Entscheidungsstichwort (Thema)
Mitbestimmung des Betriebsrats. Lebensaltersstufen. Bewährungsaufstieg
Leitsatz (redaktionell)
1. Gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG hat der Betriebsrat mitzubestimmen bei Fragen der betrieblichen Lohngestaltung, insbesondere bei der Aufstellung von Entlohnungsgrundsätzen und der Einführung und Anwendung neuer Entlohnungsmethoden, sowie deren Änderung. Ändert der Arbeitgeber nicht nur die absolute Höhe der Vergütung bestimmter Arbeitnehmer um einen bestimmten Prozentsatz, sondern greift er einseitig in die Struktur der bestehenden Vergütungsordnung ein, indem er den Bewährungsaufstieg und die Differenzbeträge zwischen Lebensaltersstufen aufgibt, verstößt er gegen § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG, wenn der Betriebsrat nicht zuvor zugestimmt hat.
2. Eine einseitige vertragliche Verfallfrist ist nichtig, weil sie einseitig den Rechtsverlust zu Lasten des Arbeitnehmers, nicht aber zu Lasten des Arbeitgebers vorsieht, wenn Ansprüche aus dem Beschäftigungsverhältnis nicht rechtzeitig geltend gemacht worden sind.
Normenkette
TVG § 4 Abs. 1; BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 10; BGB § 242
Verfahrensgang
ArbG Kaiserslautern (Urteil vom 12.06.2003; Aktenzeichen 6 CA 1255/01 PS) |
Tenor
1.Die Berufung und die Anschlussberufung gegen dasUrteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern – Auswärtige Kammern Pirmasens – vom12.06.2003 – 6 Ca 1255/01 – werden zurückgewiesen.
2.Die Klägerin/der Kläger hat 23 % der Kosten des Berufungsverfahrens, der Beklagte 77 % der Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3.Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits streiten über die der Kläger/dem Kläger zustehende Vergütung.
Der Beklagte ist ein freier Träger der Jugend-, Sozial- und Bildungsarbeit mit Sitz in X. Er unterhält Bundesweit über 600 Einrichtungen. Beim Beklagten kamen Haustarifverträge zur Anwendung, die zum 31.12.1997 gekündigt worden waren.
Der am 16.01.1958 geborene Kläger wurde vom Beklagten vom 01.11.1997 bis 31.08.2000 beschäftigt. Am 24.07.1998 schlossen die Parteien einen neuen Arbeitsvertrag mit Wirkung ab dem 01.09.1998.
Die Parteien vereinbarten ein Monatsgehalt in Höhe von 5.272,21 DM. In Ergänzung des Arbeitsvertrages vereinbarten die Parteien zugleich, dass sich der Gehaltsbetrag gliedere in eine Grundvergütung in Höhe von 3.460,16 DM, einen Orts-/Sozialzuschlag in Höhe von 1.531,78 DM und eine allgemeine Zulage in Höhe von 199,27 DM. Die Grundvergütung entspricht der Vergütung gem. Eingruppierung in die Vergütungsgruppe IV a und ab dem 01.07.1999 in die Vergütungsgruppe III des gekündigten Tarifvertrages „Tätigkeitsmerkmale für die Mitarbeiter/innen des Internationalen Bundes”.
Der Arbeitsvertrag der Parteien sieht in § 13 folgende Verfallfrist vor:
„Ansprüche auf Leistungen, die sich aus dem Arbeitsverhältnis ergeben, müssen innerhalb einer Ausschlussfrist von sechs Monaten nach ihrer Fälligkeit schriftlich bei der Zentralen Geschäftsführung/Ressort Personal – Recht geltend gemacht werden. Nicht geltend gemachte Ansprüche erlöschen.”
In § 15 des Arbeitsvertrages ist geregelt:
„Sofern der iB zu einem späteren Zeitpunkt einer tariflichen Regelung unterliegt oder einen Haustarifvertrag abschließt, werden dessen Regelungen zum Inhalt des Arbeitsverhältnisses, ohne Rücksicht darauf, ob der Arbeitnehmer Mitglied der tarifvertragsschließenden Gewerkschaft ist und ohne Rücksicht darauf, ob die Regelungen günstiger oder ungünstiger sind.”
Die Klägerin/der Kläger hat vorgetragen,
der Beklagte habe am 01.01.1998 ohne Zustimmung des Betriebsrats ein neues betriebliches Vergütungssystem eingeführt, das für die Gehaltsfindung bei allen neuen Vertragsabschlüssen die tariflich vorgesehenen Lebensalterstufen und Bewährungsaufstiege nicht mehr berücksichtige. Aus diesem Grunde sei die Vergütungsabrede im Arbeitsvertrag unwirksam. Er habe Anspruch auf die im Betrieb übliche Vergütung. Dies sei die Vergütung die den zumindest nachwirkenden Tarifverträgen entspreche. Die Ansprüche seien auch nicht verfallen. Denn die im Arbeitsvertrag vereinbarte Ausschlussfrist sei unwirksam, da es sich um eine einseitige Ausschlussfrist handele, die einer Inhaltskontrolle nach §§ 242, 315 BGB nicht standhalte. Zudem sei eine Geltendmachung der Ansprüche bereits im Schreiben vom 09.08.2000 erfolgt
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 10.014,83 EUR brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz des § 1 DÜG seit Klagezustellung zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hat vorgetragen,
Ansprüche würden sich weder aus dem Tarifvertrag, noch aus der Theorie der Wirksamkeitsvoraussetzung ergeben. Insbesondere könne sich aus der Verletzung von Mitbestimmungsrechten ein individualrechtlicher Anspruch nicht ergeben, der zuvor noch nicht bestanden habe. Ein Anspruch folge auch nicht aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz. Sachliches Abgrenzungskriterium sei das Entfallen der zwingenden Wirkung des Tarifvertrages nach Ablauf der Kündigungsfr...