Entscheidungsstichwort (Thema)

Kündigung, betriebsbedingte. Sozialauswahl. Unwirksame betriebsbedingte Kündigung eines Mechanikers in einem Freizeitpark bei fehlerhafter Sozialauswahl

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Gemäß § 1 Abs. 3 KSchG ist die Arbeitgeberin in ihrer Entscheidung, welchem Arbeitnehmer gekündigt werden soll, nicht frei; die individuelle Auswahl ist vielmehr in der Weise gesetzlich vorherbestimmt, dass sie nach dem Maßstab der geringsten sozialen Schutzbedürftigkeit erfolgen und die Kündigung mithin vorrangig denjenigen treffen soll, der am wenigsten auf seinen Arbeitsplatz angewiesen ist.

2. Die Benennung der für die Sozialauswahl maßgeblichen Kriterien in § 1 Abs. 3 KSchG, ihre Aufzählung in alphabetischer Reihenfolge und der Umstand, dass sich weder aus dem Gesetzeswortlaut noch der Entwurfsbegründung ein Vorrang für eines der genannten Kriterien entnehmen lässt, sprechen für deren Gleichwertigkeit und Gleichrang.

3. Ist der gekündigte Arbeitnehmer über 20 Jahre älter als ein vergleichbarer Mitarbeiter, verheiratet und einem Kind zum Unterhalt verpflichtet und seit dem 26.06.2010 als Mechaniker im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses beschäftigt, während der vergleichbare Mitarbeiter zunächst als Auszubildender seit dem 01.09.2009 und erst ab Anfang 2011 als ausgebildeter Mechaniker bei der Arbeitgeberin tätig ist, kann die Sozialauswahl nur zu Gunsten des gekündigten Arbeitnehmers enden.

 

Normenkette

KSchG §§ 1, 1 Abs. 2 S. 1 Alt. 3, Abs. 3

 

Verfahrensgang

ArbG Ludwigshafen (Entscheidung vom 13.02.2013; Aktenzeichen 3 Ca 2032/12)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 13.02.2013 - 3 Ca 2032/12 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits streiten darüber, ob das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis aufgrund einer ordentlichen betriebsbedingten Arbeitgeberkündigung beendet worden ist, oder aber nicht und ob der Kläger die einstweilige Weiterbeschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens verlangen kann.

Der Kläger ist bei der Beklagten, die einen Freizeitpark in H. betreibt, seit dem 26.06.2010 als Mechaniker beschäftigt.

Bei der Beklagten sind mehr als 10 Arbeitnehmer tätig.

Das Bruttomonatsentgelt des Klägers betrug zuletzt 2.200,00 €.

Die Beklagte hat das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch ordentliche Kündigung am 20.10.2012 zum 30.11.2012 gekündigt. Dagegen richtet sich die am 12.11.2012 beim Arbeitsgericht Ludwigshafen eingegangener, am 20.11.2012 erhobene Kündigungsschutzklage des Klägers.

Der Kläger hat vorgetragen,die ordentliche Kündigung sei sozial ungerechtfertigt. Insbesondere habe die Beklagte eine fehlerhafte Sozialauswahl durchgeführt. Herr M. M., der am 01.09.2009 seine Ausbildung im Park der Beklagten begonnen habe, sei nach Beendigung der Ausbildung als Mechaniker weiterbeschäftigt worden. Ihm gegenüber sei eine Kündigung nach dem Sachvortrag der Beklagten erst zum 31.05.2013 ausgesprochen worden. Im Vergleich zu Herrn M. sei der Kläger sozial schutzwürdiger. Während er am 20.03.1970 geboren und als Mechaniker seit dem 26.06.2010 beschäftigt und verheiratet und einem Kind gegenüber unterhaltsverpflichtet sei, sei Herr M. 1991 geboren und ledig.

Im Übrigen seit die Sozialauswahl auch aus anderen Gründen fehlerhaft; zudem reichten die von der Beklagten kündigungsbegründend angeführten betrieblichen Gründe nicht aus, um eine ordentliche betriebsbedingte Kündigung zu begründen.

Der Kläger hat beantragt,

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die ordentliche Kündigung vom 20.10.2012 - zugegangen am 20.10.2012 - zum 30.11.2012 beendet wird, sondern unverändert fortbesteht,

im Falle des Obsiegens zu 1 die Beklagte zu verurteilen, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten Bedingungen weiterzubeschäftigen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat vorgetragen,

die von ihr durchgeführte Sozialauswahl sei nicht zu beanstanden. Herr M. habe Anfang des Jahres 2011 seine Ausbildung beendet. Sein Arbeitsverhältnis sei zwar zum 31.05.2013 gekündigt worden. Das sei aber dadurch verursacht, dass Herr M. das Abitur nachmache und studieren wolle. Um einen Übergang zu ermöglichen, sei die Kündigung zum 31.05.2013 ausgesprochen worden.

Das Arbeitsgericht Ludwigshafen hat daraufhin durch Urteil vom 13.02.2013 - 3 Ca 2032/12 - festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die mit Schreiben der Beklagten vom 20.10.2012 ausgesprochene ordentliche Kündigung nicht beendet wurde und die Beklagte verurteilt, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten Arbeits- und Vertragsbedingungen als Mechaniker weiterzubeschäftigen. Hinsichtlich des Inhalts von Tatbestand und Entscheidungsgründen wird auf Bl. 79 bis 84 d. A. Bezug genommen.

Gegen das ihr am 11.03.2013 zugestellte Urteil hat die Beklagte dur...

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