Entscheidungsstichwort (Thema)
Abgeltung des noch bestehenden Urlaubsanspruchs im Rahmen einer Freistellung
Leitsatz (redaktionell)
Die Anrechnung von Urlaub kann auch dadurch geschehen, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer unter Anrechnung auf Urlaubsansprüche von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung freistellt. Eine entsprechende Erklärung, die Freistellung erfolge unter Anrechnung auf Urlaubsansprüche, bewirkt grundsätzlich, dass für die Dauer der Freistellung die urlaubsrechtlichen Folgen eintreten, wie zB. die Unwiderruflichkeit der Arbeitsbefreiung. Für die Erfüllung des Urlaubsanspruchs muss der Arbeitgeber also nicht ausdrücklich die Unwiderruflichkeit der Befreiung von der Arbeitspflicht hervorheben. Nur wenn eine Auslegung der Freistellungserklärung ergibt, dass der Arbeitgeber sich den Widerruf der Urlaubsgewährung vorbehalten hat, ist eine zur Erfüllung des Urlaubsanspruchs notwendige Befreiungserklärung nicht gegeben.
Normenkette
BGB §§ 133, 362 Abs. 1; BUrlbG § 7 Abs. 1 S. 1, Abs. 4; BUrlG § 7
Verfahrensgang
ArbG Koblenz (Entscheidung vom 26.07.2023; Aktenzeichen 12 Ca 2154/2225) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 26.07.2023, Az.: 12 Ca 2154/22, wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten im Berufungsverfahren noch über Urlaubsabgeltung.
Die 1973 geborene Klägerin war vom 03.07.2019 bis zum 30.04.2022 als Bürofachkraft mit einem Bruttomonatsgehalt von zuletzt rund 2.500,00 € bei der Beklagten beschäftigt. Dem Arbeitsverhältnis lag ein Arbeitsvertrag vom 26.06.2019 (Bl. 6 f. d. A.) zugrunde. In diesem vereinbarten die Parteien unter anderem, dass der Arbeitgeber während der Kündigungsfrist berechtigt ist, die Arbeitnehmerin innerhalb gesetzlicher Bestimmungen von der Arbeit freizustellen. Das Arbeitsverhältnis endete aufgrund ordentlicher Kündigung der Beklagten vom 10.03.2022.
In dem Kündigungsschreiben vom 10.03.2022, hinsichtlich dessen Inhalts im Übrigen auf Blatt 10 der Akten Bezug genommen wird, heißt es auszugsweise:
"hiermit kündigen wir Ihnen das Arbeitsverhältnis fristgerecht 30.04.2022, hilfsweise zum nächstmöglichen Zeitpunkt.
Sie werden mit sofortiger Wirkung von der Arbeit unter Anrechnung der noch bestehenden Urlaubsansprüche freigestellt.
[...]."
Im Zeitpunkt der Kündigungserklärung hatte die Klägerin noch einen Resturlaubsanspruch aus dem Jahr 2021 im Umfang von sieben Tagen sowie aus dem Jahr 2022 von acht Tagen. Der Tagesverdienst der Klägerin betrug 144,00 € (acht Stunden zu je 18,00 €).
Die Klägerin war der Ansicht,
insgesamt 15 Tage Resturlaub müssten noch abgegolten werden. Wegen des fehlenden Hinweises auf die Unwiderruflichkeit der Freistellung und mangels konkreter Angaben hinsichtlich des Zeitraums für den Urlaub im Kündigungsschreiben fehle es vorliegend bei einem richtlinienkonformen Verständnis von § 1 Abs. 1 BUrlG an einer konkreten und transparenten Tilgungsbestimmung für den Urlaub. Die Freistellungsphase sei unstreitig länger gewesen als der Urlaubszeitraum. Sie habe also in Betracht ziehen müssen, täglich zur Arbeitsstelle zurückbestellt zu werden. Deshalb sei es ihr nicht möglich gewesen, beispielsweise einen Auslandsurlaub anzutreten oder in sonstiger Weise für länger als einen Tag ihre Zeiten zu verplanen. Sie habe also zu keiner Zeit gewusst, ob sie sich derzeit in einer widerruflichen Freistellungsphase oder im Urlaub befunden habe.
Die Klägerin hat erstinstanzlich zuletzt beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 2.160,00 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 30.04.2022 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte war der Ansicht,
etwaiger Resturlaub sei durch die unwiderrufliche Freistellung vollständig genommen worden, so dass ein Urlaubsabgeltungsanspruch ausscheide. Die Formulierung in dem Kündigungsschreiben sei auch ohne den Hinweis auf die Unwiderruflichkeit nach der weiterhin geltenden Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. Urteil vom 16.07.2013, 9 AZR 50/12) ausreichend. Die Klägerin sei ohne Weiteres in der Lage gewesen aufgrund der in Rede stehenden Regelung zu wissen, welche Ansprüche sie habe.
Das Arbeitsgericht hat die Klage durch Urteil vom 26.07.2023 abgewiesen. Es hat - zusammengefasst - zur Begründung ausgeführt, die Klägerin habe keinen Anspruch auf Zahlung von 2.160,00 € brutto für die Abgeltung von 15 Urlaubstagen gemäß § 7 Abs. 4, § 11 Abs. 1 Satz 1 BUrlG. Ein Abgeltungsanspruch gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG habe nicht mehr entstehen können, da die Beklagte mit der unwiderruflichen Freistellung der Klägerin seit dem 10.03.2022 den Anspruch auf Gewährung des streitgegenständlichen Resturlaubs vollständig erfüllt habe. Aus dem Wortlaut der schriftlichen Erklärung der Beklagten im Kündigungsschreiben habe die Klägerin erkennen müssen, dass sie auch und gerade zur Erfüllung des Urlaubsanspruchs von der Arbeit freigestellt werden sollte. Der Erfüllung des Urla...