Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebliche Erfordernisse zur Rechtfertigung einer betriebsbedingten Kündigung. Darlegungs- und Beweislast bei der betriebsbedingten Kündigung. Prozessuale Vorgaben für den Tatsachenvortrag beider Parteien
Leitsatz (redaktionell)
1. Betriebliche Erfordernisse liegen dann vor, wenn Umstände aus dem wirtschaftlichen oder betriebstechnischen Bereich dazu führen, dass die betriebliche Arbeitsmenge so zurückgeht, dass der Beschäftigungsbedarf für einen oder mehrere Arbeitnehmer entfällt. Es muss also zumindest ein Arbeitsplatz wegfallen, wobei dies nicht in der Weise zu verstehen ist, dass es sich dabei gerade um den konkret fixierten Arbeitsplatz des gekündigten Arbeitnehmers handeln muss.
2. Ist der Rückgang der Beschäftigungsmöglichkeit unmittelbar auf einen organisatorischen Entschluss des Arbeitgebers zurückzuführen, so muss der Arbeitgeber substantiiert den Inhalt seines Entschlusses, dessen praktische Umsetzung und dessen zahlenmäßige Auswirkung auf die Beschäftigungsmöglichkeit darlegen. Der Arbeitnehmer wiederum hat darzulegen und zu beweisen, dass die fragliche innerbetriebliche Maßnahme offenbar unsachlich, gänzlich ungeeignet, unvernünftig oder gar willkürlich ist.
3. Gem. § 138 Abs. 1 ZPO haben die Parteien ihre Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit entsprechend abzugeben. Jede Partei hat sich dabei über die vom Gegner behaupteten Tatsachen zu erklären. Im Interesse der Wahrung von Art. 103 Abs. 1 GG darf das Gericht aber keine überspannten Anforderungen an die Darlegung stellen.
Normenkette
BGB § 242; KSchG § 1; GG Art. 103 Abs. 1; ZPO § 138
Verfahrensgang
ArbG Ludwigshafen (Entscheidung vom 25.02.2021; Aktenzeichen 5 Ca 477/20) |
Tenor
- Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen - Auswärtige Kammern Landau - vom 25.02.2021, Az. 5 Ca 477/20, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
- Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits streiten darüber, ob das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis aufgrund einer ordentlichen betriebsbedingten Arbeitgeberkündigung sein Ende gefunden hat, oder aber nicht.
Der Kläger ist bei der Beklagten seit dem 01.07.2019 als Einrichter im Bereich Einrichtungsservice in der Region West beschäftigt. Er ist 52 Jahre alt und verheiratet. Er ist gegenüber einem Kind unterhaltsverpflichtet.
Dem Arbeitsverhältnis der Parteien liegt der schriftliche Arbeitsvertrag vom 18.06.2019 zu Grunde, hinsichtlich dessen weiteren Inhalts auf Bl. 4 ff. d.A. Bezug genommen wird. Der Kläger hat zuletzt ein monatliches Bruttoentgelt in Höhe von 3.338,00 EUR erzielt.
Die Beklagte produziert und vertreibt nationale und internationale Markenartikel aus den Bereichen Autozubehör, Autopflege, Fahrrad und Fahrradzubehör, Elektroinstallationsmaterial und Arbeitsbekleidung. Hinsichtlich der Funktionsbeschreibung Einrichter am POS wird auf Bl. 9 d.A. Bezug genommen.
Die Beklagte hat den bei ihr bestehenden Betriebsrat mit Anschreiben vom 27.03.2020 zu der beabsichtigten Kündigung des Klägers angehört. Hinsichtlich des Inhalts des Anhörungsschreibens wird auf Bl. 41, 42 d.A. Bezug genommen. Der Betriebsrat hat der beabsichtigten betriebsbedingten Kündigung des Arbeitsverhältnisses der Beklagten mit dem Kläger mit Schreiben vom 03.04.2020 widersprochen. Zur Begründung hat der Betriebsrat in seiner Stellungnahme ausgeführt:
"Die soziale Auswahl wurde weder ausreichend berücksichtigt, noch gibt es einen berechtigten Grund dafür. Der Agenturanteil wurde um 73% reduziert, das heißt hier besteht die Möglichkeit um weitere 27% zu Reduzieren. Die Sicherung der Arbeitsplätze steht über der Fremdvergabe von Aufträgen. Wenn uns Herr N. in wenigen Wochen aus Altersgründen verlässt, wir ja auch noch ein Stelle abgebaut. Die betriebsbedingte Kündigung ist nicht gerechtfertigt.
Hinsichtlich des weiteren Inhalts der Stellungnahme des Betriebsrats wird auf Bl. 12 d.A. Bezug genommen.
Mit Schreiben vom 06.04.2020 hat die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger daraufhin gleichwohl zum 31.07.2020 ordentlich gekündigt. Gegen diese Kündigung wendet sich der Kläger mit der beim Arbeitsgericht am 23.04.2020 eingegangenen Kündigungsschutzklage.
Der Kläger hat vorgetragen,
bereits die Anhörung des Betriebsrats sei grob fehlerhaft erfolgt. Denn insoweit sei gegenüber dem Betriebsrat angegeben worden, dass der Kläger keine Unterhaltsverpflichtungen habe. Er sei aber einem Kind und seiner Ehefrau zum Unterhalt verpflichtet.
Die Kündigung sei auch im Übrigen rechtswidrig. Ihm sei im Vorfeld telefonisch mitgeteilt worden, dass man ihn Corona bedingt entlassen müsse. Die Beklagte habe damit den Grund der Kündigung vorliegend ausgetauscht. Zudem sei es der Beklagten möglich gewesen, den Kläger in Kurzarbeit zu schicken und eine Entscheidung über endgültige Entlassungen erst im Herbst 2021 zu treffen. Dies sei insoweit ein milderes Mittel gewesen, das vorrangig habe in Anspruch genommen werden müssen. Des We...