Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtswidrige Abmahnung wegen Aufsichtspflichtverletzung. Anspruch auf Entfernung der teilrechtswidrigen Abmahnung aus der Personalakte
Leitsatz (redaktionell)
Wird die Abmahnung undifferenziert auf eine Aufsichtspflichtverletzung gestützt, so ist sie als teilrechtswidrig im Gesamten aus der Personalakte zu entfernen.
Normenkette
BGB §§ 1004, 242, 314 Abs. 2, § 861 Abs. 2; ArbGG § 69 Abs. 5; ZPO § 97 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Kaiserslautern (Entscheidung vom 18.06.2020; Aktenzeichen 8 Ca 362/19 P) |
Tenor
- Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 18.06.2020 - 8 Ca 362/19 P - wird zurückgewiesen.
- Die Beklagte hat die Kosten ihrer Berufung zu tragen.
- Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits streiten (im Berufungsverfahren nur noch) darüber, ob die von der Beklagten dem Kläger am 05.09.2019 erteilte Abmahnung aus der Personalakte des Klägers zu entfernen ist.
Der 1959 geborene Kläger ist seit 01.01.2013 bei der Beklagten im Jugendheim "Mü." in Ro. als Erzieher gegen ein monatlichen Bruttoentgelt von zuletzt 3.020,00 EUR beschäftigt. In diesem Jugendheim sind überwiegend in zwei geschlossenen Gruppen schwersterziehbare Kinder und Jugendliche infolge gerichtlicher Einweisung untergebracht.
Am 05.09.2019 hat die Beklagte dem Kläger eine Abmahnung wegen Aufsichtspflichtverletzung erteilt, hinsichtlich deren weiteren Inhalts auf Bl. 32 d. A. Bezug genommen wird und die, soweit vorliegend maßgeblich, folgenden Wortlaut hat:
"... nach erneuter Prüfung unter Einbeziehung Ihrer Stellungnahme vom 26.06.2019 hat sich der vorgeworfene Sachverhalt bestätigt. Wir mahnen Sie daher ab.
Am 04.06.2019 begleiteten Sie als verantwortlicher Betreuer vier Jugendliche ins Schwimmbad in Co., darunter ein Jugendlicher in der Stufe 3. Während dieses Schwimmbadbesuchs konsumierten die Jugendlichen wiederholt Cannabis (3-5 Joints, die im Schwimmbad "gebaut" wurden), was Sie nicht bemerkten, weil Sie an einer anderen Stelle lagen als die Jugendlichen. Sie hatten die Jugendlichen lediglich angewiesen, sich alle halbe Stunde bei Ihnen zu melden. Damit sind Sie Ihrer Aufsichtspflicht nicht nachgekommen.
Wir sind nicht bereit, ein derartiges Fehlverhalten hinzunehmen.
Bei den Jugendlichen im Jugendheim Mü. ist eine besondere Betreuung und Aufsicht vonnöten und sie sind im Blick zu behalten. Dabei reicht es nicht, ihnen zu sagen, dass sie sich zu einem bestimmten Zeitpunkt zu melden haben.
Der Jugendliche in der Stufe 3 muss während des gesamten Zeitraums, in dem er sich außerhalb des Einrichtungsgeländes bewegt, durchgängig persönlich begleitet und beaufsichtigt werden. Hier regelt der Ihnen bekannte Stufenplan ganz klar, dass bei Aktivitäten außerhalb des Geländes eine aktive Aufsicht durch Sie hätte erfolgen müssen. Mit Ihrer Entscheidung, den Jugendlichen der Stufe 3 ins Schwimmbad mitzunehmen, übernahmen Sie die Verantwortung, diesen unmittelbar zu beaufsichtigen, d. h. direkt bei ihm zu sein - zumal der Jugendliche kurz zuvor von Stufe 4 auf Stufe 3 wegen Fehlverhaltens herabgestuft worden war.
Aus diesem Grund mahnen wir Sie hiermit ausdrücklich ab und fordern Sie auf, zukünftig Ihren arbeitsvertraglichen Verpflichtungen ordnungsgemäß nachzukommen.
Wir machen Sie in aller Form und in aller gebotenen Ernsthaftigkeit darauf aufmerksam, dass wir diesen Verstoß gegen Ihre Treuepflicht gegenüber Ihrem Arbeitgeber nicht hinnehmen können. Wir bitten Sie eindringlich, in Zukunft Ihren Pflichten aus dem Arbeitsvertrag ordnungsgemäß und vollständig nachzukommen. Sollten wir in Zukunft bei Ihnen Pflichtverstöße der hier abgemahnten oder einer ähnlichen Art erneut feststellen, müssen Sie davon ausgehen, dass von uns arbeitsrechtliche Sanktionen bis hin zur Kündigung ergriffen werden.
Diese Abmahnung wird in Ihre Personalakte aufgenommen. Wir bitten Sie, uns den Erhalt dieser Abmahnung zu bestätigen. ..."
Am 04.06.2019 hatte der Kläger als verantwortlicher Betreuer vier Jugendliche ins Schwimmbad in Co. begleitet, darunter einen Jugendlichen in der maßgeblichen Stufe drei; die anderen Jugendlichen sind in der Stufe vier kategorisiert. Während dieses Schwimmbadbesuches konsumierten die Jugendlichen wiederholt Cannabis (drei bis fünf Joints, die im Schwimmbad "gebaut" wurden). Der Kläger hatte die Jugendlichen zuvor angewiesen, sich alle halbe Stunde bei ihm zu melden. Jugendliche der Stufe drei dürfen nach der maßgeblichen Kategorisierung an begleiteten Gruppenaktivitäten teilnehmen, z. B. Eislauf, Schwimmen, Kino; sie haben täglich zudem eine halbe Stunde unbegleiteten Ausgang auf dem Gelände. Jugendliche der Stufe vier dürfen dagegen zusätzlich an einem unbegleiteten Ausgang teilnehmen, beginnend mit drei Stunden pro Woche, verteilt auf Tage, mit Handy; hinsichtlich der Einzelheiten wird auf Bl. 97 d. A. Bezug genommen.
Der Kläger hat vorgetragen,
bei einem Schwimmbadbesuch sei die durchgehende Betreuung nur durch einen Betreuer gar nicht mögl...