Entscheidungsstichwort (Thema)

Klagefrist. Klagerücknahme. Kündigungsschutzklage. Versäumung der Klagefrist. Gewährung rechtlichen Gehörs bei Beweisnot des Arbeitnehmers im Kündigungsschutzprozess. Wirksame Kündigung bei Rücknahme der Kündigungsschutzklage

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Aus dem verfassungsrechtlich gewährleisteten Rechtsstaatsprinzip folgt in Form des Anspruchs auf rechtliches Gehör unter anderem, dass in Fallgestaltungen, in denen eine Partei (Arbeitgeberin) auf ihr nahestehende Zeugen zurückgreifen kann, während die andere Seite (Arbeitnehmer) an einem Gespräch lediglich allein beteiligt war, die sich in Beweisnot befindliche Partei entweder im Wege der Parteivernehmung nach § 448 ZPO, soweit dessen Voraussetzungen vorliegen, oder im Wege der Parteianhörung nach § 141 ZPO persönlich zu hören ist.

2. Eine Klagerücknahme ohne Einwilligung der Beklagten ist nicht nur im Gütetermin sondern noch in der Verhandlung vor der Kammer möglich, so lange der Abweisungsantrag auf Sachabweisung durch die beklagte Partei noch nicht gestellt ist.

3. Infolge der Klagerücknahme ist der Rechtsstreit hinsichtlich des zurückgenommenen Teils als nicht anhängig geworden anzusehen ist (§ 269 Abs. 3 S. 1 ZPO); ist im Zeitpunkt der Rücknahme die Drei-Wochenfrist des § 4 KSchG abgelaufen, wird die Kündigung nach § 7 KSchG wirksam.

 

Normenkette

ArbGG § 54 Abs. 2; KSchG §§ 4, 13, 7; ZPO § 269 Abs. 3, §§ 447, 269 Abs. 3 S. 1, §§ 141, 448, 529 Abs. 1 Nr. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Kaiserslautern (Entscheidung vom 08.06.2011; Aktenzeichen 1 Ca 505/11)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 08.06.2011, Az.: 1 Ca 505/11, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der 51-jährige, verheiratete und drei Kindern gegenüber zum Unterhalt verpflichtete Kläger war seit dem 05.06.1997 bei der Beklagten als Kurierfahrer beschäftigt.

Am 07.03.2011 kam es zwischen dem Kläger, dem Niederlassungsleiter der Beklagten K., dem Zeugen W. sowie der Personalleiterin der Beklagten, der Zeugin H. zu einem Gespräch, dessen Inhalt zwischen den Parteien streitig ist. Insbesondere ist streitig, ob dem Kläger anlässlich dieses Gesprächs eine schriftliche, außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses übergeben wurde.

Mit einem am 18.03.2011 beim Arbeitsgericht Kaiserslautern eingegangenen Schriftsatz erhob der Kläger eine Klage mit dem Antrag, die Beklagte zu verurteilen, ihn über den 07.03.2011 zu unveränderten Arbeitsbedingungen zu beschäftigen. Nachdem die Beklagte unter dem 30.03.2011 (Bl. 14 d. A.) vorsorglich das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 30.09.2011 kündigte und in diesem Kündigungsschreiben darauf verwies, dass das Arbeitsverhältnis bereits am 07.03.2011 außerordentlich gekündigt worden sei, erweiterte der Kläger mit Schriftsatz vom 01.04.2011, beim Arbeitsgericht eingegangen am 04.04.2011, seine Klage und beantragte festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die mit Schreiben der Beklagten vom 30.03.2011 ausgesprochene ordentliche Kündigung zum 30.09.2011 beendet wird, noch durch eine dem Kläger am 07.03.2011 etwaig ausgesprochene mündliche, außerordentliche Kündigung beendet wurde sowie die Feststellung, dass auch keine sonstigen Beendigungstatbestände vorliegen, sondern das Arbeitsverhältnis zu unveränderten Bedingungen über den 30.09.2011 hinaus fortbestehe.

Der Kläger hat geltend gemacht, er sei am 07.03.2011 von der Personalleiterin von der Arbeitsleistung freigestellt worden. Ein Kündigungsschreiben habe er jedoch nicht erhalten. Die Kündigung gemäß Schreiben vom 30.03.2011 sei sozial ungerechtfertigt und mangels ordnungsgemäßer Anhörung des Betriebsrats unwirksam.

Die Beklagte hat behauptet, dem Kläger sei im Rahmen des persönlichen Gesprächs vom 07.03.2011 das eine außerordentliche Kündigung beinhaltende Schreiben gem. Bl. 22, 23 d. A. nebst einer englischen Übersetzung übergeben worden.

Im Kammertermin vor dem Arbeitsgericht vom 08.06.2011 hat der Kläger beantragt, festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die mit Schreiben der Beklagten vom 30.03.2011 ausgesprochene ordentliche Kündigung nicht zum 30.09.2011 beendet wird. Hinsichtlich der weiteren Klageanträge hat er erklärt, die Klage zurückzunehmen.

Das Arbeitsgericht hat zu der Frage, ob dem Kläger am 07.03.2011 ein Kündigungsschreiben übergeben wurde, Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen W. und H.. Wegen des Ergebnisses der erstinstanzlichen Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 08.06.2011 (Bl. 53 ff. d. A.) Bezug genommen.

Mit Urteil vom 08.06.2011 hat das Arbeitsgericht die Klage sodann abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Das Arbeitsverhältnis sei zum Zeitpunkt des Zugangs der ordentlichen Kündigung vom 30.03.2011 bereits durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 07.03.2011 beendet worden. Diese Kündigung gelte gem. § 7 KSchG als wirksam, da der Kläger sie nicht gem. § 4 KSchG binnen drei Wochen angefochten ha...

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