Entscheidungsstichwort (Thema)
Berücksichtigung von Zeiten einer Vorstandsmitgliedschaft im Rahmen einer Sozialauswahl. Auflösungsantrag. Sozialauswahl. Vorstandsmitglied
Leitsatz (redaktionell)
1. Im Rahmen der Sozialauswahl sind Zeiten, in denen ein Arbeitnehmer Vorstandsmitglied war, dann nicht zu berücksichtigen, wenn während dieser Zeit kein Arbeitsverhältnis bestanden hat.
2. Die Anwendung von § 14 Abs. 2 KSchG setzt u.a. voraus, dass der Arbeitnehmer zur selbstständigen Einstellung oder Entlassung von Arbeitnehmern berechtigt ist und die Einstellungs- und Entlassungsbefugnis muss einen wesentlichen Teil der Tätigkeit ausmachen.
3. Ein erstinstanzlich tenorierter allgemeiner Weiterbeschäftigungsanspruch erlischt, wenn zeitlich nachfolgend eine nicht offensichtlich unwirksame außerordentliche Kündigung ausgesprochen wird.
Normenkette
KSchG § 1 Abs. 3, §§ 9, 14 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Koblenz (Urteil vom 26.08.2004; Aktenzeichen 10 Ca 1492/03) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird dasUrteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 26.08.2004, AZ: 10 Ca 1492/03, unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen wie folgt teilweise abgeändert:
1) Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 27.03.2003 zum 31.03.2004 aufgelöst worden ist.
2) Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3) Der Auflösungsantrag der Beklagten wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat 40 % und die Beklagte 60 % der erstinstanzlichen Kosten zu tragen. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden zu 33 % dem Kläger und zu 67 % der Beklagten auferlegt.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung.
Der am 25.11.1953 geborene, verheiratete und zwei Kindern zum Unterhalt verpflichtete Kläger war bei der Beklagten, bei der in der Regel weit mehr als zehn Arbeitnehmer ausschließlich der Auszubildenden tätig sind und ihrer Rechtsvorgängerin, der V M eG, seit dem 01.11.1974 als Bankangestellter beschäftigt. Der zeitlich letzte, noch mit der V M eG geschlossene schriftliche Anstellungsvertrag datiert vom 26.11.1992 und beinhaltet u. a. folgende Bestimmungen:
„§ 1 Berufung und Anstellung
(1) Herr A. wurde durch Beschluß von Vorstand und Aufsichtsrat mit Wirkung vom 01.01.1989 Gesamtprokura erteilt, in der Weise, dass er berechtigt ist zur rechtsgeschäftlichen Vertretung der Bank in Gemeinschaft mit einem Vorstandsmitglied oder einem Prokuristen.
Die Bestellung zum Prokuristen erfolgt auf unbestimmte Zeit. Die Prokura ist jederzeit widerruflich. Als Prokurist erfolgt die Zeichnung mit dem Zusatz „ppa”.
§ 2 Allgemeine Pflichten
(1) Herr A. hat den ihm gemäß Vorstandsbeschluss übertragenen Geschäftsbereich Betriebsbereich/Marktfolge Passiv mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns im Rahmen der gesetzlichen und satzungsmäßigen Bestimmungen zu führen.
Herr A. untersteht unmittelbar dem Vorstand, dessen Anweisungen er als verbindlich anerkennt. „
Entsprechend dem Inhalt dieses Vertrages war er fortan als sog. Bereichsleiter mit dem Aufgabengebiet „Betriebsbereich/Marktfolge Passiv” beschäftigt.
Im Jahre 2002 entstand die Beklagte im Wege einer Fusion der V M eG mit der K V eG. In einem von der Beklagten nach dieser Fusion erstellten Organigrammentwurf vom April 2002 wurde der Kläger zunächst als einer von insgesamt neun Bereichsleitern geführt und dem Bereich „Unternehmensservice” zugeordnet. In der Folge entschied sich die Beklagte jedoch für eine Organisationsänderung und für die Zusammenfassung ihrer bis dahin neun in nunmehr acht unmittelbar dem Vorstand nachgeordnete Bereiche. Dabei entstanden aus den drei Bereichen IT, Unternehmensservice und Unternehmensplanung die beiden Betriebsbereiche „Organisation IT und Unternehmenssteuerung”. Diese Umstrukturierung fand ihren Niederschlag in einem zum 20.08.2002 in Kraft getretenen Organigramm, in welchem der Kläger nicht mehr als Bereichsleiter aufgeführt war.
Mit Schreiben vom 15.08.2002 teilte die Beklagte dem Kläger u. a. folgendes mit:
„
…
…
Der für Sie ursprünglich angedachte Bereich entfällt. Wir bieten Ihnen an im Geschäftsbereich IT/Allgemeine Verwaltung als Gruppenleiter das Aufgabenfeld „Allgemeine Verwaltung” (Registratur, Mikromation, Telefonzentrale, allgemeine Verwaltung) mit Inkrafttreten des Organigramms vom 20.08.2002 zu übernehmen.
Da diese Aufgabe eine Erteilung von Gesamtprokura nicht erfordert, hat der Vorstand mit Beschluss vom 15.08.2002 diese aufgehoben und die Löschung im Genossenschaftsregister beantragt.
…
… „
Das in diesem Schreiben enthaltene Angebot der Beklagten nahm der Kläger nicht an; er wurde jedoch nachfolgend von der Beklagten nicht mehr als Bereichsleiter eingesetzt. Mit Wirkung zum 01.10.2002 übertrug die Beklagte die Leitung des Bereichs Unternehmenssteuerung ihrem Mitarbeiter S. Dieser ist am 03.01.1953 geboren, ledig und ohne Unterhaltspflichten. Er war bei der K V eG seit dem 15.08.1969, zunächst als Bankangestellter und als solcher zuletzt als Ber...