Entscheidungsstichwort (Thema)

Willenserklärung im Zivilrecht. Gesamtzusage als Anspruchsgrundlage im Arbeitsrecht. Verschlechternde Arbeitsbedingungen durch Ablösung einer Gesamtzusage durch Betriebsvereinbarung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Eine Willenserklärung ist eine Äußerung (mündlich, schriftlich, konkludent), die auf die Herbeiführung eines rechtsgeschäftlichen Erfolgs gerichtet ist. Ob eine Äußerung oder ein Verhalten als Willenserklärung zu verstehen ist, ist durch Auslegung zu ermitteln. Dabei sind die bestehenden Interessenlagen und der mit dem Rechtsgeschäft verfolgte Zweck zu berücksichtigen.

2. Eine Gesamtzusage ist die an alle Arbeitnehmer des Betriebs oder einen nach abstrakten Merkmalen bestimmten Teil von ihnen in allgemeiner Form gerichtete ausdrückliche Willenserklärung des Arbeitgebers, bestimmte Leistungen erbringen zu wollen. Eine ausdrückliche Annahme des in der Erklärung enthaltenen Antrags i. S. v. § 145 BGB wird dabei nicht erwartet, und es bedarf ihrer auch nicht.

3. Verwendet der Arbeitgeber Allgemeine Geschäftsbedingungen zur Handhabung einheitlicher Arbeitsbedingungen im Betrieb, kann aus Sicht eines verständigen und redlichen Arbeitnehmers nicht zweifelhaft sein, dass es sich bei den vom Arbeitgeber gestellten Arbeitsbedingungen um solche handelt, die einer - möglicherweise auch verschlechternden - Änderung durch Betriebsvereinbarung zugänglich sind. Dem Arbeitgeber ist es dadurch möglich, eine Gesamtzusage durch eine kollektive Regelung wie z.B. eine Betriebsvereinbarung abzulösen.

 

Normenkette

BGB §§ 151, § 305 ff., §§ 133, 145, 157

 

Verfahrensgang

ArbG Koblenz (Entscheidung vom 23.02.2021; Aktenzeichen 11 Ca 3968/19)

 

Tenor

  1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 23.02.2021.2021, Az. 11 Ca 3968/21, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
  2. Die Revision wird nicht zugelassen.
 

Tatbestand

Die Parteien streiten um Sonderzahlungsansprüche des Klägers in Form von Gewinn- bzw. Erfolgsbeteiligungen für die Jahre 2015 bis 2017.

Der 1955 geborene Kläger ist seit Juni 1979 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin, zuletzt als Mitarbeiter der Abteilung Qualitätssicherung- in den vorausgegangenen Jahren auch als Leiter dieser Abteilung- beschäftigt. Der Kläger ist Betriebsratsmitglied und war von 2010 bis 2014 hierzu von seiner beruflichen Tätigkeit freigestellt.

Am 01.04.1993 vereinbarten die Parteien folgende

Ergänzung zum Anstellungsvertrag

von Herrn A.

Die Gewinnbeteiligung laut Anstellungsvertrag wird ersetzt durch folgende Erfolgsbeteiligung:

1) Definition des Erfolgsfaktors:

a) Umsatz = Gesamtumsatz aller europäischen w. Gesellschaften

x Kapitaleinsatz = Kapitaleinsatz der C., Deutschland

(= Bilanzumsatz) = Kapitalfaktor (...)

b) Erfolgsfaktor = Kapitalfaktor x Gewinnfaktor

2) Der Erfolgsanteil richtet sich nach der Höhe des Erfolgsfaktors (...)

3) Der Erfolgsfaktor wird monatlich errechnet.

Quartalsweise wird 50% der anteiligen Erfolgsbeteiligung ausgezahlt.

Am Ende des Geschäftsjahres, nach Erstellung der Bilanz, wird die Endabrechnung erstellt und ausgeschüttet. Besteht eine Rückforderung von Seiten w. so wird sie mit der zukünftigen Erfolgsbeteiligung verrechnet.

4) Dieser variable Gehaltsanteil ist eine Leistung, auf die ein Rechtsanspruch weder dem Grunde noch der Höhe nach besteht. W. verpflichtet sich, jährlich die reale Möglichkeit zu bieten, sich den variablen Anteil zu erarbeiten.

E-Stadt, den 01.04.1993

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W. GmbH

Bei der Beklagten gab es in den 90er Jahren regelmäßig Aushänge zur Bekanntgabe der Gewinnbeteiligungen.

So heißt es etwa in einem Aushang vom 21.12.1998:

"An alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter: Wir möchten die Gewinnbeteiligung des 4. Quartals 1998 im Dezember abrechnen. Die Hochrechnung für 1998 ergibt einen Erfolgsfaktor von 11,35. Damit erhält eine Vollzeitkraft DM 435,- als Gewinnbeteiligung für dieses Quartal. (...) Damit betrug der volle Gewinnanteil dieses Jahr DM 1.070,-. Unser Ziel ist es, den Gewinn und damit auch den Gewinnanteil weiterhin zu erhöhen. Dazu brauchen wir die Arbeit und Leistung aller Mitarbeiter"

Am 05.01.1999 richtete die Beklagte ein Schreiben an alle Bereichsleiter und Abteilungsleiter ("BL/AL"), unter anderem auch an den Kläger. Hierin heißt es:

Zum 01.01.1999 haben wir die Berechnung des Erfolgsfaktors geändert. In Zukunft wird der Erfolgsfaktor ohne die Abschreibung errechnet. Die Formel bleibt unverändert. (...) Der Gewinn ist jetzt stärker gewichtet. (...) In 3 Jahren, wenn wir uns die Bewertung des Erfolgsfaktors neu ansehen, wird sich das ändern.

Der Kläger hat dieses Schreiben gegengezeichnet.

In den Folgejahren zahlte die Beklagte - jedenfalls teilweise- Erfolgs- bzw. Gewinnbeteiligungen aus. Mittel eines die Überschrift "Erfolgsbeteiligung 1. Quartal 2001" tragenden Aushangs teilte sie im Mai 2001 mit, die Gewinnbeteiligung betrage für eine Vollzeitkraft DM 320,-. Im Februar 2002 teilte sie mit, die Erfolgsbeteiligung betrage f...

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