Entscheidungsstichwort (Thema)
Einstweilige Verfügung wegen Verletzung von Geschäftsgeheimnissen. Fehlende Dringlichkeit für Unterlassungsverfügung. Weitergabe von Dokumenten per Mail als Verletzung von Geschäftsgeheimnissen
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein Anspruch auf Offenlegung von Dokumenten ist erfolglos, wenn der Beklagte an Eides statt versichert, nicht im Besitz dieser Dokumente zu sein.
2. Die Weitergabe von Dokumenten per E-Mail ist vorliegend keine Verletzung von Geschäftsgeheimnissen.
Normenkette
GeschGehG §§ 1 ff.; ZPO §§ 835, 940; BGB § 823 Abs. 1, § 1004
Verfahrensgang
ArbG Koblenz (Entscheidung vom 29.10.2020; Aktenzeichen 5 Ga 32/20) |
Tenor
- Die Berufung der Verfügungsklägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 29.10.2020, Az.: 5 Ga 32/20, wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
- Gegen diese Entscheidung ist kein Rechtsmittel gegeben.
Tatbestand
Die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits streiten im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes darüber, ob die Verfügungsklägerin die Untersagung der Nutzung oder Offenlegung von Dokumenten durch die Verfügungsbeklagte verlangen kann.
Die Verfügungsklägerin stellt Inspektionsgeräte für Voll- und Leergut her und vertreibt diese Weltweit über Niederlassungen in ca. 18 Ländern.
Die Beklagte ist seit dem 01.10.2014 bei der Verfügungsklägerin als Sachbearbeiterin in Vertragsrecht in der Abteilung Controlling beschäftigt. Ihr Aufgabengebiet umfasst die Vertragsprüfung samt Abstimmung, Beratung und Übersetzung. Die Verfügungsklägerin hat das Arbeitsverhältnis zum 31.03.2020 ordentlich betriebsbedingte gekündigt; zwischenzeitlich hat sie weitere außerordentliche und ordentliche, verhaltensbedingte Kündigungen erklärt, die vor dem Arbeitsgericht Koblenz derzeit verhandelt werden.
§ 10 des Arbeitsvertrages der Parteien sieht in Punkt 1 u.a. vor, dass die Verfügungsbeklagte über die ihr bekannt gewordenen oder anvertrauten Geschäftsvorgänge sowohl während der Dauer des Vertragsverhältnisses als auch nach dessen Beendigung Dritten gegenüber Stillschweigen zu bewahren hat und diese nicht auf unlautere Art verwenden darf. Zudem sollte die Verfügungsbeklagte nach § 10.2 des Arbeitsvertrages verpflichtet sein, alle Geschäftsunterlagen, welche sie im Laufe ihrer Tätigkeit in dem Unternehmen erhielt oder erstellte, auf Verlangen der Verfügungsklägerin jederzeit bzw. spätestens bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses an diese zurückzugeben (auf den Arbeitsvertrag, vgl. Bl. 257 ff. d. A., wird verwiesen).
Auf die betriebsinternen Hinweise zu den Kommunikationseinrichtungen vom 18.05.2016 und vom 22.10.2019 wird verwiesen (vgl. Bl. 269 ff d.A.).
Ziff. 2 der Social Media Guidelines der Verfügungsklägerin, welche in deren Intranet für die Mitarbeiter abrufbar bereitgestellt wird, lautet:
"Natürlich steht die Wahrung von Betriebsgeheimnissen an erster Stelle. Allgemeine Richtlinien zu Kommunikation und Verhalten bleiben in ihrer Wirkung unangetastet. Interna dürfen nicht nach außen gelangen. Veröffentlicht nichts, das gehen Geheimhaltungspflichten verstoßen könnte. Offizielle Mitteilungen des Unternehmens erfolgen ausschließlich durch die Geschäftsleitung, die PR-Abteilung und speziell autorisierte Mitarbeiter."
Auf den weiteren Inhalt der Guidelines wird verwiesen (vgl. Bl. 283 ff d.A.).
Auf S. 6 des für die Mitarbeiter der Verfügungsklägerin verfassten Verhaltenskodexes heißt es unter der Überschrift "D - Umgang mit Informationen":
"1 Datenschutz und Datensicherung
Die HEUFT-Gruppe legt höchsten Wert auf einen vertraulichen Umgang mit Daten und Informationen. Jegliche Form von Missbrauch muss vermieden werden. Alle Informationen von Kunden, Lieferanten, Mitarbeitern sowie Dritten müssen gemäß den gesetzlichen und vertraglichen Anforderungen geschützt werden und dürfen deshalb nicht an Dritte weitergegeben werden.
(...)
Wir erwarten von unseren Mitarbeitern, (...), unsere Privatsphäre zu schützen. Insbesondere verbieten wir Handlungen oder Prüfungen, die die Möglichkeit bieten, Unternehmensinformationen oder personenbezogene Daten zu sammeln.
2 Vertraulichkeit
Es wird von allen Mitarbeitern erwartet, dass zu jeder Zeit über alle Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse, auch nach Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses, Verschwiegenheit gewahrt wird.
(...)"
Auf den weiteren Inhalt des Verhaltenskodex wird verwiesen (vgl. Bl. 286 ff d.A.).
Am 01.06.2018 übersandte sich die Verfügungsbeklagte um 16.45 Uhr von ihrer dienstlichen Email-Adresse an ihre private Email-Adresse das als Anlage A1 zur Akte gereichte Dokument (vgl. Bl. 13 ff d.A.), welches Kommentare und Modifizierungen zu vertraglichen Rahmenbedingungen der Verfügungsklägerin mit dem Kunden X. enthielt. Die Verfügungsbeklagte hatte das Dokument zuvor am 28.05.2018 von dem Syndikusanwalt der Verfügungsklägerin per Email an ihre dienstliche Email-Adresse erhalten.
Am 01.03.2018 übersandte sich die Verfügungsbeklagte um 09.18 Uhr von ihrer dienstlichen Email-Adresse an ihre private Email-Adresse das als Anlage A2 zur Akte gereichte Dok...