Entscheidungsstichwort (Thema)
Unwirksamkeit einer Abmahnung wegen Nichtbefolgung von Arbeitsanweisungen und Anspruch auf Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte
Leitsatz (redaktionell)
1. Auch im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist die Erteilung einer Abmahnung grundsätzlich nicht an bestimmte Fristen gebunden.
2. Allerdings wird eine Abmahnung, die erst geraume Zeit nach dem beanstandeten Vorfall ausgesprochen wird, in ihrer Wirkung ohnehin abgeschwächt. Denn das Fehlverhalten des Arbeitnehmers wirkt durch die Zwischenzeit, in der er sich vertragstreu verhalten hat, nicht mehr so gravierend, dass es etwa im Falle einer Kündigung überhaupt noch beachtlich wäre. Insofern scheidet auch ein "Aufspareffekt" aus.
Normenkette
BGB § 1004 Abs. 1, §§ 242, 1004
Verfahrensgang
ArbG Mainz (Entscheidung vom 19.01.2023; Aktenzeichen 7 Ca 581/22) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz - Auswärtige Kammern Bad Kreuznach - vom 19. Januar 2023, Az. 7 Ca 581/22, abgeändert und die Klage abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Abmahnung vom 23. Mai 2022.
Der 1974 geborene Kläger ist seit November 1995 bei der Beklagten beschäftigt, seit etwa sieben Jahren als Staplerfahrer. Er arbeitet in Dauernachtschicht. Seine Monatsvergütung nach Entgeltgruppe 3 ERA beträgt einschließlich Zuschlägen rund € 3.500,00 brutto. Die Beklagte stellt in ihrem Werk C-Stadt Bremselemente für Kraftfahrzeuge her; sie beschäftigt dort ca. 600 Arbeitnehmer; es besteht ein Betriebsrat. Die Parteien führten bereits einen Rechtsstreit über die Entfernung von zwei Abmahnungen, die die Beklagte dem Kläger am 31. Mai 2021 erteilt hatte (ArbG Mainz - AK Bad Kreuznach 7 Ca 631/21; LAG Rheinland-Pfalz 5 Sa 164/22).
Mit Schreiben vom 23. Mai 2022 erteilte die Beklagte dem Kläger eine weitere Abmahnung mit dem Betreff: "ArbAnw Paletten Einlagerung HRL". Diese Abmahnung hat auszugsweise folgendem Wortlaut:
"Sehr geehrter Herr A.,
aufgrund Ihres Arbeitsvertrags als Staplerfahrer sind Sie verpflichtet, Container immer ausschließlich mit entsprechendem Fahrauftrag zu befördern und zwingend die vollständige Sachnummer inkl. der dazugehörigen Containernummer sowie die dazugehörige Stückzahl abzugleichen, damit es keine Verwechslung im System gibt. Gegen diese Verpflichtungen haben Sie verstoßen, sodass wir Ihnen eine Abmahnung erteilen.
Am Mittwoch, den 13. Oktober 2021 waren Sie in der Nachtschicht für die Zone R (Rollenband) verantwortlich (s Anlage 1). Durch die Einteilung in dieser Zone waren Sie für den Abtransport vom Binderaum an den Versand verantwortlich.
In der letzten Produktionsstunde zwischen 05:31-05:57 Uhr kam es zu einer Vertauschung der Containernummern 573 und 574 mit der Sachnummer 11-3601-1213-3-08. Sie haben den Fahrauftrag mit der Containernummer 574, der an den Binderaum gehen sollte und nicht Ihnen zugeordnet war, sondern Ihrem Kollegen Hr. F., durchquittiert in das Hochregallager (HRL) ohne den Behälter zu vergleichen.
Somit war der Container 574 laut System nicht im Binderaum und es kam aufgrund des fehlenden Vergleiches zur Verwechslung, denn es handelt es sich bei dem Container, welchen Sie durchquittiert haben, um den Container 573 und nicht 574 wie vom Fahrauftrag vorgegeben.
Dies führte dazu, dass physikalisch der Behälter 574 im Binderaum war, es allerdings nur noch einen offenen Fahrauftrag für den Container 573 gab. Anstatt das Problem Ihrem Vorgesetzten Herrn E. zu melden, da es verboten ist, ohne einen passenden Fahrauftrag einen Container zu bewegen, haben Sie den Container 574 mit dem Fahrauftrag 573 in das HRL eingelagert. Somit kam es zu einer weiteren falschen Einlagerung (s Anlage 2).
Sie begangen in dieser Nacht in Summe drei Fehler. Sie arbeiteten zwei Fahraufträge nicht regulär ab (Container 573 und 574). Hinzu kommt, dass Sie den Fahrauftrag mit der Containernummer 574 vom F26 bearbeitet haben, wozu Sie aus der eingesetzten Zone R nicht befähigt sind. Durch Ihr Fehlverhalten mussten offizielle Auslagersperren erstellt werden, um die Fehler zu beheben, was dazu führte, dass die produzierten Produkte erst später als geplant disponiert werden konnten.
..."
Gegen diese Abmahnung wendet sich der Kläger mit seiner Klage vom 20. Oktober 2022. Er hat erstinstanzlich vorgetragen, der maßgebliche Sachverhalt sei in der Abmahnung falsch dargestellt. Der Vorwurf, ihm seien drei Fehler unterlaufen, sei nicht berechtigt. Es sei richtig, dass er zunächst einen Container verwechselt habe. Er habe seinen Vorgesetzten, den Gruppenmeister E., über die Vertauschung informieren wollen, sein Arbeitskollege, der Staplerfahrer F., sei ihm jedoch zuvorgekommen. Der Vorwurf, er habe keine Meldung abgesetzt, sei falsch. Zu einer weiteren Falscheinlagerung sei es nicht gekommen. Der eigentlich einzulagernde Container sei am Montageband F26 verblieben, weil der Fehler vorher ...