Entscheidungsstichwort (Thema)

Unbegründeter Eilantrag auf Beschäftigung am früheren Arbeitsort bei Selbstwiderlegung der Dringlichkeit durch eigenes Prozessverhalten

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Eine zunächst bestehende Eilbedürftigkeit der gerichtlichen Entscheidung kann durch prozessuales Verhalten der antragstellenden Partei entfallen ("Selbstwiderlegung der Dringlichkeit"); maßgeblich sind die Umstände des Einzelfalls.

2. Eine fehlende Dringlichkeit des Begehrens wird dadurch angezeigt, dass der Kläger seine Berufung, mit der er den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung weiterverfolgt, erst am letzten Tag der Berufungsfrist einlegt, sich die Berufungsbegründungsfrist um vier Wochen verlängern lässt und die verlängerte Berufungsbegründungsfrist bis zum letzten Tag voll ausschöpft hat.

3. Wird das Hauptsacheverfahren erst über vier Monate nach dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung eingeleitet, verfehlt dieses zeitverzögernde Verhalten die den §§ 935, 940 ZPO zu Grunde liegende gesetzliche Intension; ein Zeitraum von über vier Monaten ist bei weitem zu lang, um das Interesse des Klägers an einer zügigen Rechtsdurchsetzung belegen zu können.

4. Ein arbeitsunfähig erkrankter Arbeitnehmer ist an seiner Arbeitsleistung verhindert und muss weder arbeiten noch an seiner Beschäftigung mitwirken; auch insoweit besteht kein Verfügungsgrund, der Verfügungsbeklagten die beanstandete Versetzung des Verfügungsklägers zu untersagen.

 

Normenkette

ZPO §§ 935, 940; BGB § 611 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Mainz (Entscheidung vom 10.10.2013; Aktenzeichen 6 Ga 9/13)

 

Tenor

Die Berufung des Verfügungsklägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz - Auswärtige Kammern Bad Kreuznach - vom 10. Oktober 2013, Az. 6 Ga 9/13, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten im Wege der einstweiligen Verfügung über eine Versetzung.

Der 1961 geborene Kläger ist seit 1977 bei der Beklagten als Packer zu einem Bruttomonatslohn zwischen € 1.700 und € 1.800 beschäftigt. Ein schriftlicher Arbeitsvertrag besteht nicht. Die Beklagte produziert und vertreibt Kleinlederwaren, ihre Firmenzentrale mit ca. 150 Arbeitnehmern ist in Kirn. Der Kläger wurde seit 1977 ausschließlich in Kirn beschäftigt.

Mit Schreiben vom 19.09.2013 versetzte die Beklagte den Kläger wegen der Verlagerung eines Teils ihrer Logistik mit Wirkung zum 01.10.2013 nach Saarbrücken. Die Versetzung wurde auf den 14.10.2013 verschoben, weil sich die Verlagerung verzögerte. Mit seinem am 26.09.2013 beim Arbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz beantragte der Kläger den Erlass einer einstweiligen Verfügung.

Der Verfügungskläger hat erstinstanzlich beantragt,

festzustellen, dass er bis zu einer rechtskräftigen arbeitsgerichtlichen Entscheidung in der Hauptsache nicht verpflichtet ist, seine Arbeitsleistung in Saarbrücken zu erbringen.

Die Verfügungsbeklagte hat beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Ein Hauptsacheverfahren machte der Kläger, der seit dem 14.10.2013 ununterbrochen arbeitsunfähig krankgeschrieben ist, zunächst nicht anhängig.

Das Arbeitsgericht hat den Antrag mit Urteil vom 10.10.2013 zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Versetzung sei bei summarischer Betrachtung vom Direktionsrecht der Beklagten nach § 106 Satz 1 GewO gedeckt. Der Arbeitsort des Klägers habe sich nicht auf Kirn konkretisiert. Die Beklagte habe ihr Ermessen bei Ausübung des Versetzungsrechts nicht fehlerhaft ausgeübt.

Das genannte Urteil ist dem Kläger am 21.10.2013 zugestellt worden. Sein Prozessbevollmächtigter hat mit am 21.11.2013 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und sich die Berufungsbegründungsfrist mit Schriftsatz vom 20.12.2013 bis zum 17.01.2014 verlängern lassen. Die Berufungsbegründung ging am 17.01.2014 beim Landesarbeitsgericht ein.

Mit Schreiben vom 23.01.2014 versetzte die Beklagte den Kläger mit Wirkung ab 01.02.2014 erneut von Kirn nach Saarbrücken. Um ihm die Anreise zu erleichtern, verkürzte sie seine Arbeitszeit bei vollem Lohnausgleich um eine Stunde täglich. Außerdem sagte sie ihm zu, auf ihre Kosten ein Firmenfahrzeug zur gemeinschaftlichen Nutzung zur Verfügung zu stellen, wenn mindestens fünf Arbeitnehmer der Versetzung nach Saarbrücken und der Fahrgemeinschaft zustimmen sollten. Am 06.02.2014 machte der Kläger vor dem Arbeitsgericht gegen diese Versetzung erstmals ein Hauptsacheverfahren anhängig (Az. 5 Ca 64/14).

Der Kläger ist der Ansicht, das einstweilige Verfügungsverfahren habe sich trotz der zweiten Versetzung nicht erledigt, weil er keine bestimmte Versetzungsanordnung angegriffen habe. Sein Begehren sei darauf gerichtet, bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache nicht verpflichtet zu sein, die Arbeitsleistung in Saarbrücken zu erbringen. Hieran habe sich nichts geändert. Sein Arbeitsort habe sich auf Kirn konkretisiert. Mit öffentlichen Verkehrsmitteln könne er den neuen Arbeitsort nicht vor 8:30 Uhr erreichen, obwohl er ab 5:40 Uhr zweieinhalb Stunden anreisen müsste.

Die Monatsk...

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