Entscheidungsstichwort (Thema)

Vergütung einer Krankenschwester bei wiederholter Anpassung von Gehältern entsprechend der Tarifentwicklung im öffentlichen Dienst durch nicht mehr tarifgebundene Arbeitgeberin. Bindungswille der Arbeitgeberin aufgrund vertraglicher Tarifzusage gegenüber bisherigen Mehrheitsaktionären

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Auslegung eines eine betriebliche Übung begründenden Verhaltens des Arbeitgebers erfolgt nach objektiven Kriterien.

2. Die wiederholte Anpassung von Gehältern entsprechend der Tarifentwicklung im öffentlichen Dienst durch einen nicht mehr tarifgebundenen Arbeitgeber kann nach den Grundsätzen der Betrieblichen Übung zu einem Rechtsanspruch der Arbeitnehmer führen, auch zukünftig entsprechend der Vergütungsordnung des öffentlichen Dienstes vergütet zu werden. Die Arbeitnehmer können dem Verhalten des Arbeitgebers jedenfalls dann einen entsprechenden Bindungswillen entnehmen, wenn sich der Käufer einer Aktienmehrheit einer bislang dem öffentlichen Dienst zugehörigen AG im Aktienkaufvertrag gegenüber den bisherigen Mehrheitsaktionären verpflichtet, die vorhandenen Mitarbeiter auch weiterhin in Anwendung des BAT zu entlohnen.

 

Normenkette

BGB §§ 242, 133, 157, 151, 611 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Mainz (Entscheidung vom 13.11.2012; Aktenzeichen 6 Ca 512/12)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 24.02.2016; Aktenzeichen 4 AZR 992/13)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz - Auswärtige Kammern Bad Kreuznach - vom 13.11.2012, Az.: 6 Ca 512/12, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Zur Klarstellung wird Ziff. 2 des Tenors des angefochtenen Urteils wie folgt neu gefasst: Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin ab Oktober 2012 nach Entgeltgruppe 7 a, Stufe 5 TVöD-KR zu vergüten.

Für die Beklagte wird die Revision zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob die Klägerin in den TVöD überzuleiten war sowie um hieraus resultierende Differenzlohnansprüche.

Die Klägerin ist seit dem 17.5.1993 in der von der Beklagten betriebenen Einrichtung als Krankenschwester beschäftigt. Grundlage des Arbeitsverhältnisses ist der mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten abgeschlossene Arbeitsvertrag vom 18.5.1993, der in § 2 folgende Regelung enthält:

"Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach dem Bundes-Angestellten-Tarifvertrag (BAT) sowie den jeweils ergänzenden, ändernden, ersetzenden und sonstigen für die Art der Tätigkeit des Beschäftigten einschlägigen Tarifvereinbarungen."

Die Klägerin war zuletzt in VergGr. Va, Stufe 9 des BAT-KR eingruppiert und wurde hiernach vergütet.

Die Gehaltsabrechnung für den Monat März 2012 weist insoweit aus:

Grundgehalt 1.889,02 EUR

Ortszuschlag 569,34 EUR

Allgemeine Zulage 106,38 EUR.

Nach dem zwischen der Stadt B., dem Land Rheinland-Pfalz einerseits und der S Kliniken GmbH andererseits geschlossenen Aktienkaufvertrag verpflichtete sich die S Kliniken GmbH zum Kauf von insgesamt 75,09 % der Aktien der R H AG zum 1. Januar 1999. Diese firmierte sodann unter der Bezeichnung S R Rheinland-Pfalz AG, die ihrerseits in die jetzige Bezeichnung der Beklagten umfirmierte.

§ 5 II Nr. 5 des genannten Aktienkaufvertrages sieht vor:

"Die zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses vorhandene Mitarbeiter werden weiterhin nach BAT-BMT-G entlohnt und deren Zusatzversorgung nach dem einschlägigen Tarifvertrag gewährleistet."

Mit Schreiben vom 18. März 1999 teilte der Kommunale Arbeitgeberverband Rheinland-Pfalz der Rechtsvorgängerin der Beklagten mit, dass diese aufgrund der neuen Eigentumsverhältnisse mit Ablauf des 31. März 1999 aus dem Arbeitgeberverband ausgeschlossen werde, da die satzungsmäßigen Voraussetzungen für eine Mitgliedschaft nicht mehr gegeben seien.

Auch nach dem Ausschluss aus dem Arbeitgeberverband gewährte die Beklagte den Mitarbeitern Lohnerhöhung entsprechend den Tarifabschlüssen im öffentlichen Dienst am 01.04.1999, 01.08.2000, 01.09.2001, 01.03.2003 und 01.03.2004.

Die Klägerin ist der Ansicht, die Beklagte sei verpflichtet, sie auf der Basis des TVöD, Entgeltgruppe 7a, Stufe 5, zu vergüten.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des unstreitigen Sachverhalts und des streitigen Vorbringens der Parteien 1. Instanz wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen auf das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz -Auswärtige Kammern Bad-Kreuznach vom 13.11.2012, Az.: 6 Ca 512/12 (Bl. 45 ff. d.A.).

Durch das genannte Urteil hat das Arbeitsgericht die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 998,06 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 142,58 EUR brutto seit dem 1.5.2012, 1.6.2012, 1.7.2012, 1.8.2012, 1.9.2012 und 1.10.2012 zu zahlen und festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, die monatliche Vergütung der Klägerin ab Oktober 2012 auf der Basis des TVöD nach Entgeltgruppe E 7a Stufe 5 mit einer Vergütung von zumindest 2.707,32 EUR brutto abzurechnen und den sich daraus ergebenden Nettobetrag an die Klägerin zu zahlen.

Zur Begründung hat das Arbeitsgericht -zusammengefasst- ausgeführt:

...

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