Entscheidungsstichwort (Thema)
Urlaubsanspruch einer schwerbehinderten Arbeitnehmerin bei Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis nach erfüllter Wartezeit in der zweiten Hälfte des Kalenderjahres. Abgeltungsanspruch bei erstmaligem Hinweis auf Schwerbehinderteneigenschaft nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses
Leitsatz (redaktionell)
1. Gemäß § 4 BUrlG wird der volle Urlausanspruch erstmalig nach sechsmonatigem Bestehen des Arbeitsverhältnisses erworben.
2. Bei Ausscheiden nach erfüllter Wartezeit in der zweiten Jahreshälfte hat die Arbeitnehmerin Anspruch auf den ungekürzten Vollurlaub unabhängig davon, ob das Arbeitsverhältnis schon zum Jahresbeginn bestand. Eine Kürzung (Teilurlaub) sieht § 5 BUrlG für diesen Fall nicht vor.
3. Der gesetzliche Urlaubsanspruch einer Arbeitnehmerin, die nach erfüllter Wartezeit in der zweiten Hälfte eines Kalenderjahres aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet, kann gemäß § 13 Abs. 1 Satz 1 und § 3 Abs. 1 BUrlG selbst durch eine tarifliche Regelung nicht ausgeschlossen oder gemindert werden, so dass auch die Arbeitsvertragsparteien zulasten der Arbeitnehmerin vom gesetzlichen Mindesturlaub nicht abweichen können. Gemäß § 13 Abs. 1 Satz 3 BUrlG kann mit Ausnahme von § 7 Abs. 2 Satz 2 BUrlG von den Bestimmungen des Bundesurlaubsgesetzes nicht zuungunsten der Arbeitnehmerin abgewichen werden.
4. Der Anspruch schwerbehinderter Menschen auf Zusatzurlaub gemäß § 125 SGB IX entsteht aufgrund der Schwerbehinderteneigenschaft unabhängig von einer Kenntnis der Arbeitgeberin. Der Abgeltungsanspruch entsteht ohne vorherige Geltendmachung des Freistellungsanspruchs bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses auch dann, wenn die Schwerbehinderte erstmals nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf ihre Schwerbehinderteneigenschaft hinweist.
Normenkette
BUrlG § 13 Abs. 1, §§ 4-5, 7 Abs. 4; SGB IX § 125; BUrlG § 3 Abs. 1, § 13 Abs. 1 Sätze 1, 3
Verfahrensgang
ArbG Koblenz (Entscheidung vom 04.11.2015; Aktenzeichen 4 Ca 1129/15) |
Tenor
I.
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 04. November 2015 - 4 Ca 1129/15 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass Ziffer 1) des Tenors des vorbezeichneten Urteils zur Klarstellung (aufgrund der teilweisen Klagerücknahme in Höhe von 184,61 EUR brutto) wie folgt neu gefasst wird:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.661,54 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11. April 2015 zu zahlen.
II.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Beklagte.
III.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über einen Anspruch der Klägerin auf Urlaubsabgeltung.
Die Klägerin war vom 01. April 2014 bis zum 31. Oktober 2014 beim Beklagten als Steuerfachangestellte gegen ein Bruttomonatsgehalt in Höhe von 2.000,00 EUR in einer 5-Tage-Woche beschäftigt. Ausweislich ihres ab 01. Januar 2004 gültigen Schwerbehindertenausweises (Bl. 20 d. A.) ist sie mit einem GdB von 50 schwerbehindert. Im Arbeitsvertrag der Parteien vom 25. November 2013 (Bl. 3, 4 d. A.) ist zum Urlaubsanspruch unter Ziff. 4 Abs. 2 Folgendes geregelt:
"Der Jahresurlaubsanspruch beträgt 20 Arbeitstage. Bei nicht ganzjähriger Tätigkeit ist der Urlaub zeitanteilig. Für jedes Jahr der Beschäftigung erhöht sich der Urlaubsanspruch um ein Jahr."
Mit ihrer beim Arbeitsgericht Koblenz erhobenen Klage hat die Klägerin zuletzt die Abgeltung des gesetzlichen Mindesturlaubes und des Schwerbehindertenzusatzurlaubs verlangt.
Wegen des wechselseitigen Vorbringens der Parteien erster Instanz wird auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Koblenz vom 04. November 2015 - 4 Ca 1129/15 - verwiesen.
Mit dem vorgenannten Urteil hat das Arbeitsgericht den Beklagte verurteilt, an die Klägerin 1.846,15 EUR brutto (Abgeltung des gesetzlichen Mindesturlaubs von 20 Arbeitstagen) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11. April 2015 und 461,54 EUR brutto (Abgeltung des Schwerbehindertenzusatzurlaubs von fünf Arbeitstagen) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 6. Oktober 2015 zu zahlen. Wegen der Begründung des Arbeitsgerichts wird auf die Entscheidungsgründe seines Urteils verwiesen.
Gegen das ihm am 19. Januar 2016 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts hat der Beklagte mit Schriftsatz vom 20. Januar 2016, beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am 21. Januar 2016 eingegangen, Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 19. Februar 2016, beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am 22. Februar 2016 eingegangen, begründet.
Er trägt vor, das Arbeitsgericht habe seinen Einwand nicht berücksichtigt, wonach die Klägerin vier Tage in der Zeit vom 09. bis 13. September 2014 unentschuldigt gefehlt habe. Diese vier Tage seien von der Abgeltung abzuziehen. Zu Unrecht habe das Arbeitsgericht die Abgeltung des Schwerbehindertenzusatzurlaubs zugesprochen. Im Hinblick darauf, dass die Klägerin bereits bei ihrer Einstellung von ihrer Schwerbehinderteneigenschaft gewusst ...