Entscheidungsstichwort (Thema)

Außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses wegen der Drohung des Arbeitnehmers, sich angesichts einer bestimmten Weisung des Arbeitgebers krank schreiben zu lassen

 

Leitsatz (amtlich)

Tritt der Arbeitnehmer einer Weisung des Arbeitgebers mit der Drohung entgegen, sich krank schreiben zu lassen, so rechtfertigt das im Grundsatz eine außerordentliche fristlose Kündigung. Unerheblich ist hierbei, ob der Arbeitnehmer später tatsächlich erkrankt oder ob die Weisung rechtswidrig war, denn die kündigungsrelevante Nebenpflichtverletzung besteht in der Art und Weise des Vorgehens des Arbeitnehmers.

 

Normenkette

BetrAVG § 1 b; BGB §§ 177, 179, 626; GewO § 106; ZPO §§ 156, 533

 

Verfahrensgang

ArbG Ludwigshafen (Entscheidung vom 05.09.2019; Aktenzeichen 1 Ca 728/19)

 

Tenor

  1. Die Berufung der klägerischen Partei gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 5. September 2019 - 1 Ca 728/19 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen und die weitergehende Klage wird abgewiesen.
  2. Die Kosten des zweitinstanzlichen Rechtsstreits trägt der Kläger.
  3. Die Revision wird nicht zugelassen.
 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer arbeitgeberseitigen Kündigung und um Zahlung von Arbeitsvergütung.

Der Kläger (geboren 1979, ledig) war bei der Beklagten auf der Grundlage des Arbeitsvertrags vom 15. Juni 2018 seit dem 15. August 2018 als SAP Support Consultant in D. bei einer Bruttomonatsvergütung von 3.800,00 Euro beschäftigt. In dem Arbeitsvertrag war eine sechsmonatige Probezeit und unter § 2.3 desselben Vertrags eine beiderseitige Kündigungsfrist von sechs Monaten zum Monatsende vereinbart (vgl. Bl. 13 d.A). Zudem heißt es in dem Arbeitsvertrag unter § 4 Vergütung Ziffer 4.4 (Bl. 15 d.A):

"4.4 Zusätzlich erhält der Mitarbeiter nach Abschluss der Probezeit ab dem danach nächsten turnusmäßigen Termin (01.04.) Eine Direktversicherung mit einem Jahresbeitrag von EUR 1.752.--, deren Beiträge das Unternehmen trägt."

Die Beklagte beschäftigte ständig mehr als zehn Arbeitnehmer. Für den Monat Februar 2019 erteilte sie dem Kläger eine Lohnabrechnung (Bl. 55 d.A) über lediglich 3.700,00 Euro brutto.

Die Beklagte stellte Überlegungen an, ihr D. Büro innerhalb der Region zu verlagern und suchte hierfür nach einer geeigneten Immobilie (Bl. 63 d.A).

Der Kläger wandte sich deshalb mit E-Mail vom 4. April 2019 an den Geschäftsführer der Beklagten, Herrn T. M., und teilte diesem mit, dass ein verlängerter Arbeitsweg - mangels Auto - ihn "nicht glücklich" mache (Bl. 34 d.A).

Am 7. Mai 2019 erfuhr der Kläger in diesem Zusammenhang von "der interessanten Immobilie in A-Stadt" (Bl. 48 d.A). Noch am selben Tag rief der Kläger bei der Immobilienfirma an und fragte nach, ob eine Besichtigung der Immobilie möglich sei (Bl. 49 d.A). Ein Besichtigungstermin wurde vereinbart für den 8. Mai 2019, den der Kläger ausweislich seiner Arbeitszeitaufzeichnungen in A-Stadt für einen Zeitraum von 1 Stunde und 30 Minuten wahrnahm (Bl. 41 d.A).

Mit E-Mail vom 8. Mai 2019 teilte der Kläger dem Geschäftsführer M. sodann mit (Bl. 35 d.A):

"Ich war so frei, und habe mir die Location in A-Stadt angeschaut!

[...]

In meinem anderen Leben renoviere ich alle Häuser in Polen und Deutschland meiner Familie, bevor du dir für diese oder andere Location da Gedanken machst, frag lieber mich!

[...]

Mein Eindruck:

Von Innen muss man renovieren, aber dies ist eigentlich kein Ding ....

[...]"

Ferner teilte der Kläger in der E-Mail vom 8. Mai 2019 mit, dass er bei der Firma Kabel Deutschland angefragt und sich wegen der Qualität der Internetverbindung auch mit der Vermieterin in Verbindung gesetzt habe (Bl. 36 d.A).

Zudem übersandte der Kläger ein Exposé der Maklerfirma per E-Mail am 9. Mai 2019 an seine Kollegen am Standort D. und an den Geschäftsführer der Beklagten (Bl. 37 f. d.A).

Der Kläger erhielt "unter dem 9. Mai 2019" eine E-Mail des Geschäftsführers M. (Bl. 34 f. d.A: "E-Mail vom 4. April 2019"; Bl. 64 d.A: "E-Mail vom 4. April 2019" - ein Ausdruck der E-Mail wurde nicht zur Akte gereicht, der Datumswiderspruch wurde nicht aufgeklärt), in der es auszugsweise heißt:

"ich nehme deine persönlichen Bedenken zur Kenntnis.

Bitte dich aber um Verständnis, dass wir für die L. einen unserer Meinung nach geeigneten Standort suchen. Ob sich der Anfahrtsweg für den einen verbessert oder den anderen verschlechtert, nehmen wir dabei wissend in Kauf, denn es wird immer so sein.

Bitte beschäftige dich nicht mehr mit der Suche nach Büroräumen. Wie ich sehe, belastet dich alleine die Möglichkeit einer Räumlichkeit zu sehr.

Überlasse das bitte mir.

Falls wir uns entscheiden und wann wir umziehen wirst du es erfahren."

Vor diesem Hintergrund kam es am Freitag den 10. Mai 2019 zu einer Besprechung zwischen dem Kläger und dem Geschäftsführer M. in L.. Hierbei sprach der Geschäftsführer dem Kläger das Misstrauen aus und stellte ihn für Montag und Dienstag, den 13. und 14. Mai 2019 von der Arbeit frei (Bl. 49 d.A).

Noch am 10. Mai 2019 wurde der Zugang des Klägers zum BCS Acco...

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