Entscheidungsstichwort (Thema)
Auszubildende. Bücherhandwerk. Gesellenprüfung. Sittenwidrigkeit. Stundenlohn. Sittenwidrigkeit eines Stundenlohns im Bücherhandwerk
Leitsatz (redaktionell)
Ein Lohn, der mehr als 1/3 unter dem üblichen Tariflohn liegt, ist als sittenwidriger Lohnwucher anzusehen. Auch wenn der Tariflohn des Entgelttarifvertrags nicht für die Parteien verbindlich ist, gibt er doch eine Orientierungsgröße für den Marktwert der Arbeitsleistung des Arbeitnehmers in der Branche.
Normenkette
BGB § 138
Verfahrensgang
ArbG Kaiserslautern (Urteil vom 15.11.2007; Aktenzeichen 7 Ca 1247/07) |
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 15.11.2007 – 7 Ca 1247/07 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits streiten darüber, ob der Kläger von der Beklagten noch die Nachzahlung von Lohn verlangen kann.
Der Kläger war vom 01.08.2006 bis zum 31.07.2007 nach seiner Ausbildung, die er nicht zu Ende gebracht hat, bei der Beklagten beschäftigt. Nachdem er die Prüfung nicht abgelegt hatte, fragte er bei der Beklagten nach einer Tätigkeit als Hilfskraft nach. Bei dem Gespräch mit dem zuständigen Sachbearbeiter wurde vereinbart, dass der Kläger auf der Basis eines Stundenlohns von 4,50 EUR zuzüglich Nachtstundenzuschläge in Höhe von 25 % arbeiten solle. In der Zeit vom 01.08.2006 bis zum 31.07.2007 arbeitete der Kläger 192 Stunden im Monat. Mit der Lohnabrechnung Juni zog die Beklagte dem Kläger 100,00 EUR netto ab.
Zum Gütetermin vor dem Arbeitsgericht am 18.09.2007 ist die Beklagte nicht erschienen. Daraufhin erging ein klagestattgebendes Versäumnisurteil, das der Beklagten am 24.09.2007 zugestellt worden ist. Mit beim Arbeitsgericht am 26.09.2007 eingegangenem Schriftsatz hat Beklagte dagegen „Widerspruch” eingelegt.
Der Kläger hat vorgetragen,
aufgrund einer Auskunft des Arbeitsamtes betrage der Mindestlohn 6,00 EUR brutto. Jedenfalls sei ein Bruttolohn von unter 5,69 EUR sittenwidrig. Die Beklagte müsse daher den Differenzbetrag zwischen der tatsächlich gezahlten Vergütung auf der Basis eines Stundenlohn von 4,50 EUR zu dem unterstmöglichen Lohn, der nicht sittenwidrig sei, das heißt 5,69 EUR, nachzahlen.
Der Kläger hat beantragt,
den Einspruch gegen das Versäumnisurteil insoweit zurückzuweisen, als er sich gegen das Urteil richtet in Höhe von 2.741,76 EUR brutto und 100,00 EUR netto.
Die Beklagte hat beantragt,
das Versäumnisurteil aufzuheben und die Klage insgesamt abzuweisen.
Die Beklagte hat vorgetragen,
der Kläger müsse sich an der getroffenen Vereinbarung bezüglich eines Stundenlohns von 4,50 EUR festhalten lassen. Die 100,00 EUR seien deswegen abgezogen worden, weil der Kläger in den Monaten März und April verschiedentlich schlechte Leistungen erbracht habe. So habe er z. B. Kuchen für ein Altersheim zu falschen Kunden geliefert und auch kein Nougat in eine Hörnchenbestellung eingefüllt. Der Gesamtschaden sei dabei weit höher als 100,00 EUR netto gewesen.
Das Arbeitsgericht Kaiserlautern hat daraufhin durch Urteil vom 15.11.2007 das Versäumnisurteil vom 18.09.2007 mit der Maßgabe aufrechterhalten, dass die Beklagte verurteilt wird, an den Kläger 2.741,76 EUR brutto sowie 100,00 EUR netto zu zahlen. Im Übrigen hat es das Versäumnisurteil aufgehoben. Hinsichtlich des Inhalts von Tatbestand und Entscheidungsgründen wird auf Blatt 39 bis 45 der Akte Bezug genommen.
Gegen das ihr am 13.12.2007 zugestellte Urteil hat die Beklagte durch am 07.01.2008 beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt. Sie hat die Berufung durch am 10.03.2008 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz begründet.
Die Beklagte wiederholte ihr erstinstanzliches Vorbringen und hebt insbesondere hervor, die Voraussetzungen des § 138 BGB seien vorliegend nicht gegeben. Zwar sei Ausgangspunkt zur Feststellung des Wertes der Arbeitsleistung in der Regel der Tariflohn des jeweiligen Wirtschaftszweiges. Das gelte aber nur dann, wenn in dem Wirtschaftsgebiet üblicherweise der Tariflohn gezahlt werde. Das sei im Wirtschaftsraum, in dem sich die Beklagte befinde, aber nicht der Fall. Zur weiteren Darstellung der Auffassung der Beklagten wird auf die Berufungsbegründungsschrift vom 07.03.2008 (Bl. 61-63 d. A.) Bezug genommen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern – 7 Ca 1247/07 – vom 15. November 2007 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung seines erstinstanzlichen Vorbringens und hebt insbesondere hervor, es könne keine Rede davon sein, dass im fraglichen Wirtschaftsraum lediglich Entgelte bis allenfalls 7,50 EUR brutto inklusive Zuschläge gezahlt würden und dass selbst Bäckergesellen bei vollschichtiger Beschäftigung einschließlich Zulagen allenfalls 8,50 EUR pro Stunde bezahlt würden. Wie sich aus dem statistischen Monatsheft Dezember 2...