Entscheidungsstichwort (Thema)
Kündigungsschutzklage. Sozialauswahl. Grobe Fehlerhaftigkeit
Leitsatz (redaktionell)
Ist ein Arbeitgeber im Kündigungsschutzprozess der Auffassung, ein Arbeitnehmer sei aufgrund seiner intellektuellen Fähigkeiten nicht in der Lage einfache Computertätigkeiten (Bestands- und Mengenabfragen durch simples Eingeben einer bestimmten Zahlenkombination und Drücken der Entertaste) auszuführen, so bedarf es im Falle des Bestreitens durch den Arbeitnehmer der Darlegung zumutbarer Unterweisungen des Arbeitnehmers etwa dergestalt, dass dem Arbeitnehmer eine halbe Stunde oder auch eine Stunde oder auch an zwei Tagen hintereinander mehrfach dieser Vorgang vermittelt wurde. Etwas anderes kann allenfalls gelten, wenn es sich tatsächlich um eine umfangreiche Einweisung verschiedener Bedienungsweisen eines komplizierten EDV-Systems handeln würde.
Normenkette
KSchG § 1 Abs. 3, § 5
Verfahrensgang
ArbG Koblenz (Urteil vom 17.05.2006; Aktenzeichen 7 Ca 2810/04) |
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 17.05.2006 (Az.: 7 Ca 2810/04), abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 29.11.2004 aufgelöst worden ist.
2. Die Kosten des Verfahrens hat die Beklagte zu tragen.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Im vorliegenden Verfahren wehrt sich der Kläger gegen eine ihm gegenüber seitens der Beklagten ausgesprochenen ordentlichen Beendigungskündigung.
Der 1962 geborene Kläger ist seit dem 06.01.1999 als Keramikarbeiter bei der Beklagten beschäftigt. Seine Tätigkeit ist die eines Kommissionierers im Lager, wobei er dort auch Stapelfahrertätigkeiten verrichtet.
Seine Bruttomonatsvergütung betrug zuletzt 2.177,52 EUR.
Die Beklagte entschloss sich zum Ende des Jahres 2004 eine Produktionslinie, nämlich den Bereich Tunnelofen, vollständig zu schließen. Dafür wurde ein so genannter Rollenofen angeschafft. Im Zeitpunkt der Entscheidung über die Ofenschließung beschäftigte die Beklagte 248 Mitarbeiter. Aufgrund der Änderung der Öfen sah sie sich gezwungen, 26 Arbeitsplätze abzubauen.
Sie schloss mit dem Betriebsrat ihres Werkes in A-Stadt einen Interessenausgleich mit Namensliste. Auf dem Inhalt des Interessenausgleichs (Anlage B1 zum Beklagtenschriftsatz vom 20.12.2004 (Blatt 13 ff.)) wird verwiesen.
Auf der Namensliste der zu kündigenden Arbeitnehmer befindet sich auch der Kläger.
Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis des Klägers durch Kündigungsschreiben vom 29.11.2004 zum 31.01.2005.
Im Rahmen der durchzuführenden Sozialauswahl bezog sie den Kläger mit den Arbeitnehmern in eine Sozialauswahl ein, die sie in ihrem Schriftsatz vom 09.11.2005 (Blatt 33 der Gerichtsakten) aufgeführt hat. Sie hielt ihn damit grundsätzlich vergleichbar mit Herrn W, ebenfalls als Kommissionierer eingesetzt, der am 17.04.1975 geboren ist, seit 06.04.1998 bei der Beklagten beschäftigt ist und niemanden zum Unterhalt verpflichtet ist.
Bei Durchführung der Sozialauswahl legte die Beklagte kein Punkteschema zur Bewertung der einzelnen Sozialkriterien, Unterhaltsverpflichtung, Lebensalter, Betriebszugehörigkeit und Schwerbehinderteneigenschaft fest. Ein irgendwie geartetes System, wie die Sozialkriterien untereinander zu gewichten waren, bestand bei der Beklagten nicht. Sie legte allerdings einen besonderen Wert auf evtl. Unterhaltsverpflichtungen aus sozialen Gesichtspunkten. Die Kriterien Lebensalter und Betriebszugehörigkeit waren für die Beklagte gleichwertig.
Der Kläger hat erstinstanzlich vorgetragen,
die Kündigung sei deswegen unwirksam, da die Beklagte keine ordnungsgemäße Sozialauswahl durchgeführt habe. Insbesondere Herr T, der erst zum 01.07.2002 bei der Beklagten beschäftigt sei und Herr W seien sozial stärker als er. Hinzu komme, dass die Arbeitsverhältnisse von Herrn S und T, die seit dem 01.07.2002 bis zum 11.07.2004 lediglich aufgrund eines befristeten Arbeitsverhältnisses bei der Beklagten beschäftigt waren, zum 01.08.2004 entfristet wurden, obwohl zu diesem Zeitpunkt bereits die Tunnelofenschließung feststand und damit auch der betriebsbedingte Abbau von 26 Arbeitsplätzen. Die Beklagte hätte insofern, anstatt diese Arbeitsverhältnisse zu entfristen, dem Kläger einen dieser Arbeitsplätze an der Schrumpfanlage anbieten müssen.
Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 29.11.2004 aufgelöst wurde.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat vorgetragen,
die in der Schrumpfanlage eingesetzten vier Mitarbeiter, Herr T, Herr S, der Mitarbeiter R und der Mitarbeiter Q seien ein eingespieltes Team, in dem sich jeder auf jeden zu 100 % verlassen könne. Mit anderen Kommissionierern fehle es an einer Austauschbarkeit, da der Kläger ausschließlich nach vorgegebenen Anweisungen arbeiten könne, während die Arbeitskollegen in der Lage seien, mit Hilfe des EDV-Systems Kommissionierungen zu steuern. Da...