Entscheidungsstichwort (Thema)
Tarifnorm, Auslegung. Tätigkeit, höherwertige. Übertragung, zeitweilige. Zeitdauer. vorübergehende Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit
Leitsatz (redaktionell)
Eine zeitliche Grenze für die vorübergehende Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit ist gem. § 14 TVöD nicht vorgesehen. Sie muss aber entsprechend § 106 Gewerbeordnung billigem Ermessen entsprechen. Das billige Ermessen bei der Ausübung des Direktionsrechts muss sich dann auf die Tätigkeitsübertragung „an sich” und die „nicht Dauerhaftigkeit” der Übertragung beziehen. Es ist also eine doppelte Billigkeitsprüfung vorzunehmen. Wird demselben Angestellten dieselbe oder eine gleichermaßen höherwertige Tätigkeit mehrmals nacheinander vorübergehend oder vertretungsweise übertragen, so unterliegt jeder dieser Übertragungsakte der gerichtlichen Billigkeitskontrolle entsprechend § 106 Gewerbeordnung.
Normenkette
TVöD § 14
Verfahrensgang
ArbG Koblenz (Urteil vom 09.07.2009; Aktenzeichen 7 Ca 301/09) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten werden die Urteile des Arbeitsgerichts Koblenz – Auswärtige Kammern Neuwied – vom 09.07.2009 – 7 Ca 243/09 und 7 Ca 301/09 – aufgehoben.
Die Klagen werden insgesamt abgewiesen.
Die Kläger haben die Kosten beider Rechtszüge je zur Hälfte zu tragen.
Die Revision wird – für die Kläger des jeweiligen Verfahrens – zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits streiten über die tarifgerechte Eingruppierung und Vergütung der Kläger.
Der Kläger zu 1. ist bei der Beklagten seit dem 01.04.1987 als Angestellter der Kläger zu 2. seit dem 01.05.1982, beide zuletzt seit dem 01.10.2002 im Logistikzentrum der Bundeswehr in D-Stadt beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien fand bis 30.09.2005 kraft arbeitsvertraglicher Vereinbarung der BAT in seiner jeweils gültigen Fassung Anwendung. Die Kläger erhielten ab dem 01.10.1998 eine Vergütung nach der Vergütungsgruppe VI b der Anlage 1 a zum BAT. Am 01.10.2005 ist der TVöD in Kraft getreten; zugleich trat der Tarifvertrag zur Überleitung der Beschäftigten des Bundes in den TVöD und zur Regelung des Übergangsrechts (TVÜ-Bund) vom 01.06.2005 in Kraft. Der TVöD ist seither auf die Arbeitsverhältnisse zwischen den Parteien kraft einzelarbeitsvertraglicher Vereinbarung anwendbar.
Mit Schreiben vom 20.08.2004 übertrug die Beklagte dem Kläger zu 1. ab dem 01.08.2004 bis zum 30.09.2005 eine höherwertige Tätigkeit auf dem Dienstposten eines Bürosachbearbeiters B bzw. Disponenten B, TE/Z 234/602 bzw. TE/Z 321/602, die nach der Vergütungsgruppe V c der Anlage 1 a zu BAT bewertet ist (vgl. Bl. 26 d. A.). In der Folgezeit hat die Beklagte die Übertragung der höherwertigen Tätigkeit auf den Kläger mit Schreiben vom 06.10.2005 bis zum 31.12.2005, vom 06.01.2006 bis zum 31.03.2006, vom 13.04.2006 bis zum 30.04.2006, vom 13.07.2006 bis zum 31.12.2007 und zuletzt mit weiterem Schreiben vom 01.04.2008 mit Wirkung vom 01.01.2008 bis zum 30.06.2010 verlängert (vgl. Bl. 27 ff. d. A.). Beim Kläger zu 2. erfolgte derselbe Vorgang beginnend mit Schreiben vom 14.01.2003 ab dem 01.10.2002.
Die Kläger haben zuletzt ab dem 01.10.2005 eine Vergütung nach der Entgeltgruppe E 6 TVöD (West) sowie eine Zulage für die ihnen übertragene höherwertige Tätigkeit nach § 14 TVöD erhalten.
Mit Schreiben vom 19.02.2008 (Kläger zu 1.) und Schreiben seines Prozessbevollmächtigten (09.12.2008) bzw. 18.12.2007 und 09.12.2008 (Kläger zu 2.) begehrten die Kläger im Hinblick auf die von ihnen seit 01.08.2004 ununterbrochen ausgeübte Tätigkeit auf dem ihm übertragenen höherwertigen Dienstposten eine Vergütung nach der Entgeltgruppe 9 TVöD (s. Bl. 8 ff. d. A.). Die Beklagte hat das abgelehnt; Streitgegenstand der Klage ist deshalb nunmehr die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten an den Kläger zu 1. seit dem 01.08.2007 und seit dem 01.06.2007 an den Kläger zu 2. eine Vergütung nach der Entgeltgruppe 9 Stufe 4 TVöD nebst Verzugszinsen zu zahlen.
Die Kläger haben vorgetragen,
der geltend gemachte Anspruch sei begründet. Denn seit langem verrichteten sie – unstreitig – ununterbrochen die ihnen übertragenen höherwertigen Tätigkeiten, ohne dass die Beklagte eine Höhergruppierung vorgenommen habe. Die jahrelange Übertragung dieser Tätigkeit, zuletzt bis in das Jahr 2010, ohne die Gewährung einer entsprechenden Höhergruppierung widerspreche billigem Ermessen. Die Vorgehensweise der Beklagten beeinträchtige dauerhaft ihre Interessen, insbesondere im Hinblick auf entsprechende Versorgungsanwartschaften.
Die Beklagte könne sich zur Rechtfertigung ihres Verhaltens nicht darauf berufen, dass sie seit dem 01.10.2002 beabsichtige und plane, das Logistikzentrum der Bundeswehr nach W-Stadt zu verlagern und somit eine Strukturunsicherheit am Standort in D-Stadt bestehe. In W-Stadt seien bis heute weder die organisatorischen noch die personellen Voraussetzungen für eine Aufgabenverlagerung des Logistikzentrums gegeben. Die beabsichtigte Ve...