Entscheidungsstichwort (Thema)

Kausalzusammenhang zwischen Benachteiligungsgrund und Benachteiligung bei mittelbarer Diskriminierung nach § 3 Abs. 2 AGG. Erleichterte Darlegungs- und Beweislast nach § 22 AGG

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Geht es im Rechtsstreit um eine mittelbare Benachteiligung i.S.d. § 3 Abs. 2 AGG, ist der Kausalzusammenhang zwischen einem in § 1 AGG genannten Grund und der Benachteiligung dann gegeben, wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 Halbsatz 1 AGG erfüllt sind, ohne dass es eine direkte Anknüpfung an einen Grund i.S.d. § 1 AGG oder eines darauf bezogenen Motivs bedarf.

2. § 22 AGG sieht für den Rechtsschutz bei Diskriminierungen im Hinblick auf den Kausalzusammenhang eine Erleichterung der Darlegungslast, eine Absenkung des Beweismaßes und eine Umkehr der Beweislast vor. Wenn im Streitfall die eine Partei Indizien beweist, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes vermuten lassen, trägt die andere Partei die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat.

 

Normenkette

AGG §§ 1, 15 Abs. 2, §§ 22, 3 Abs. 1 S. 1, § 7 Abs. 1, § 3 Abs. 2, § 11

 

Verfahrensgang

ArbG Koblenz (Entscheidung vom 07.07.2021; Aktenzeichen 12 Ca 862/21)

 

Tenor

  • I.

    Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz - 12 Ca 862/21 - vom 07. Juli 2021 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

  • II.

    Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Zahlung einer angemessenen Entschädigung der Beklagten an den Kläger wegen eines behaupteten Verstoßes gegen das Benachteiligungsverbot wegen Alters nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG).

Der 1965 geborene Kläger war vom 1. Dezember 2017 bis zum 30. Juni 2020 bei der Beklagten als Projektleiter mit einem Bruttomonatsgehalt von zuletzt 4.500,00 Euro beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete durch arbeitgeberseitige Kündigung, die die Beklagte auf betriebsbedingte Gründe stützte. Die Beklagte erteilte dem Kläger unter dem Ausscheidensdatum ein qualifiziertes Arbeitszeugnis (Bl. 8 f. d. A.), in dem sie dem Kläger bescheinigte, dass seine Leistungen stets ihre volle Zufriedenheit gefunden haben. Wegen der weiteren Einzelheiten der Zeugnisformulierung wird auf den Akteninhalt verwiesen.

Der Kläger bewarb sich mit E-Mail vom 21. Dezember 2020 auf eine Stellenanzeige der Beklagten vom 17. Dezember 2020 (vgl. Bl. 5 f. d. A.), in der diese zum nächstmöglichen Zeitpunkt einen "Projektleiter (m/w/d)" suchte. Wegen der weiteren Anforderungen des Stellenprofils wird auf den Akteninhalt verwiesen. Die Beklagte erteilte dem Kläger mit E-Mail vom 18. Januar 2021 (vgl. Bl. 4 d. A.) eine Absage und begründete dies wie folgt:

"Nach Durchsicht aller eingegangenen Bewerbungen müssen wir Ihnen heute mitteilen, dass wir Sie nicht in den engeren Kreis der für die o. g. Position in Frage kommenden Kandidaten aufnehmen konnten. Bitte sehen Sie darin keine Abwertung Ihrer Person, Kenntnisse oder Qualifikation. Unsere Entscheidung beruht auf dem spezifischen Anforderungsprofil für diese Aufgabenstellung."

Mit Schriftsatz vom 07. April 2021, der am 8. April 2021 beim Arbeitsgericht Koblenz eingegangen ist und der Beklagten am 19. April 2021 zugestellt wurde, hat der Kläger gegen die Beklagte Klage auf angemessen Entschädigung wegen vermuteter Altersdiskriminierung erhoben.

Der Kläger hat erstinstanzlich die Auffassung vertreten, die Beklagte habe ihn wegen seines Alters benachteiligt. Er hat geltend gemacht, er erfülle die in der Stellenausschreibung vom 17. Dezember 2020 geforderten Qualifikationen ohne weiteres überdurchschnittlich und habe im Übrigen die dort beschriebenen Aufgaben während seiner früheren Tätigkeit für die Beklagte bereits jahrelang ausgeübt. Er war der Ansicht, dass wegen seines Alters und wegen des zeitlichen Zusammenhangs zwischen der angeblich betriebsbedingten Beendigung des Arbeitsverhältnisses und des Stellengesuchs die Vermutung bestehe, dass er wegen seines Alters im Rahmen des Einstellungsprozesses benachteiligt worden sei. Sein Alter von 56 Jahren könne jedenfalls bei einem Arbeitgeber, der einen Bewerber nicht persönlich kenne, die Vermutung erwecken, dass dieser möglicherweise wegen seines Alters in seiner Leistungsfähigkeit eingeschränkt sein könne. Daher sei eine Entschädigung in Höhe von drei Bruttomonatsgehältern à ca. 4.500,00 Euro zur Erzielung einer abschreckenden Wirkung angemessen.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn eine Entschädigung, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Ansicht vertreten, der Entschädigungsanspruch bestehe nicht. Der Vortrag des Klägers, sie habe ihn aus nicht näher dargestellten Gründen nicht eingestellt, reiche nicht aus, um aufgrund der vorgetragenen Indizien die Vermutung eines diskriminierenden Verhalten...

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