Entscheidungsstichwort (Thema)

Regelungssperre. Tarifautonomie. Entgeltkürzung durch Betriebsvereinbarung

 

Leitsatz (redaktionell)

Gemäß § 77 Abs. 3 BetrVG können Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung seien. Die Vorschrift gewährleistet die Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie. Dazu räumt sie den Tarifvertragsparteien den Vorrang zur Regelung von Arbeitsbedingungen ein. Diese Befugnis soll nicht durch ergänzende oder abweichende Regelungen der Betriebspartner ausgehöhlt werden. Eine gegen die Regelungssperre des § 77 Abs. 3 S. 1 BetrVG verstoßende Betriebsvereinbarung ist unwirksam. Dieses Verständnis des § 77 Abs. 3 BetrVG entspricht der herrschenden Meinung in Literatur und Rechtsprechung. Soweit das Arbeitsgericht Düsseldorf in seinem Urteil vom 06.06.1997, 3 Ca 414/97, eine davon abweichende Rechtsauffassung vertreten hat, schließt sich die Berufungskammer dieser Mindermeinung mit Rücksicht auf den Wortlaut sowie den Sinn und Zweck des § 77 Abs. 3 S. 1 BetrVG nicht an.

 

Normenkette

BetrVG § 77 Abs. 3; BGB §§ 133, 140

 

Verfahrensgang

ArbG Kaiserslautern (Urteil vom 12.04.2007; Aktenzeichen 2 Ca 310/07)

 

Tenor

I. Unter Zurückweisung der Berufung im übrigen wird auf die Berufung der Beklagten das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 12. April 2007 – 2 Ca 310/07 – teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

  1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1064,40 EUR brutto nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.02.2007 zu zahlen; im übrigen wird die sich auf den Monat Januar 2007 beziehende Zahlungsklage abgewiesen.
  2. [–unverändert–] Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1831,43 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 15.02.2007 zu zahlen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits haben die Parteien wie folgt zu tragen:

  1. die des erstinstanzlichen Verfahrens der Kläger zu ¼ und die Beklagte zu ¾

    und

  2. die des Berufungsverfahrens der Kläger zu 9/20 und die Beklagte zu 11/20.

III. Der Streitwert beträgt

für das erstinstanzliche Verfahren

3749,40 EUR und

für das Berufungsverfahren

1917,97 EUR.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der am 11.12.1958 geborene Kläger ist seit dem 06.04.1988 in dem Betrieb beschäftigt, den seit dem 01.01.2007 die Beklagte führt. Die Schleifmittelwerk P. L. & Sohn GmbH & Co. KG (– folgend: L. KG) hat den Betrieb an die Beklagte verpachtet.

Den Lohnabrechnungen für November 2006 und Dezember 2006 (Bl. 6 f. d.A.; angegebene „Einheiten”: 152,25 Std.) entsprechend zahlte die L. KG dem Kläger für diese beiden Monate u.a. jeweils

– ein Gehalt gemäß „Gehaltsgruppe M3 7” in Höhe von

3146,00 EUR brutto und

– eine Leistungszulage (= 5 % des Gehalts) in Höhe von

158,00 EUR

– zusammen insoweit also

3304,00 EUR brutto.

Die Entgeltabrechnung für den Monat November 2006 weist bei den Bruttobeträgen (dort Lohnart „020”) u.a. den Betrag von 160,36 EUR brutto aus „zusätz. betriebl. SZ”). Die Entgeltabrechnung für Dezember 2006 führt die Lohnart „020 … zusätz. betriebl. SZ” nicht auf.

Die Beklagte zahlte dem Kläger gemäß der Entgeltabrechnung (Bl. 54 d.A.; angegebene „Einheiten”: 165,30 Std.) für Januar 2007 u.a.

– ein Entgelt gemäß „Entgeltgruppe E 5 in Höhe von

2036,00 EUR brutto und

– eine Leistungszulage (= 10 % Prozent davon) in Höhe von

203,60 EUR brutto

– zusammen insoweit also

2239,60 EUR brutto.

Im Februar 2007 erhob der Kläger Zahlungsklage gegen die Beklagte mit der Behauptung, dass sich das maßgebliche Gesamteinkommen des Klägers auf 3330,59 EUR brutto pro Monat belaufen habe. Zur näheren Darstellung (insbesondere) des (erstinstanzlichen) Sach- und Streitstandes im übrigen wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts vom 12.04.2007 – 2 Ca 310/07 – (dort S. 2 f. = Bl. 16 f. d.A.). Nach näherer Maßgabe des Urteilstenors (Bl. 16 d.A.) hat das Arbeitsgericht die Beklagte verurteilt, dem Kläger – jeweils nebst Zinsen – zu zahlen:

  • 3330,59 EUR brutto abzüglich 1412,62 EUR netto (für Januar 2007) und
  • 1831,43 EUR brutto (Weihnachtsgeld/Sonderzahlung für das Jahr 2006).

Gegen das der Beklagten am 02.05.2007 zugestellte Urteil vom 12.04.2007 – 2 Ca 310/07 – hat die Beklagte am 14.05.2007 Berufung eingelegt und diese – innerhalb verlängerter Berufungsbegründungsfrist – am 20.07.2007 begründet. Zwecks Darstellung aller Einzelheiten der Berufungsbegründung wird auf den Schriftsatz der Beklagten vom 20.07.2007 (Bl. 36 ff. d.A.) verwiesen.

Die Berufung richtet sich (nur) gegen die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung der für den Monat Januar 2007 eingeklagten Vergütung.

Die Beklagte wendet in der Berufungsbegründung u.a. ein, dass es nicht zutreffe, dass auf das Arbeitsverhältnis der Parteien die Tarifverträge der Metall- und Elektroindustrie Anwendung fänden. Damit entfielen die Berechnungsgrundlagen für den mit der Klage geltend gemachten we...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge