Entscheidungsstichwort (Thema)

Zulässigkeit des Bestreitens der ordnungsgemäßen Anhörung des Betriebsrats mit Nichtwissen. Abgestufte Darlegungslast bei ordnungsgemäßer Anhörung des Betriebsrats

 

Leitsatz (redaktionell)

Das Bestreiten der ordnungsgemäßen Anhörung des Betriebsrats durch den Arbeitnehmer mit Nichtwissen ist nach § 138 Abs. 4 ZPO zulässig, da die Anhörung nicht Teil seiner Wahrnehmung ist. Danach muss der Arbeitgeber im Detail vortragen, wann er in welcher Weise den Betriebsrat informiert und das Anhörungsverfahren betrieben hat.

 

Normenkette

BetrVG § 102 Abs. 1 S. 3, Abs. 2 S. 1; ZPO § 138 Abs. 4, § 520 Abs. 3 Nr. 2; KSchG § 4; ZPO § 97 Abs. 1, § 138 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Trier (Entscheidung vom 01.10.2020; Aktenzeichen 2 Ca 286/20)

 

Tenor

  • I.

    Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 01.10.2020 - 2 Ca 286/20 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

  • II.

    Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten im Berufungsverfahren noch über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung.

Die Klägerin war bei der Beklagten aufgrund Arbeitsvertrags vom 25. Juni 2018 (Bl. 5 - 9 d. A.) seit dem 01. August 2018 als kaufmännische Angestellte im Vertriebsinnendienst beschäftigt.

Mit Schreiben vom 13. März 2020 (Bl. 18 d. A.), das der Klägerin am gleichen Tag übergeben wurde, kündigte die Beklagte das mit der Klägerin bestehende Arbeitsverhältnis ordentlich zum 15. April 2020.

Mit ihrem am 16. März 2020 eingegangenen Kündigungsschutzantrag hat die Klägerin die Unwirksamkeit der Kündigung vom 13. März 2020 geltend gemacht und u.a. mit Nichtwissen bestritten, dass der im Betrieb der Beklagten bestehende Betriebsrat ordnungsgemäß zu der Kündigung angehört wurde.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des unstreitigen Sachverhalts und des wechselseitigen Vorbringens der Parteien erster Instanz wird auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Trier vom 01. Oktober 2020 - 2 Ca 286/20 - Bezug genommen.

Mit dem vorgenannten Urteil hat das Arbeitsgericht - soweit für das Berufungsverfahren von Interesse - dem Kündigungsschutzantrag stattgegeben und festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die fristgerechte Kündigung der Beklagten vom 13. März 2020 aufgelöst wird. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht ausgeführt, die Kündigung sei nach § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG unwirksam, weil sie ohne Anhörung des Betriebsrats ausgesprochen worden sei. Hinsichtlich der Ordnungsgemäßheit der Betriebsratsanhörung bestehe im Prozess eine abgestufte Darlegungs- und Beweislast. Der Arbeitnehmer müsse zunächst die ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats bestreiten, damit die entsprechende Darlegungslast des Arbeitgebers ausgelöst werde. Dies habe die Klägerin vorliegend getan. Der Arbeitgeber trage dann die Darlegungslast dafür, dass er die ihm gemäß § 102 BetrVG obliegenden Pflichten ordnungsgemäß erfüllt habe. Der Arbeitgeber komme seiner Darlegungspflicht nur dann nach, wenn er konkrete Tatsachen vortrage, aus denen sich die ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats ergebe. Diesen Anforderungen genüge der Vortrag der Beklagten nicht. Die Beklagte habe vorgetragen, sie habe den Betriebsratsvorsitzenden frühzeitig über ihre Absicht, das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin betriebsbedingt und fristgerecht zum 15.04.2020 zu kündigen, unterrichtet, und habe den Betriebsrat insbesondere über die Gründe der Kündigung informiert. Diesen Angaben lasse sich nicht entnehmen, wann die Information an den Betriebsrat erfolgt sei und ob die Information umfassend und vollständig gewesen sei. Es bleibe insbesondere offen, ob dem Betriebsrat die Sozialdaten der Klägerin mitgeteilt worden seien und welchen genauen Kündigungssachverhalt die Beklagte dem Betriebsrat unterbreitet habe. Zwar sei der Betriebsratsvorsitzende, auf wessen Veranlassung auch immer, bei den beiden mit der Klägerin am 13. März 2020 geführten Personalgesprächen zugegen gewesen. Dies ersetze jedoch nicht das förmliche Anhörungsverfahren. Am 13. März 2020 sei sofort das Kündigungsschreiben an die Klägerin übergeben worden. Eine Betriebsratssitzung habe zuvor, für die Beklagte offensichtlich, nicht stattfinden können. Falls die Beklagte den Betriebsrat bereits zu einem früheren Zeitpunkt informiert haben sollte, hätte das Datum der Anhörung mitgeteilt werden müssen, um überprüfen zu können, ob die einwöchige Äußerungsfrist des § 102 Abs. 2 BetrVG gewahrt worden sei. Dies gelte umso mehr, als die Beklagte nichts zu einer etwaigen Stellungnahme des Betriebsrats vorgetragen habe.

Gegen das ihr am 08. Oktober 2020 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 05. November 2020, beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am 06. November 2020 eingegangen, Berufung eingelegt und diese nach antragsgemäßer Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 08. Januar 2021 mit Schriftsatz vom 08. Januar 2021, beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am gleichen Tag eingegangen,...

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