Entscheidungsstichwort (Thema)
Unbegründete außerordentliche Kündigung eines Chefarztes wegen Konkurrenztätigkeit infolge unwirksamer Kündigungen
Leitsatz (redaktionell)
1. Während des rechtlichen Bestehens eines Arbeitsverhältnisses ist einem Arbeitnehmer grundsätzlich jede Konkurrenztätigkeit zum Nachteil seiner Arbeitgeberin untersagt; die für Handlungsgehilfen geltende Regelung des § 60 Abs. 1 HGB konkretisiert einen allgemeinen Rechtsgedanken.
2. Bei der Bestimmung der Reichweite des Wettbewerbsverbots muss die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit des Arbeitnehmers Berücksichtigung finden; daher ist im Rahmen einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls festzustellen, ob nach Art der Haupt- und Nebentätigkeit und der beteiligten Unternehmen überhaupt eine Gefährdung oder Beeinträchtigung der Interessen der Arbeitgeberin vorliegt.
3. Der Arbeitnehmer unterliegt dem Verbot des § 60 Abs. 1 HGB nicht, wenn die Arbeitgeberin ihre Einwilligung erteilt hat, dass der Arbeitnehmer ein Gewerbe betreibt oder Geschäfte in ihrem Marktbereich macht; die Einwilligung ist eine Willenserklärung, die ausdrücklich oder stillschweigend vor, während und nach der verbotenen Tätigkeit abgegeben werden und sich nur auf einzelne Konkurrenzgeschäfte oder auf jegliche Konkurrenztätigkeit beziehen kann.
4. Eine konkludent erteilte Einwilligung kann insbesondere dann anzunehmen sein, wenn die Arbeitgeberin trotz Kenntnis von Konkurrenzgeschäften nicht einschreitet, es sei denn, dass ihr dies nicht möglich ist.
5. Ist die vom Arbeitnehmer aufgenommene (Konkurrenz-) Tätigkeit erst durch unwirksame Kündigungen der Arbeitgeberin ausgelöst worden, sind die aus § 615 Satz 2 BGB herzuleitenden Interessen des Arbeitnehmers an der anderweitigen Verwendung seiner Arbeitskraft für die Beurteilung erheblich, ob und mit welchem Gewicht ihm die Tätigkeit für ein Konkurrenzunternehmen vorwerfbar ist; wenn der Arbeitnehmer am gekündigten Arbeitsverhältnis festhalten will, geht es ihm mit der Aufnahme einer anderweitigen Tätigkeit für ein Konkurrenzunternehmen zur Verwertung seiner Arbeitskraft ersichtlich nur um eine Übergangslösung, die der Rückkehr zur bisherigen Arbeitgeberin nicht entgegensteht und für diese keine anhaltende Konkurrenz bedeutet.
Normenkette
BGB § 241 Abs. 2, § 626; HGB § 60 Abs. 1; GG Art. 12 Abs. 1; BGB § 615 S. 2
Verfahrensgang
ArbG Koblenz (Entscheidung vom 25.02.2014; Aktenzeichen 7 Ca 3959/12) |
Tenor
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer fristlosen, hilfsweise ordentlichen Kündigung vom 10. September 2009 sowie einer weiteren außerordentlichen fristlosen Kündigung vom 31. Oktober 2012.
Der Kläger war seit 01. Juli 2005 als Chefarzt der Abteilung für Allgemein- und Viszeralchirurgie des S. in A-Stadt aufgrund schriftlichen Arbeitsvertrages vom 18. April 2005 beschäftigt.
Die Beklagte hatte gegenüber dem Kläger bereits mit Schreiben vom 26. September 2008, 14. Oktober 2008 und 22. Oktober 2008 jeweils eine außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung ausgesprochen. Das Arbeitsgericht Koblenz hat in dem unter dem Aktenzeichen 6 Ca 1752/08 geführten Vorprozess der Parteien mit Urteil vom 11. März 2009 der gegen diese Kündigungen gerichteten Kündigungsschutzklage des Klägers stattgegeben. Diese Entscheidung ist inzwischen rechtskräftig (LAG Rheinland-Pfalz 22. Februar 2011 - 3 Sa 474/09 - und BAG 25. Oktober 2012 - 2 AZR 495/11 -).
In der Zeit vom 01. Februar 2009 bis 31. August 2009 war der Kläger als Chefarzt der chirurgischen Abteilung im D. in M-Stadt beschäftigt. Das S. in A-Stadt und das D. in M-Stadt sind Krankenhäuser der Grund- und Regelversorgung. Die Entfernung zwischen den beiden Krankenhäusern beträgt 104 km Luftlinie und 151 km auf den Verkehrsstraßen. Die Fahrzeit von M-Stadt nach A-Stadt beträgt mit dem Auto mindestens drei Stunden und mit der Bahn mindestens dreieinhalb Stunden. Bei der Beklagten werden jährlich ca. 9.000 Patienten behandelt.
Wegen der Aufnahme dieser Tätigkeit des Klägers im D. in M-Stadt und des hierin nach Ansicht der Beklagten liegenden Verstoßes gegen das Wettbewerbsverbot hat die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger bereits mit Schreiben vom 26. März 2009 fristlos, hilfsweise zum nächstmöglichen ordentlichen Kündigungstermin gekündigt. Der vom Kläger gegen diese Kündigung erhobenen Kündigungsschutzklage hat das Arbeitsgericht Koblenz mit Urteil vom 02. September 2009 - 6 Ca 650/09 - stattgegeben. Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten ist vom Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz mit - inzwischen rechtskräftigem - Urteil vom 18. Dezember 2012 - 3 Sa 500/12 - zurückgewiesen worden. In dem unter dem Aktenzeichen 6 Ca 650/09 geführten Kündigungsschutzverfahren vor dem Arbeitsgericht Koblenz hat der Kläger mit Schriftsatz vom 31. August 2009 (S. 2) u. a. fol...