Entscheidungsstichwort (Thema)
Wirksamkeit der Kündigung nicht am Maßstab des Kündigungsschutzgesetzes zu bemessen bei einer Nichterfüllung der Wartezeit von 6 Monaten im Falle eines auf Probe abgeschlossenen Arbeitsvertrages
Leitsatz (redaktionell)
1. Während der Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG besteht für den Arbeitgeber Kündigungsfreiheit.
2. Aus dem bloßen Weglassen einer Probezeitvereinbarung kann nicht geschlossen werden, dass der Arbeitgeber auf die Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG verzichten wollte. Vielmehr liegt darin lediglich ein Verzicht auf die verkürzte Kündigungsfrist des § 622 Abs. 3 BGB.
3. Eine Kündigung in der Wartezeit verstößt nur dann gegen § 242 BGB, wenn sie Treu und Glauben aus Gründen verletzt, die von § 1 KSchG nicht erfasst sind. Eine solche Kündigung ist aber schon dann nicht willkürlich, wenn für sie ein irgendwie einleuchtender Grund besteht.
Normenkette
BGB § 242; KSchG § 1 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Mainz (Entscheidung vom 02.08.2023; Aktenzeichen 10 Ca 229/23) |
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 2. August 2023, Az. 10 Ca 229/23, wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung vom 31. Januar 2023 und eines Aufhebungsvertrags zum 30. Juni 2023.
Der 1969 geborene Kläger (verheiratet, ein Kind) wurde von der Beklagten mit Wirkung ab 29. August 2022 als Regionalleiter zu einem Monatsverdienst von € 6.000,00 brutto eingestellt. Der schriftliche Arbeitsvertrag vom 9. August 2022 enthielt ua. folgende Regelung:
"5. Kündigung und Vertragsende
Nach Ablauf der Probezeit ist das Arbeitsverhältnis nach den gesetzlichen Kündigungsfristen kündbar. Als Probezeit gelten die ersten sechs Monate des Arbeitsverhältnisses. Innerhalb der Probezeit ist beiderseits eine Kündigung unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von zwei Wochen zulässig. ..."
Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis innerhalb der Probezeit mit Schreiben vom 3. zum 17. Dezember 2022. Im Nachgang kam es zu Gesprächen zwischen den Parteien zum Hintergrund der Probezeitkündigung und einer möglichen weiteren Zusammenarbeit; Einzelheiten sind streitig. Die Beklagte übersandte dem Kläger schließlich per E-Mail am 12. Dezember 2022 einen Arbeitsvertrag als Marktleiter mit einem Monatsverdienst von € 4.900,00 brutto sowie einen Aufhebungsvertrag zum 30. Juni 2023. Die Parteien unterschrieben beide Verträge. Der Arbeitsvertrag vom 12. Dezember 2022 enthält auszugsweise die nachfolgenden Regelungen:
"§ 1 Tätigkeit
1. Der Arbeitnehmer wird mit Wirkung vom 01.12.2022 als Marktleitung beschäftigt.
2. Der Arbeitnehmer durchläuft die Einarbeitung zum Regionalleiter. Es wird vereinbart, dass nach erfolgter Einarbeitung im Dezember 2023 ein Gespräch zur möglichen Übernahme der Tätigkeit als Regionalleiter sowie zur Regionsaufteilung zwischen Geschäftsleitung und Arbeitnehmer geführt wird.
...
§ 3 Beendigung
1. Das Arbeitsverhältnis kann beidseitig mit einer Frist von 4 Wochen zum 15. oder zum Monatsende gekündigt werden. Soweit dem Arbeitnehmer aufgrund gesetzlicher Vorschriften durch den Arbeitgeber nur mit einer verlängerten Kündigungsfrist gekündigt werden kann, gilt diese Kündigungsfrist auch für eine Kündigung seitens des Arbeitnehmers. ..."
Der Aufhebungsvertrag vom 12. Dezember 2022 hat ua. folgenden Wortlaut:
"1. Beendigung des Arbeitsverhältnisses
Das bestehende Arbeitsverhältnis endet im gegenseitigen Einvernehmen mit Ablauf des 30.06.2023."
Der Kläger wurde nach Vertragsschluss als Leiter des Marktes in Mainz eingesetzt, er durfte den als Regionalleiter erhaltenen Firmenwagen weiterhin dienstlich und privat nutzen. Nach dem Verlust eines MDE-Geräts im Wert von € 1.200,00 in diesem Markt kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 31. Januar 2023, dem Kläger am selben Tag zugegangen, ordentlich zum 28. Februar 2023. Mit seiner am 21. Februar 2023 beim Arbeitsgericht Mainz eingegangenen Klage wehrt sich der Kläger gegen die Kündigung der Beklagten sowie gegen eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den Aufhebungsvertrag zum 30. Juni 2023.
Der Kläger ist der Ansicht, die Kündigung vom 31. Januar 2023 sei sozialwidrig. Die Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG sei bei Abschluss des neuen Arbeitsvertrags vom 12. Dezember 2022 in Verbindung mit der Aufhebungsvereinbarung nach der Vertragsgestaltung und den Umständen bei Vertragsschluss wirksam abbedungen worden. Die Beklagte habe vor den Feiertagen und dem Jahreswechsel dringend einen Marktleiter benötigt. Er sei hierfür grundsätzlich geeignet, aber der Beklagten zu teuer gewesen. Deshalb habe sie die Probezeitkündigung vom 3. Dezember 2022 ausgesprochen und ihm anschließend das neue Vertragsangebot offenkundig zur Gehaltsreduzierung unterbreitet. Aus dem Fehlen einer weiteren Probezeit und der Regelung in § 1 Nr. 2 des neuen Arbeitsvertrags in Kombination mit dem Aufhebungsvertrag zum 30. Juni 2023 ergebe sich daher der sofortige Erhal...