Entscheidungsstichwort (Thema)
Abmahnung. ultima-ratio-Prinzip. Fristlose Kündigung. Kündigung wegen wiederholter Unpünktlichkeiten bzw. Verspätungen. Interessenabwägung unter Berücksichtigung unpünktlicher Lohnzahlung durch Arbeitgeber
Leitsatz (redaktionell)
1. Wiederholte Unpünktlichkeiten bzw. Verspätungen des Arbeitnehmers beim Arbeitsantritt können – nach vorheriger Abmahnung – grundsätzlich eine verhaltensbedingte Kündigung, unter Umständen sogar eine außerordentliche Kündigung wegen Verstoßes gegen die Arbeitspflicht, rechtfertigen.
2. Im Rahmen der Interessenabwägung sind alle Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen, und dabei insbesondere auch die nicht ordnungsgemäße pünktliche Erfüllung der Lohnzahlungspflicht im streitgegenständlichen Zeitraum durch den Arbeitgeber.
Normenkette
BGB § 626; KSchG § 1 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Mainz (Urteil vom 16.11.2004; Aktenzeichen 2 Ca 809/04) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 07.09.2004 – 2 Ca 809/04 – hinsichtlich der Ziffer 3 teilweise abgeändert.
Die Klage wird in Höhe der ausgeurteilten 80,00 EUR nebst Zinsen abgewiesen.
2. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
3. Der Kläger hat 10%, die Beklagte hat 90% der Kosten beider Rechtszüge zu tragen.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits streiten über die Rechtswirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung, sowie darüber, ob dem Kläger noch Restlohnansprüche zustehen.
Der Kläger ist bei der Beklagten, die regelmäßig mehr als 5 Arbeitnehmer beschäftigt, seit dem 01.06.2000 als Raumausstatter, zuletzt zu einer monatlichen Bruttovergütung von 1.942,92 Euro tätig.
2004 kam die Beklagte mit der Lohnzahlung in Verzug. Das Gehalt für Januar 2004 wurde erst am 05.03.2004 gezahlt. Das Gehalt für Februar 2004 stand am 09.03.2004 noch aus.
Mit Anwaltsschreiben vom 10.03.2004, hinsichtlich dessen Inhalt auf Blatt 7,8 d.A. Bezug genommen wird, hat der Kläger unter Hinweis auf seine eigenen Zahlungsverpflichtungen u.a. den ausstehenden Betrag angemahnt.
Der Kläger hat vorgetragen,
die streitgegenständliche Kündigung sei gemäß § 612 a BGB unwirksam. Denn am 11.03.2004 habe ihm die Geschäftsführerin erklärt, sie habe sein Mahnschreiben erhalten; er solle das Auto und die Schlüssel abgeben und sich kurz vor Feierabend bei ihr melden. Als er dies getan habe, habe er die Kündigung erhalten. Zudem habe die Geschäftsführerin der Beklagten im Kündigungsschutzverfahren der Mitarbeiterin X im dortigen Verhandlungstermin vom 17.03.2004 erklärt, sie – die Geschäftsführerin – wolle sich auch von dem Kläger trennen, weil sie erfahren habe, dass dieser ein Verhältnis mit dieser Mitarbeiterin habe. Kündigungsgründe seien nicht gegeben.
Am 12.02.2004 habe er von 10.00 Uhr bis 19.00 Uhr arbeiten müssen und sei tatsächlich ca. 20 Minuten zu spät zur Arbeit erschienen. Der Grund hierfür sei Übelkeit und starkes Erbrechen gewesen. Er habe sich dennoch bemüht, zur Arbeit zu erscheinen. Es treffe nicht zu, dass er um 10.00 Uhr seine Tätigkeit bei dem Kunden Bauer habe aufnehmen sollen. Dies folge bereits daraus, dass er diverse Materialien zum Kunden habe mitnehmen müssen. Bereits um 11.00 Uhr sei dann ein weiterer Termin bei dem Kunden W vereinbart gewesen. Dies zeige, dass die Terminierung der Beklagten fehlerhaft gewesen sei. Zur weiteren Darstellung des Vorfalls W wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf S. 4 der angefochtenen Entscheidung (= Bl. 133 d.A.) Bezug genommen.
Am Samstag, dem 28.02.2004, sei er tatsächlich 55 Minuten zu spät zur Arbeit erschienen. Auch insoweit sei aber keine Pflichtverletzung gegeben, denn er habe ursprünglich an diesem Tag frei gehabt und daher seinem Vater schon länger versprochen gehabt, für dessen Neubau Material zu besorgen. Erst einen Tag zuvor habe ihm der Geschäftsführer gegen 16.45 Uhr mitgeteilt, dass er am nächsten Tag arbeiten müsse; die privaten Verpflichtungen seien egal. Er – der Kläger – habe insoweit lediglich zugesagt, dass er so schnell wie möglich zur Arbeit komme. Zur weiteren Darstellung dieses Vorfalls wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf S. 4, 5 der angefochtenen Entscheidung (= Bl. 133, 134 d.A.) Bezug genommen.
Am 11.03.2004 sei er wegen zähflüssigem Verkehr statt um 8.00 Uhr, um 8.04 Uhr im Betrieb erschienen. Dies könne die Mitarbeiterin V bestätigen, die mit ihm zusammen gefahren sei. Tatsächlich habe nicht die geringfügige Verspätung, sondern sein Mahnschreiben zur Kündigung geführt.
Wegen der Unwirksamkeit der streitgegenständlichen Kündigung habe er für den restlichen Monat März 2004 aus dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges noch einen (Rest-)lohnanspruch i.H.v. 1.183,01 EUR.
Im Übrigen habe die Beklagte von seinem Nettolohn regelmäßig vermögenswirksame Leistungen einbehalten, diese aber für die Monate April 2003 und Februar 2004 i.H.v. jeweils 40 EUR nicht auf sein Konto eingezahlt (vgl. Bl. 32 ff. d.A.). Entsprechendes gelte für die Einzahlung ...