Entscheidungsstichwort (Thema)
Beweislast. Darlegungslast. Kündigung, krankheitsbedingte. Zukunftsprognose. krankheitsbedingte Kündigung. dauerhafte Leistungsunfähigkeit
Leitsatz (redaktionell)
1. Für die Darlegungs- und Beweislast im Bereich der krankheitsbedingten Kündigung gilt die Grundregel des § 1 Abs. 2 S. 4 KSchG, wonach der Arbeitgeber für die negative Zukunftsprognose der erheblichen Beeinträchtigungen betrieblicher Interessen genauso beweisbelastet ist, wie für die Tatsachen, die im Rahmen der Interessenabwägung letztendlich das Überwiegen des Beendigungsinteresses begründen sollen.
2. Bei unbekannter Krankheitsursache auf Seiten des Arbeitgebers ist jedoch im Hinblick auf die Darlegung der negativen Zukunftsprognose die Darlegungslast abgestuft.
Normenkette
KSchG § 1 Abs. 2, 4, 7; ZPO §§ 138, 167
Verfahrensgang
ArbG Koblenz (Urteil vom 09.09.2010; Aktenzeichen 7 Ca 94/10) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz – Auswärtige Kammern Neuwied – AZ: 7 Ca 94/10, – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Frage, ob das Arbeitsverhältnis der Parteien aufgrund der Kündigung der Beklagten vom 22.12.2002 zum 28.02.2010 beendet worden ist.
Der am 12.08.1968 geborene Kläger ist seit dem 01.06.2003 bei der Beklagten als Drucker beschäftigt. Sein durchschnittliches Bruttomonatsentgelt beläuft sich auf 2.550,00 EUR bis 2.750,00 EUR.
Im Jahr 2009 war der Kläger vom 02.02. bis zum 06.02.2009 wegen Gastroenteritis, vom 22.06. bis zum 03.07.2009 wegen Lumboischialgie, links, und vom 05.10. bis 09.10.2009 wegen eines Infekts der oberen Atemwege arbeitsunfähig erkrankt.
Eine weitere Arbeitsunfähigkeit schloss sich ab dem 14.10.2009 an, deren Ursache der behandelnde Arzt mit einer erosiven Osteochondrose der Lendenwirbelsäule L5/S1 feststellte. Der Kläger wurde mit Akupunktur und Physiotherapie auch im Rahmen einer Reha-Maßnahme behandelt.
Im ärztlichen Befundbericht zum Antrag auf Leistung zur Teilhabe (Reha) vom 21.12.2009 hat der behandelnde Facharzt für Allgemeinmedizin und Orthopädie L angegeben, eine Besserung der Leistungsfähigkeit des Klägers sei gegebenenfalls durch medizinische Rehabilitation möglich. Im Therapiebericht vom 05.01.2010 des Physiotherapiezentrums R wird ausgeführt, dass sich der Schmerzzustand des Klägers verbessert habe und das Bewegungsmaß der gesamten lumbalen Wirbelsäule einschließlich der Iliosacralgelenke deutlich gesteigert sei. Zur Normalisierung des Muskeltonus und zur Stabilisierung der Wirbelsäule werde gezieltes Aufbautraining empfohlen (Bl. 8-10 d. A.). Seit dem 21.06.2010 bezieht der Kläger Arbeitslosengeld, Arbeitsunfähigkeit wurde nicht mehr bescheinigt.
Die Beklagte, die ca. 30 Mitarbeiter beschäftigt, hat den Arbeitsplatz des Klägers nach Ausspruch der Kündigung ersatzweise mit Herrn B besetzt und nachfolgend den zuvor entlassenen Mitarbeiter R wieder mit einem befristeten Jahresvertrag eingestellt (Bl. 56 d. A.).
Mit Schreiben vom 22.12.2009 (Bl. 17 d. A.) hat die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien zum 28.02.2010 gekündigt.
Der Kläger hat erstinstanzlich vorgetragen,
krankheitsbedingte Kündigungsgründe lägen nicht vor. Sein behandelnder Arzt habe schon im Antrag auf Genehmigung einer Reha-Maßnahme vom 22.12.2009 die Prognose positiv beurteilt. Am 05.01.2010 sei gleiches auch durch das Behandlungszentrum Rolandseck im Rahmen der Physiotherapie bestätigt worden. Es habe daher von Anfang an festgestanden, er werde seine Arbeitskraft wieder erlangen. Dies sei auch mit dem 21.06.2010 eingetreten. Die Behauptung er könne wegen des Rückenleidens nicht mehr als Drucker arbeiten sei falsch.
Betriebsablaufstörungen lägen ebenfalls nicht vor. Die Beklagte habe eine Personalreserve in Form von Springern.
Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien aufgrund der Kündigung vom 22.12.2009 nicht zum 28.02.2010 endet, sondern über den 28.02.2010 hinaus zu den gleichen Bedingungen fortbesteht.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat erstinstanzlich vorgetragen,
die Kündigung sei krankheitsbedingt begründet, eine negative Zukunftsprognose sei anzunehmen.
Die Kurzerkrankungen im Jahre 2009 von Februar bis Anfang Oktober 2009 hätten nur Indizwirkung. Entscheidend sei die negative Zukunftsprognose durch die Erkrankung ab dem 14.10. begründet. Aufgrund dieser Krankheit sei zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung mit weiteren Erkrankungen des Klägers über den Ablauf der Kündigungsfrist hinaus zu rechnen gewesen. Auch der Kläger habe verlauten lassen, er kehre wegen seines Rückenleidens nicht mehr an seinen bisherigen Arbeitsplatz zurück.
Der Kläger habe massive Betriebsablaufstörungen verursacht, da seine Rückkehr, auch mangels ordnungsgemäßer Meldung der Arbeitsunfähigkeit, völlig ungewiss gewesen sei. Man habe den Kläger fortlaufend durch andere Kräfte ersetzen müssen und schon am 02.11.2009 einen Mitarbeiter für ein Jahr be...