Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückzahlung vorfinanzierter Ausbildungskosten bei Arbeitgeberdarlehen zum Erwerb von Musterberechtigungen für Flugzeugtypen. Unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers durch sofortige Rückzahlungspflicht bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses "gleich aus welchem Grunde"
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine Rückzahlungsklausel beinhaltet nur dann eine ausgewogene Gesamtregelung, wenn es der Arbeitnehmer selbst in der Hand hat, durch eigene Betriebstreue der Rückzahlungsverpflichtung zu entgehen; Verluste aufgrund von Investitionen, die nachträglich wertlos werden, hat grundsätzlich die Arbeitgeberin zu tragen.
2. Hat der Arbeitnehmer die in seine Aus- und Weiterbildung investierten Betriebsausgaben auch dann zu erstatten, wenn die Gründe für die vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausschließlich dem Verantwortungs- und Risikobereich der Arbeitgeberin zuzurechnen sind, wird er mit den Kosten einer fehlgeschlagenen Investition der Arbeitgeberin belastet; sieht eine Vertragsklausel auch für einen solchen Fall eine Rückzahlungspflicht vor, berücksichtigt sie entgegen § 307 Abs. 1 BGB nicht die wechselseitigen Interessen beider Vertragspartner sondern nur diejenigen der Arbeitgeberin, so dass dadurch der Arbeitnehmer unangemessen benachteiligt wird.
3. Ist der Arbeitnehmer nach dem eindeutigen Wortlaut der Darlehensklauseln bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses "gleich aus welchem Grunde" verpflichtet, den Darlehensrestbetrag nebst Zinsen sofort zurückzuzahlen, ergibt sich daraus die Unwirksamkeit der Klauseln, da sie ausdrücklich nicht nach dem Grund der Beendigung des Arbeitsverhältnisses unterscheidet und es damit keinem Zweifel unterliegt, dass diese Regelung dazu geeignet ist, den Arbeitnehmer im Falle einer Vertragsbeendigung (egal durch welche Seite) finanziell erheblich zu belasten.
4. Eine Klausel, die bei jeder Vertragsbeendigung eine sofortige Gesamtfälligkeit des Darlehensrestbetrags vorsieht, behindert den Arbeitnehmer zum einen aufgrund einer faktischen Kündigungserschwerung in unzulässiger Weise in seiner durch Art. 12 Abs. 1 GG garantierten Berufsfreiheit; zum anderen würde der Arbeitnehmer im Falle einer betriebsbedingten Kündigung durch die Arbeitgeberin aufgrund der Gesamtfälligkeit des Darlehensrestbetrags nicht nur seinen Arbeitsplatz verlieren sondern darüber hinaus mit erheblichen Rückzahlungsforderungen belastet, obwohl die Kündigung nicht in seinen Verantwortungsbereich fällt.
5. Hat sich die Arbeitgeberin in den Darlehensverträgen lediglich verpflichtet, das Arbeitsverhältnis längstens für einen Zeitraum von drei Monaten seit Beginn der Fortbildungsmaßnahme nicht zu kündigen, ist das keine ausreichende Gegenleistung für die Verpflichtung des Arbeitnehmers, selbst im Falle einer betriebsbedingten Kündigung den Darlehensrestbetrag sofort zurückzuzahlen.
Normenkette
GG Art. 12 Abs. 1; BGB § 307 Abs. 1 S. 1, § 488 Abs. 1 S. 2, § 611 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Kaiserslautern (Entscheidung vom 19.09.2013; Aktenzeichen 6 Ca 557/12) |
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern - Auswärtige Kammern Pirmasens - vom 31. Januar 2013, Az. 6 Ca 557/12, abgeändert und die Klage abgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin verlangt vom Beklagten die Rückzahlung von zwei Arbeitgeberdarlehen, die sie ihm zum Erwerb von Musterberechtigungen für zwei Flugzeugtypen gewährt hat.
Die Klägerin ist ein Luftfahrtunternehmen mit derzeit 15 Arbeitnehmern. Ihre Flotte bestand bei der Einstellung des Beklagten aus drei Propellerflugzeugen des Typs "Dornier 228". Im Frühjahr 2011, im Juli 2011 und nach dem Ausscheiden des Beklagten nahm sie noch drei Jetflugzeuge des Typs "Embraer Phenom 100" in Betrieb.
Der Beklagte schloss mit der Klägerin am 26.07.2010 einen Arbeitsvertrag ua. als Copilot (First Officer, Abk. F/O). Im Vertrag heißt es - auszugsweise - wie folgt:
"Anstellungsvertrag für Besatzungsmitglieder und Bodenpersonal
§ 1 - Tätigkeit/ Bereich
Der Arbeitnehmer wird ab 01.10.2010 jeweils mit der Hälfte seiner Arbeitszeit als F/O auf dem Flugzeugmuster DO 228 und als Angestellter im Bereich Operations und Verwaltung eingestellt. Stationierungsort und Büro sind zurzeit der Flughafen C.
...
§ 3 - Gehalt und Sozialleistungen
Das monatliche nachträglich und bargeldlos zu zahlende Bruttogehalt beträgt
ab 01.10.2010 EUR 2.250,0
0ab 01.04.2011 EUR 2.500,00
..."
Das am 01.10.2010 begonnene Arbeitsverhältnis endete durch Kündigung des Beklagten vom 29.04. zum 31.05.2012. Er wechselte zum 01.06.2012 zu einem Luftfahrtunternehmen nach Österreich und flog dort den Flugzeugtyp "Embraer Phenom 100".
Der Beklagte verfügte bei Abschluss des Arbeitsvertrags über eine Verkehrsflugzeugführerlizenz (ATPL), nicht jedoch über die erforderliche Musterberechtigung (Type-Rating) für den Flugzeugtyp "Dornier 228". Da es seine finanzielle Situation nicht zuließ, die Kosten für das Type-Ratin...