Entscheidungsstichwort (Thema)

Kein Arbeitszeitbetrug wegen Angabe von Reisezeit als Arbeitszeit aufgrund unklarer Regelung des Arbeitgebers. Vereinnahmung eines Vortragshonorars nach vorheriger Absprache kein Betrug. Erhebliche Nebenpflichtverletzungen als Rechtfertigung für Kündigung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Straf- und sachenrechtliche Bewertungen spielen bei der Prüfung einer Kündigung in arbeitsrechtlicher Hinsicht keine Rolle.

2. Eine Vielzahl an fristlosen Kündigungen wegen Spesenbetrug, Verletzung von Vermögensinteressen oder Arbeitsverweigerung ist unwirksam.

3. Eine Druckkündigung ist nur bei existenzbedrohenden Ausnahmefällen wirksam.

 

Normenkette

BGB § 241 Abs. 2, § 314 Abs. 2, § 626; ZPO § 256 Abs. 1; BGB § 626 Abs. 2; ZPO § 97 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Ludwigshafen (Entscheidung vom 06.11.2019; Aktenzeichen 3 Ca 1221/18)

 

Tenor

  1. Die Berufung der Beklagten gegen das Teil-Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen am Rhein vom 06. November 2019 - 3 Ca 1221/18 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
  2. Die Revision wird nicht zugelassen.
 

Tatbestand

Die Parteien streiten unter anderem über die Wirksamkeit mehrerer außerordentlicher Kündigungen.

Die Beklagte ist eine C., die als juristische Person des öffentlichen Rechts auf der Grundlage des Heilberufsgesetzes Rheinland-Pfalz (HeilBG RLP) errichtet wurde und sich hierzu durch ihre Vertreterversammlung zuletzt die Hauptsatzung vom 1. Januar 2016 gegeben hat. Gemäß § 4 Abs. 1 der Hauptsatzung iVm. § 8 HeilBG RLP sind Organe der Ärztekammern die Vertreterversammlung und der (ehrenamtliche) Vorstand. Gemäß § 7 Abs. 2 der Hauptsatzung iVm. § 11 Abs. 2 HeilBG RLP bestellt der Vorstand einen (hauptamtlichen) Geschäftsführer, der die laufenden Verwaltungsgeschäfte der Kammer führt, den Weisungen des Vorstands unterliegt und die Beschlüsse des Vorstands unter Beachtung der Grundsätze einer ordnungsgemäßen Geschäftsführung auszuführen hat.

Im Oktober 2016 wurde für die Amtszeit von fünf Jahren ein neuer Vorstand gewählt, dessen Vorsitzender Herr Dr. med. C. ist.

Der 1965 geborene Kläger war bei der Beklagten seit dem 7. März 1999 auf der Grundlage des Arbeitsvertrags vom 8. März 1999 (Bl. 6 d.A) als "Halbtagskraft"zur Vertretung der in Elternzeit befindlichen Stelleninhaberin und seit dem 1. März 2000 als "Juristischer Geschäftsführer"aufgrund der Änderungsvereinbarung vom 26. Januar 2000 (Bl. 139 ff. d.A) beschäftigt, zuletzt aufgrund der Änderungsvereinbarung vom 30. Oktober 2007 (Bl. 8 d.A) ab dem 1. Januar 2008 als "alleiniger Geschäftsführer"bei einer Bruttomonatsvergütung von 7.754,57 Euro (Bl. 35 d.A). Personalverantwortung, insbesondere die Einstellung oder Entlassung von Mitarbeitern, lag allein beim Vorstand und war dem Kläger nicht übertragen (Bl. 203 d.A). Er war auch nicht befugt, Rechtsgeschäfte ohne ausdrückliche Anweisung des Vorstands zu tätigen oder Verträge abzuschließen. Ebensowenig war er befugt, Abmahnungen auszusprechen oder das arbeitgeberseitige Direktionsrecht wahrzunehmen; dies war dem Vorstand vorbehalten. Schließlich hatte der Kläger auch keine Etat- oder Budgetverantwortung. Als Titular-Geschäftsführer war er umfassend an die Vorgaben des Vorstands der Beklagten gebunden (Bl. 423 d.A).

Im Änderungsvertrag vom 26. Januar 2000 heißt es, soweit hier von Bedeutung (Bl. 139 ff. d.A):

"§ 2 Vertragsverhältnis

Soweit in diesem Vertrag oder in vorhergehenden Vereinbarungen keine besonderen Regelungen getroffen werden, gelten für das Dienstverhältnis die Bestimmungen des Bundesangestelltentarifvertrages (BAT) vom 23.02.1961 sowie die den BAT ergänzenden, ändernden oder an seine Stelle tretenden Tarifverträge und Vorschriften.

§ 3 Tätigkeitsbereich, Vorgesetzte und Zuständigkeit

1. Die Geschäfte der C. P. mit juristische Relevanz werden durch den Juristischen Geschäftsführer wahrgenommen, der an die Weisungen des Vorsitzenden gebunden ist. Der Juristische Geschäftsführer ist Disziplinarvorgesetzter der Mitarbeiter der C. P. Damit nicht verbunden ist die Unterstellung der Mitarbeiter der C. P. in Angelegenheiten der Sachbearbeitung in den einzelnen Sachbereichen, welche dem Kaufmännischen Geschäftsführer zufällt. Der juristische Geschäftsführer nimmt an allen Sitzungen der Organe der C. P. mit beratender Stimme teil.

[...]

4. Die beigefügte Stellenbeschreibung wird Bestandteil dieses Änderungsvertrags.

[...]

§ 5 Zusatzversorgung

Bei der Zusatzversorgungskasse der B. Versicherungskammer besteht eine zusätzliche Altersversorgung, deren Kosten derzeit voll von der C. P. übernommen werden.

[...]

Stellenbeschreibung

[...]

2. Rang

Juristischer Geschäftsführer

3. Unterstellung

Der Stelleninhaber ist dem Vorsitzenden unmittelbar unterstellt.

4. Überstellung

Der Stelleninhaber ist den Mitarbeitern der C. P. als disziplinarischer Vorgesetzter überstellt."

Entsprechend § 2 des Änderungsvertrags vom 26. Januar 2000 gilt im Arbeitsverhältnis der Parteien seit 1. November 2006 der TV-L, was die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 18. Januar 2007 (Bl. 7 d.A) mitteilte. Gemäß § 34 Abs. 2...

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