Entscheidungsstichwort (Thema)
Gratifikation. Freiwilligkeitsvorbehalt. Widerruf. Widerruf durch Aushang am schwarzen Brett
Leitsatz (amtlich)
1. Wird durch eine Betriebsvereinbarung die Zahlung eines 13. Monatsgehaltes als freiwillige Leistung und unter dem Vorbehalt jederzeitigen Widerrufs zugesagt, begründet dies einen einzelvertraglichen Anspruch der Arbeitnehmer, der belastet ist mit dem vereinbarten Freiwilligkeitsvorbehalt. Der Freiwilligkeits-, bzw. Widerrufsvorbehalt beseitigt nicht den anspruchsbegründenden Charakter der Gratifikationszusage i.S.d. § 194, I BGB, sondern schränkt lediglich die Durchsetzbarkeit des Anspruchs ein; insoweit gilt Entsprechendes nie für sonstige einrede- oder einwandbehaftete Ansprüche, die gegen den Willen des Schuldners nicht durchgesetzt werden können.
2. Die Ausübung des Widerrufsrechts zielt damit auf die Beseitigung eines Anspruchs und damit auf eine Rechtsfolge; sie stellt deshalb eine empfangsbedürftige Willenserklärung im Sinne der §§ 116 ff BGB dar. Diese Willenserklärung wird nur wirksam, wenn sie dem Empfänger in der durch §§ 130 ff BGB vorgesehenen Form zugeht. Dies ist nicht der Fall, wenn der Arbeitgeber das Widerrufsschreiben an dem für betriebliche Bekanntmachungen bestimmten „schwarzen Brett” aushängt. Das schwarze Brett gehört nicht zu den von den Arbeitnehmern zur Entgegennahme von Erklärungen bereit gehaltenen Einrichtungen; es ist deshalb grundsätzlich nicht möglich, durch Aushang am schwarzen Brett einzelvertraglich wirksame Willenserklärungen abzugeben.
Dies folgt schon daraus, dass diese Art der Bekanntgabe von Willenserklärungen nicht gewährleisten kann, dass alle betroffenen Arbeitnehmer Kenntnis erlangen.
Normenkette
BGB § 611
Verfahrensgang
ArbG Koblenz (Urteil vom 20.05.1999; Aktenzeichen 9 Ca 3151/98) |
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 20.05.1999 wird kostenfällig zurückgewiesen.
2. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten im Berufungsverfahren noch um den von der Klägerin erhobenen Anspruch auf Zahlung eines Weihnachtsgeldes für das Jahr 1998 in Höhe von 2.132,33 DM.
Die Klägerin ist bei der Beklagten, die eine Fachklinik für Suchtkranke betreibt, als Diplomsozialarbeiterin gegen ein Monatsgehalt von zuletzt 4.264,67 DM beschäftigt. Die Beklagte ist Rechtsnachfolgerin der Diakonie in D. Evangelischer Gemeindedienst im Kirchenkreisverband e.V., D. mit der die Klägerin einen schriftlichen Arbeitsvertrag geschlossen hatte, der u.a. auf das kirchliche Arbeitsvertragsrecht für Angestellte in der jeweils im Bereich der evangelischen Kirche im Rheinland geltenden Fassung (BAT/KF) Bezug nahm.
Am 01.10.1996 fand der Betriebsübergang der Fachklinik nach § 613 a BGB von der Diakonie in D. auf die R. Gruppe statt. In diesem Zusammenhang wurde zwischen den Gesellschaften der R. Gruppe und den jeweiligen örtlichen Betriebsräten eine Betriebsvereinbarung vom 11.12.1996 abgeschlossen, die bezüglich des streitigen Weihnachtsgeldes folgende Regelungen enthält:
„§ 10
13. Monatsgehalt
Besteht das Arbeitsverhältnis seit mindestens dem 01. Oktober des Jahres und ist es am 30. November ungekündigt, so erhält der/die Arbeitnehmer/in mit dem Novembergehalt ein 13. Monatsgehalt.
§ 11
Sondervergütung
Soweit dem Arbeitnehmer eine Sondervergütung gezahlt wird, erfolgt diese freiwillig und unter dem Vorbehalt, jederzeitigen Widerrufs auch bei wiederholter Zahlung kann hieraus ein Rechtsanspruch hergeleitet werden”.
Diese Betriebsvereinbarung ist seitens der … Holding AG zum 31.12.1998 gekündigt worden.
Die Klägerin vertritt die Auffassung, ihr stehe für 1998 das in der Betriebsvereinbarung geregelte Weihnachtsgeld zu.
Sie hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin DM 3.940,13 brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich ergebenden Nettobetrag seit dem 03.02.1999
sowie
hilfsweise DM 4.264,67 brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich ergebenden Nettobetrag seit dem 05.03.1999
zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Arbeitsgericht Koblenz hat durch Urteil vom 20.05.1999 für Recht erkannt:
- die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2.132,33 DM brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich hieraus ergebenden Nettobetrag seit dem 05.03.1999 zu zahlen. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
- Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin zu 74/100 und der Beklagten zu 26/100 auferlegt.
- Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 8.204,80 DM festgesetzt.
Zur Begründung hat es, bezogen auf den im Berufungsverfahren noch streitigen Anspruch auf Weihnachtsgeld, im Wesentlichen ausgeführt, dass nach den Regelungen des § 613 a BGB Rechtsgrundlage für diesen Anspruch ausschließlich die Betriebsvereinbarung sein könne. Die dort aufgestellten Voraussetzungen für die Zahlung eines 13. Monatsgehaltes seien im Falle der Klägerin erfüllt. Es könne letztlich dahin stehen, ob das 13. Monatsgehalt als Sondervergütung im Sinne des § 11 der Betriebsvereinbarung anzusehen sei; soweit in § 11 der Betriebsvereinbarung die Zahlu...