Entscheidungsstichwort (Thema)
Fahrlässigkeit. Haftungsausschluss. betrieblich veranlasste Tätigkeit. Schadensersatz. Haftungsprivilegierung. leichte Fahrlässigkeit
Leitsatz (amtlich)
Durch ein Verbot, ein dienstlich genutztes Firmenfahrzeug nicht ohne zusätzliche Einweisung durch eine dritte Person im öffentlichen Straßenverkehr rückwärts zu bewegen, auch beim Ausparken, wird der Haftungsmaßstab bei fahrlässig verursachten Schäden nicht verändert.
Normenkette
BGB §§ 249, 619a
Verfahrensgang
ArbG Mainz (Urteil vom 06.10.2010; Aktenzeichen 4 Ca 852/10) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 06.10.2010, Az: 4 Ca 852/10, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten im Berufungsverfahren noch um einen widerklagend von der erstinstanzlich verklagten Arbeitsgeberin geltend gemachten Schadensersatzanspruch. Vom 01.10.2009 bis 28.10.2009 war die Klägerin bei der Beklagten, die einen mobilen Kranken- und Altenpflegedienst betreibt, als Krankenpflegerin beschäftigt. Das Bruttogehalt betrug 1.865,00 EUR. Nach § 19 des schriftlichen Arbeitsvertrages vom 18.09.2009 verfallen alle sich aus dem Arbeitsverhältnis ergebenden Ansprüche, die nicht binnen einer Frist von drei Monaten ab Fälligkeit gegenüber dem Vertragspartner oder gerichtlich binnen einer Frist von weiteren drei Monaten geltend gemacht werden.
Die Beklagte zahlte der Klägerin weder Gehalt für Februar 2010 noch Überstundenvergütung für Dezember 2009 bis Februar 2010. Gegenüber der Gesamtforderung hat sie die Aufrechnung mit Schadenersatzansprüchen erklärt.
Die Klägerin war verpflichtet einen im Eigentum der Beklagten stehenden Pkw zur Durchführung ihrer Arbeitstätigkeit zu nutzen.
Die Beklagte stellte ein Dienstvorschrift auf, in der es unter Ziffer 3.3 wörtlich heißt:
„3.3 Das Rückwärtsfahren mit Dienstkraftfahrzeugen wird untersagt, sofern nicht
eine weitere bekannte Person (z. B. Beifahrer) außerhalb des Fahrzeuges für die sichere Einweisung der Fahrt Sorge trägt.
Eine Ausnahme bildet das Einparken in eine Parkbucht ein, soweit Rückwärtsfahren dabei dringend erforderlich ist und eine besondere Sorgfalt des Fahrzeugsführers beachtet wird.”
Bereits am 23.12.2009 fuhr die Klägerin mit einem Dienstfahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen: XX beim Ausparken rückwärts und berührte einen dabei hinter ihr stehendes Fahrzeug. Am 11.01.2010 fuhr die Klägerin erneut mit dem Dienstfahrzeug der Beklagten mit dem amtlichen Kennzeichen: XX rückwärts aus einem Parkplatz und stieß dabei mit einem auf der Straße fahrenden Fahrzeug zusammen.
Die Klägerin hat vorgetragen, bei dem Unfall vom 23.12.2009 sei weder an ihrem Fahrzeug noch am Pkw des Unfallgegners ein Sachschaden entstanden. Beide Unfälle habe sie allenfalls leicht fahrlässig verursacht. Am 11.01.2010 habe sie rückwärts aus einer Parklücke ausgeparkt als ein auf der Gegenspur fahrendes Fahrzeug seinerseits einem ausfahrenden Fahrzeug ausweichen musste, dabei auf seine Gegenfahrbahn geriet und dort mit ihr zusammengestoßen sei.
Ein Anspruch der Beklagten auf Ersatz des am 23.12.2009 entstandenen Schadens sei verfallen. Das Verbot des Rückwärtsfahrens in der Modifikation der Dienstanweisung sei nicht mit der Realität vereinbar, da die Dienstfahrzeuge in der Regel ohne Beifahrer geführt würden und ein Rückwärtsfahren häufig nicht vermeidbar sei.
Die Klägerin hat die Lohnansprüche eingeklagt, die Beklagte Klageabweisung beantragt und widerklagend beantragt,
die Klägerin zur Zahlung von 3.764,63 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit an sie zu verurteilen.
Die Klägerin hat beantragt,
die Widerklage abzuweisen.
Zur Begründung der Widerklage hat die Beklagte vorgetragen, die Unfälle vom 23.12.2009 und 11.01.2010 seien von der Klägerin grob fahrlässig verursacht worden. Sie habe nicht nur die im Verkehr erforderliche Sorgfalt missachtet, sondern zudem gegen die Dienstanweisung verstoßen, wonach das Rückwärtsfahren bei einem Parkvorgang verboten sei. Sie habe aus Parklücken ausgeparkt und sich dabei nicht durch einen Blick nach hinten, sondern sich lediglich über den Rückspiegel vergewissert, ob sich hinter ihr ein anderes Fahrzeug befindet.
Die Ersatzansprüche habe sie erst nach Abschluss der Regulierung durch ihren Haftpflichtversicherer im Juli 2010 beziffern und damit geltend machen können.
Wegen der Einzelheit der Schadensberechnung wird auf den Schriftsatz der Beklagten vom 14.06.2010 Bezug genommen. Die Beklagte macht Schadensersatz wegen Höherstufung in Kasko- und Haftpflichtversicherung, Selbstbeteiligung, Verwaltungskosten, Wertminderung des Kfzs geltend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes erster Instanz wird auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Mainz vom 06.10.2010 verwiesen. In diesem Urteil hat das Arbeitsgericht der Klage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Es hat im Wesentlichen ausgeführt, Ansprüche auf Schadensersatz bestünden nicht....