Entscheidungsstichwort (Thema)
Bestandsstreitigkeit (§ 61 a ArbGG) Kündigung
Leitsatz (amtlich)
1. Zum Verhältnis von betriebs- und personenbedingter Kündigung.
2. Zur Berücksichtigung gesundheitlicher Leistungsmängel bei der Sozialauswahl.
Verfahrensgang
ArbG Mainz (Urteil vom 09.05.1996; Aktenzeichen 5 Ca 1348/93) |
Nachgehend
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird dasUrteil des Arbeitsgerichts Mainz – Auswärtige Kammern Bad Kreuznach – vom 09.05.1996 – 5 Ca 1348/93 – abgeändert:
- Die Klage wird abgewiesen.
- Die Kläger haben die Kosten des Rechtsstreits zu 1/3 zu tragen.
2. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen
Tatbestand
Die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits streiten darüber, ob das zwischen der am 21.09.1995 verstorbenen früheren Klägerin Frau L. mit der Beklagten bestehende Arbeitsverhältnis aufgrund ordentlicher Arbeitgeberkündigung am 31.10.1993 sein Ende gefunden hat, oder aber bis zum 21.09.1995 fortbestanden hat.
Die Kläger sind die Erben der am 21.09.1995 verstorbenen früheren Klägerin Frau L.. Diese, geboren am 19.06.1937, war seit April 1979 bei der Beklagten als Presserin zu einem Bruttomonatsentgelt von etwa 2.200,00 DM beschäftigt. Die verstorbene Klägerin war schwerbehindert mit einem GdB von 90 %.
Die Beklagte betreibt eine Maschinenfabrik und beschäftigte 1993 etwa 120 Arbeitnehmer. Zwischen ihr und dem Betriebsrat ist am 10.11.1992 eine Betriebsvereinbarung über einen Interessenausgleich und einen Sozialplan abgeschlossen worden, die aufgrund der wirtschaftlich schlechten Situation des Unternehmens den Abbau von Arbeitsplätzen nach Maßgabe einer der Vereinbarung beigefügten Personalliste vorsieht. Dieser Interessenausgleich und Sozialplan gilt nach Ziffer 6 für alle betriebsbedingten Kündigungen durch den Arbeitgeber, die nach Inkrafttreten dieser Vereinbarung innerhalb der Laufzeit dieser Vereinbarung ausgesprochen werden. Die betroffenen Arbeitnehmer erhalten danach eine Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes, die sich nach Maßgabe von Ziffer 7 der Vereinbarung berechnet. Hinsichtlich des weiteren Inhalts von Interessenausgleich und Sozialplan wird auf Blatt 103, 104 der Akte Bezug genommen.
Der Betriebsarzt der Beklagten hatte am 02.12.1992 hinsichtlich der „Einsatzproblematik der Mitarbeiterin B.” auf eine Antrage der Beklagten hin an diese ein Schreiben gerichtet, das unter anderem folgenden Wortlaut hat:
„Wie Ihnen ja bekannt, bestehen bei der Mitarbeiterin eine ganze Reihe von zum Teil erheblichen gesundheitlichen Einschränkungen, welche sich ja auch in ihrer MdE von 90 % und auch in der durchgeführten innerbetrieblichen Umsetzung ausdrücken. Im Rahmen einer allgemeinen arbeitsmedizinischen Eignungsbeurteilung bestehen bei Frau B. folgende Einschränkungen:
Kein Einsatz im Lärmbereich über 85 dBA
Kein ständiges Stehen
Kein schweres Heben oder Tragen von mehr als 10 kg
Betreffs taktgebundener Arbeit läßt sich nur soviel festlegen, daß die derzeit ausgeführte Tätigkeit mit gewissen Problemen noch ausgeführt werden kann, eine Belastungssteigerung gesundheitlichen Gründen sich nicht möglich sein wird. Bezüglich der von Ihnen angerissenen geplanten Umstrukturierung und der daraus sich ergebenden Auswirkungen kann noch nicht endgültig Stellung bezogen werden, da z.B. zuvor erneute Lärmmessungen durchgeführt werden müßten. Allgemein wäre jedoch festzuhalten, daß im Rahmen vermehrter Arbeitsplatzbelastungen die Prognose für einen Erhalt der Erwerbsfähigkeit als äußerst ungünstig anzusehen ist und durchaus sozialmedizinische Maßnahmen zu diskutieren sind.”
Hinsichtlich des weiteren Inhalts dieses Schreibens wird auf Blatt 12 der Akte Bezug genommen.
Mit Bescheid vom 22.07.1993 hat die Hauptfürsorgestelle der beabsichtigten ordentlichen Kündigung der früheren Klägerin zugestimmt. Hinsichtlich der Begründung der Entscheidung wird auf Blatt 15, 16 der Akte Bezug genommen. Der Betriebsrat hat in seiner Stellungnahme an das Landesamt für Jugend, und Soziales – Hauptfürsorgestelle – vom 16.06.1993 unter anderem mitgeteilt:
„Der Antrag der R. vom 09.06.1993 ist inhaltlich richtig. Leider kann auch aus Sicht des Betriebsrates zur Zeit kein Alternativarbeitsplatz für die Mitarbeiterin angeboten werden. Bei dem uns bevorstehenden Personalabbau wird unsere gesamte Fertigung auf ein Minimum reduziert, was sowohl den Wegfall des Arbeitsplatzes von Frau B., als auch die Zusammenlegung von einigen Abteilungen in unserem Hause mit sich bringt. Insbesondere durch diesen Zusammenschluß verwandter Produktionsverfahren ist es nicht mehr möglich, einen für Frau B. geeigneten Arbeitsplatz zur Verfügung zu stellen. Die von unserem Betriebsrat Herrn Dr. D. bescheinigten gesundheitlichen Einschränkungen von Frau B. verbieten uns eine Weiterbeschäftigung der Mitarbeiterin unter den gegebenen Umständen. Aus unserer Sicht wird es überhaupt schwierig sein, Frau B. in einem Industriebetrieb, mit seinen typischen Umwelteinflüssen und den körperlichen Anfor...