Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtliche Einordnung der jährlichen Sonderzuwendung in der Insolvenz des Arbeitgebers
Leitsatz (redaktionell)
1. Soll mit einer weihnachtlichen Sonderzuwendung ein Beitrag des Arbeitgebers zu erhöhten Weihnachtsaufwendungen geleistet und auch die Betriebstreue belohnt werden, so ist der Anspruch auf Zahlung der Sonderzuwendung als Masseverbindlichkeit i.S. von § 55 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO einzuordnen, wenn der Fälligkeitszeitpunkt zeitlich nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens liegt.
2. Eine Klausel, wonach Anspruchsvoraussetzung für die Zahlung des Weihnachtsgeldes der ungekündigte Bestand des Arbeitsverhältnisses am Auszahlungstag ist, hält einer Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB stand.
Normenkette
BGB § 307 Abs. 1 S. 1, § 310 Abs. 4 S. 2; InsO §§ 174, 270 Abs. 1 S. 1, § 55 Abs. 1 Nr. 2, §§ 87, 55 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2
Verfahrensgang
ArbG Ludwigshafen (Entscheidung vom 29.09.2016; Aktenzeichen 8 Ca 280/16) |
Tenor
Tatbestand
Die Parteien streiten um einen Anspruch des Klägers auf Weihnachtsgeld für das Jahr 2015.
Der Kläger trat zum ab 01. Januar 1999 in die Dienste der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin ein. § 4 des das Arbeitsverhältnis zuletzt bestimmenden Arbeitsvertrages vom 01. März 2012 (Bl. 5 ff. d. A., im Folgenden: AV) enthält ua. folgende Regelungen:
"§ 4 Arbeitsvergütung
4.1. Der Arbeitnehmer erhält eine monatliche Bruttovergütung von 2.580,00 Euro pro Monat. Überstunden werden gemäß der jeweils gültigen Betriebsanordnung vergütet.
Es werden ferner zusätzliche Leistungen bezahlt:
- Weihnachtsgeld in Höhe eines Monatsgehaltes vor Weihnachten
- Urlaubsgeld in Höhe eines halben Monatsgehaltes zur Sommerzeit
- Zusätzliche Anwesenheitsprämie in Höhe von je einem Viertel Monatsgehalt im Juni und Dezember. Bei Abwesenheit werden pro Tag 2,5% des Monatsgehaltes abgezogen.
- Jahresbonus gemäß der jeweils gültigen und jährlich zu besprechenden Jahresvereinbarung.
Gratifikationen, Tantiemen, Prämien und/oder sonstige zusätzliche Leistungen vom Arbeitgeber, werden von diesem freiwillig gewährt. Dies gilt auch dann, wenn die Zahlung wiederholt und ohne ausdrückliche Formulierung des Vorbehalts der Freiwilligkeit erfolgt. Etwas anderes gilt bei Zahlungen, die aufgrund dieses Vertrages, einer Betriebsvereinbarung oder eines Tarifvertrages erfolgen.
Insbesondere besteht ein Rechtsanspruch auf eine Weihnachtsgratifikation nicht. Wenn eine solche gewährt wird, so handelt es sich um eine freiwillige Leistung, auf die auch bei mehrfacher Gewährung kein Rechtsanspruch besteht. Voraussetzung für die Gewährung einer Gratifikation ist stets, dass das Arbeitsverhältnis am Auszahlungstag weder beendet noch gekündigt ist. ...
4.2. ...
4.3. Die Zahlung der Vergütung ist am jeweils letzten Kalendertag eines Monats fällig. ..."
Soweit dem Kläger in der Vergangenheit Weihnachtsgeld gezahlt wurde, erfolgte die Zahlung mit der Novemberabrechnung.
Über das Vermögen der Beklagten wurde durch Beschluss des Amtsgerichts Ludwigshafen am Rhein vom 30. September 2015 - 3 e IN 245/15 - wegen Zahlungsunfähigkeit das Insolvenzverfahren eröffnet und zugleich Eigenverwaltung unter Bestellung eines Sachwalters unter Verbleib der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis bei der Beklagten angeordnet.
Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis des Klägers aus betriebsbedingten Gründen mit Schreiben vom 24. November 2015, dem Kläger zugegangen am 27. November 2015, zum 29. Februar 2016.
Der Kläger hat gegen die Beklagte nach erfolgloser außergerichtlicher Geltendmachung beim Arbeitsgericht Ludwigshafen am Rhein am 15. Februar 2016 Klage auf Zahlung einer Weihnachtsgratifikation für das Jahr 2015 erhoben.
Er hat erstinstanzlich im Wesentlichen vorgetragen, der Arbeitsvertrag gewähre ihm einen Anspruch auf die Gratifikation, da der Freiwilligkeitsvorbehalt nach § 307 Abs. 1 Satz 3 BGB intransparent und damit unwirksam sei und dem Weihnachtsgeld reiner Entgeltcharakter, jedenfalls aber Mischcharakter zukomme. Auch wenn in den letzten drei Jahren kein Weihnachtsgeld gezahlt worden sei, gebe es keine negative betriebliche Übung. Er habe entgegen der unsubstantiierten Behauptung der Beklagten auch nicht auf die Zahlung des Weihnachtsgeldes verzichtet, sondern sei bereits im November 2015 wegen des Weihnachtsgeldes an die Beklagte herangetreten, woraufhin man ihm gesagt habe, dass man aus finanziellen Gründen keine Chance sehe, zu zahlen, ohne dass von einem angeblichen früheren Verzicht des Klägers die Rede gewesen sei. Die Weihnachtsgratifikation habe sich in den Jahren vor der "Zahlungseinstellung" für ihn als fester Gehaltsbestandteil (13. Monatsgehalt) dargestellt.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte wird verurteilt, an ihn 2.580,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit ...