Entscheidungsstichwort (Thema)

Änderungskündigung. Kündigung, betriebsbedingte. Vorrang der Änderungskündigung bei betriebsbedingter Beendigungskündigung

 

Leitsatz (redaktionell)

Behauptet der Arbeitgeber den Wegfall einer Beschäftigungsmöglichkeit auf einem bestimmten Arbeitsplatz und ist gleichzeitig unstreitig, dass dieser Arbeitsplatz kommissarisch besetzt ist, ist der Arbeitsplatz gerade nicht weggefallen. Kommissarische Betreuung bedeutet, dass nur eine vorübergehende Übernahme der Tätigkeit durch eine andere Person erfolgt, nicht jedoch ein Entfallen der Tätigkeit an sich.

 

Normenkette

KSchG § 1 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Ludwigshafen (Urteil vom 27.10.2006; Aktenzeichen 9 Ca 719/06)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen am Rhein – Auswärtige Kammern Landau – vom 27. Oktober 2006 – 9 Ca 719/06 – teilweise abgeändert:

  1. wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers mit dem Beklagten zu 1) auch nicht durch die Kündigung vom 30. Mai 2006 zum 31. Juli 2006 geendet hat.
  2. wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers mit der Beklagten zu 2) ungekündigt fortbesteht.
  3. Kosten des Verfahrens werden den Beklagten je zur Hälfte auferlegt.
  4. Revision wird nicht zugelassen.
 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer vom Beklagten als Insolvenzverwalter über das Vermögen der Firma Z. ausgesprochen weiteren betriebsbedingten Kündigung sowie – in der Berufung eingeschränkt – um den ungekündigten Fortbestand des Arbeitsverhältnisses mit der Betriebsübernehmerin.

Der 44 Jahre alte Kläger, der verheiratet und einem Kind gegenüber unterhaltsverpflichtet ist wurde seit 01. Januar 2001 bei der Firma Z. – Insolvenzschuldnerin – als Distriktleiter mit einem monatlichen Bruttogehalt von 7.900,00 EUR beschäftigt.

Am 28. Februar 2006 erfolgte über das Vermögen der vorgenannten Firma die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mit der Bestellung des Beklagten zu 1) zum Insolvenzverwalter.

Der Interessenausgleich vom gleichen Tage enthält u. a. folgende Regelung:

§ 1 Räumlicher/persönlicher Geltungsbereich

Die Regelung dieser Vereinbarung gelten für alle Arbeitnehmer im Sinne des § 5 Abs. 1 BetrVG, die zum Zeitpunkt 24.05.2006 in einem ungekündigten Beschäftigungsverhältnis mit der Firma standen. Ferner für Arbeitnehmer, die gegen die Kündigung des Insolvenzverwalters vom 28.02.2006 Kündigungsschutzklage erhoben haben und dessen Rechtsstreit noch nicht rechtskräftig abgeschlossen ist. Die Regelungen dieser Vereinbarung gelten nicht für leitende Angestellte.

Der Kläger ist in der Namensliste zum Interessenausgleich aufgeführt.

Am 03. März 2006 erhielt der Kläger eine Kündigung des Beklagten zu 1) zum 31. Mai 2006. Das Arbeitsgericht Ludwigshafen am Rhein – Auswärtige Kammer Landau in der Pfalz – gab der Kündigungsschutzklage mit Urteil vom 28. Juli 2006 – 9 Ca 230/06 – statt. Die hiergegen eingelegte Berufung wurde mit Urteil des Landesarbeitsgerichts vom 08. Dezember 2006 – 8 Sa 715/06 – zurückgewiesen. Die Revision wurde nicht zugelassen.

Am 30. Mai 2006 kündigte der Beklagte zu 1) dem Kläger erneut zum 31. Juli 2006.

Zum Übertragungsstichtag 01. Juni 2006 schlossen der Beklagte zu 1) mit der Beklagten zu 2) einen Unternehmenskaufvertrag.

Der Kläger hat erstinstanzlich das Entfallen seines Arbeitsplatzes bestritten und ausgeführt, seine Stelle als Distriktleiter-Süd sei noch vorhanden, da er Herr Y. diese Stelle nach eigenen Angaben in der mündlichen Verhandlung nur kommissarisch leite. Die Stelle des Niederlassungsleiters O-Stadt, sowie S-Stadt und R-Stadt sei frei. Im übrigen fände der Interessenausgleich vom 30. Mai 2006 auf die ihn – den Kläger – keine Anwendung, da er die erste Kündigung unstreitig erst am 04. März 2006 erhalten habe. Schließlich sei die Kündigung gemäß § 613 a Abs. 4 BGB unwirksam, da sie wegen Betriebsübergangs auf die Beklagte zu 2) erfolgt sei. Die Sozialauswahl und Betriebsratanhörung seien fehlerhaft. Eine Massenentlassungsanzeige fehle.

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,

  1. wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis des Kläger mit dem Beklagten zu 1) auch nicht durch die Kündigung vom 30. Mai 2006 zum 31. Juli 2006 geendet hat.
  2. wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers mit der Beklagten zu 2) ungekündigt fortbesteht.
  3. Beklagte zu 2) wird verurteilt, den Kläger zu unveränderten Arbeitsbedingungen bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Kündigungsrechtsstreits als Distriktleiter weiter zu beschäftigen.

Die Beklagten beantragen

Klageabweisung

und erwidern, bei der streitwertgegenständlichen Kündigung handele es sich um eine solche nach dem sogenannten Erwerberkonzept. Der Betriebsrat sei am 26. Mai 2006 und 29. Mai 2006 über die beabsichtigten Kündigungen im Hinblick auf den Interessenausgleich mit Namensliste informiert worden. Diesem hätte die Personalliste mit den persönlichen Daten aller Beschäftigte vorgelegen. Die mit dem Kläger vergleichbaren Mitarbeiter X. und W. sei doppelt so lange beschäftigt wie der Kläger und hätte...

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