12 Mehrarbeit
Mehrarbeit ist jede über die arbeitsvertraglich vereinbarte wöchentliche Sollarbeitszeit hinausgehende Arbeit. Diese Mehrarbeitsstunden werden entweder durch Freizeitnahme ausgeglichen oder vergütet. Soweit möglich ist die Freizeitnahme der Vergütung von Mehrarbeit vorzuziehen.
13 Zuschläge
Arbeitsvertraglich vereinbarte wöchentliche Arbeitszeit von 40 Stunden und weniger:
Mehrarbeitszuschläge werden bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von mehr als 40 Stunden gewährt. Die Mehrarbeitszuschläge für die Mehrarbeitsstunden in Höhe von 25 % werden immer ausgezahlt.
[...]
Sowohl für vollzeit- als auch für teilzeitbeschäftigte Mitarbeiter gilt, dass Arbeitsstunden an Sonntagen mit einem Zuschlag von 100 %, an Feiertagen mit einem Zuschlag von 200 % und Nachtarbeit mit einem Zuschlag von 15 % gewährt werden. Diese Zuschläge werden ebenfalls immer ausgezahlt.
Treffen mehrere Zuschläge für dieselbe Arbeitszeit zusammen, so wird ausschließlich der jeweils höhere Zuschlag ausgezahlt."
In dem in § 13 des Arbeitsvertrags genannten Manteltarifvertrag für Arbeitnehmer im Groß- und Außenhandel NRW heißt es bezüglich der hier streitigen Zuschläge und der Verfallfristen (Bl. 7 ff. der Akte):
"§ 4 Mehr-, Sonn-, Feiertags-, Nacht- und Schichtar...