Entscheidungsstichwort (Thema)
Unwirksame Formularklausel zum Widerruf einer Jahresprämie
Leitsatz (redaktionell)
Eine formularmäßig im Arbeitsvertrag verwendete Klausel, mit der sich die Arbeitgeberin den jederzeitigen unbeschränkten Widerruf übertariflicher Lohnbestandteile und anderer Leistungen vorbehält, ist gemäß § 307 Abs. 1 S. 2 und § 308 Nr. 4 BGB unwirksam.
Normenkette
BGB §§ 133, 157, § 305 ff.; KSchG § 1; BGB § 307 Abs. 1 S. 2, § 308 Nr. 4
Verfahrensgang
ArbG Koblenz (Entscheidung vom 03.12.2015; Aktenzeichen 2 Ca 2182/15) |
Tenor
- Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 03.12.2015 - 2 Ca 2182/15 - wird zurückgewiesen.
- Auf die Berufung der Klägerin wird dieses Urteil hinsichtlich der Ziff. 3 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, 9.000,00 € brutto nebst 5 %-Punkten Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 11.08.2015 an die Klägerin zu zahlen.
- Die Beklagte hat die Kosten beider Rechtszüge zu tragen.
- Die Revision wird nicht zugelassen
Tatbestand
Die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits streiten darüber, ob das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis aufgrund einer ordentlichen betriebsbedingten Arbeitgeberkündigung sein Ende gefunden hat, oder aber nicht, sowie um Jahres-Prämienansprüche.
Die 1975 geborene Klägerin wurde von der Beklagten mit Arbeitsvertrag vom 05.09.2008 eingestellt. In diesem Arbeitsvertrag heißt es unter anderem:
"1. Beginn, Dauer und Inhalt des Arbeitsverhältnisses
1.1 Inhalt des Arbeitsverhältnisses
Der Arbeitnehmer wird als außertariflicher Angestellter für den folgenden Aufgabenbereich eingestellt: IT-Consulting, Kundenberatung, Anforderungsanalyse, Projektdurchführung, Softwareinstallation, -Betrieb, und -Support, Erstellung von Dokumentationen und Trainingsmaterial.
Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, auch andere ihm zumutbare, seinen Fähigkeiten entsprechende Aufgaben nach näherer Weisung der Geschäftsleitung zu übernehmen. ...
2. Vergütung
2.1 Monatliche Vergütung
Der Arbeitnehmer erhält eine monatliche Bruttovergütung in Höhe von ... EUR. Die Vergütung ist fällig am Ende eines jeden Monats. ..:
2.4 Zusätzliche freiwillige Zahlungen
Bei guter Geschäftslage beabsichtigt der Arbeitgeber, leistungsabhängige Prämien in Höhe von bis zu 20 % des Bruttoeinkommens zu vergeben. Die Zahlung dieser Prämien und anderer Gratifikationen, Tantiemen, Prämien oder sonstigen Sondervergütungen erfolgt freiwillig und unter dem Vorbehalt des jederzeitigen Widerrufs. Auch durch mehrmalige Zahlungen wird ein Rechtsanspruch für die Zukunft nicht begründet. ..."
Hinsichtlich des weiteren Inhalts des schriftlich zwischen den Parteien abgeschlossenen Arbeitsvertrages wird auf Bl. 3 bis 6 d. A. Bezug genommen.
Die Klägerin war - so die Darstellung der Beklagten - bis 2010 mit einem Programm "xy" und bis 2011 bei einem Programm "yz" befasst; Auftraggeber war jeweils die Deutsche Telekom AG. Ab 2012 war ihr ein Home-Office-Arbeitsplatz eingerichtet worden, um ein Programm "zx" für die Deutsche Telekom AG zusammen mit einem anderweitige per Home-Office tätigen Kollegen ablaufüberwachend zu betreuen, einschließlich von Programmneustarten und Beauftragung von IT-Spezialisten aus der Zentrale.
Die Bruttovergütung der Klägerin betrug zuletzt 4.226,00 € monatlich, zusammengesetzt aus einem Gehalt von 3.750,00 € zuzüglich 476,00 € Dienstwagen-Privatnutzung (vgl. die Abrechnung Januar 2015 = Bl. 7 d. A.). Zudem war für 2013 aufgrund eines Mitarbeitergesprächs vom 06.11.2013 ein Prämienwert von 20 Prozent aus 45.000,00 € festgesetzt und gezahlt worden (= 9.000,00 €).
Die Beklagte, die ständig mehr als 10 Arbeitnehmer beschäftigt, hat das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 20.06.2015, übergeben am 29.06.2015, ordentlich zum 30.09.2015 gekündigt und die Klägerin von der Erbringung ihrer Arbeitsverpflichtung freigestellt. Dagegen wendet sich die am 13./06.07.2015 erhobene Klage. Zugleich macht die Klägerin eine Bonuszahlung für 2014 im Umfang von 9.000,00 € geltend.
Die Klägerin hat vorgetragen,
dringende betriebliche Gründe für die streitgegenständliche Kündigung seien nicht gegeben. Weder sei ab 01.08.2015 ein Überwachungsbedarf wegen vermeintlich neuen Systems bei der Beklagten überflüssig geworden, noch werde ab 01.11.2015 die gesamte Hardware den Vertrag mit der Deutschen Telekom AG betreffend abgebaut. Auch treffe der Sachvortrag der Beklagten zum künftigen Mitarbeiterbedarf nicht zu, ihr Vorbringen sei im Hinblick auf vermeintlich 7 Verwaltungsmitarbeiter gegenüber zuletzt nur 4 und 5 Softwareentwicklern bzw. nur noch eine einzelne Person zur Hardwarebetreuung eigenartig bzw. unzutreffend. Es gebe kein zukünftig zu änderndes Geschäftsfeld. Sie - die Klägerin - könne im Übrigen auch durchaus Aufgaben der aus dem Betrieb ausgeschiedenen Frau U. und Herr R. ausführen, der lediglich ihres zu geringen Gehalts wegen mehr verdient gehabt habe als sie. Außerdem suche die Beklagte über ihre Website neue Mitarbeiter. Schließlich sei auch die Sozialauswahl fehlerhaft.
Hinsichtlich de...