Entscheidungsstichwort (Thema)
Durchsetzung eines Weiterbeschäftigungsanspruchs im Wege einstweiliger Verfügung während des laufenden Kündigungsschutzprozesses
Leitsatz (redaktionell)
Ein Weiterbeschäftigungsanspruch des gekündigten Arbeitnehmers besteht außer im Falle einer offensichtlich unwirksamen Kündigung erst dann, wenn der Arbeitnehmer im Kündigungsschutzprozess ein obsiegendes Urteil erstritten hat. Bis zur Entscheidung der ersten Instanz im Kündigungsschutzprozess ist nach Ablauf der Kündigungsfrist ein überwiegendes Interesse des Arbeitgebers an der Nichtbeschäftigung des gekündigten Arbeitnehmers anzuerkennen.
Normenkette
BetrVG § 102; ZPO §§ 935, 940
Verfahrensgang
ArbG Koblenz (Entscheidung vom 25.09.2014; Aktenzeichen 5 Ga 60/14) |
Tenor
Die Berufung des Verfügungsklägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 25.09.2014, Az. 5 Ga 60/14, wird kostenpflichtig als unzulässig verworfen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt von der Beklagten mit einstweiliger Verfügung seine Weiterbeschäftigung, hilfsweise seine Freistellung, während eines laufenden Kündigungsprozesses.
Der 1963 geborene Kläger ist bei der Beklagten seit 01.03.2009 zuletzt als Fertigungsleiter zu einem Bruttomonatsgehalt von ca. € 6.800,- angestellt. Die Beklagte beschäftigt ca. 200 Arbeitnehmer; es besteht ein Betriebsrat. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 27.05.2014 ordentlich zum 31.08.2014. Gegen diese Kündigung wehrt sich der Kläger mit seiner am 12.06.2014 vor dem Arbeitsgericht Koblenz erhobenen Kündigungsschutzklage (Az. 5 Ca 2268/14). Das Arbeitsgericht hat Kammertermin am 30.04.2015 bestimmt.
Der Betriebsrat hat auf die Anhörung der Beklagten zur ordentlichen Kündigung mit Schreiben vom 23.05.2014 reagiert, das - auszugsweise - wie folgt lautet:
"Sehr geehrte Herren,
der Betriebsrat hat gegen die beabsichtigte Kündigung Bedenken und verweigert hiermit seine Zustimmung.
Begründung wie folgt: ..."
Mit Schriftsatz vom 05.09.2014 leitete der Kläger das vorliegende einstweilige Verfügungsverfahren ein. Von einer weitergehenden Darstellung des unstreitigen Tatbestands und des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen und auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Koblenz vom 25.09.2014 Bezug genommen.
Der Verfügungskläger hat erstinstanzlich beantragt,
der Beklagten bei Meidung eines vom Gericht festzusetzenden Zwangsgeldes bzw. Zwangshaft aufzugeben, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsrechtsstreits gem. Arbeitsvertrag vom 03.02.2009 mit Nachträgen vom 03.12.2010 und 11.01.2013 mit aktueller Stellenbeschreibung vom 01.01.2013 weiter zu beschäftigen,
hilfsweise,
der Beklagten bei Meidung eines vom Gericht festzusetzenden Zwangsgeldes bzw. Zwangshaft aufzugeben, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsrechtsstreits unwiderruflich freizustellen.
Die Verfügungsbeklagte hat beantragt,
die Anträge abzuweisen.
Das Arbeitsgericht hat die Anträge mit Urteil vom 25.09.2014 abgewiesen und zur Begründung - zusammengefasst - ausgeführt, der Kläger habe keinen Verfügungsanspruch auf Weiterbeschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsrechtsstreits. Ein Anspruch folge nicht aus § 102 Abs. 5 BetrVG, denn der Betriebsrat habe der ordentlichen Kündigung nicht iSd. § 102 Abs. 3 BetrVG widersprochen, sondern lediglich Bedenken geäußert. Das Schreiben des Betriebsrats vom 23.05.2014 an die Beklagte enthalte keinen Widerspruch im Rechtssinne.
Die Beklagte sei auch nicht aufgrund des allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruchs verpflichtet, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsrechtsstreits weiterzubeschäftigen. Außer im Falle einer offensichtlich unwirksamen Kündigung begründe die Ungewissheit über den Ausgang des Kündigungsprozesses ein schutzwertes Interesse des Arbeitgebers an der Nichtbeschäftigung des gekündigten Arbeitnehmers für die Dauer des Rechtsstreits. Dieses überwiege in der Regel das Beschäftigungsinteresse des Arbeitnehmers bis zu dem Zeitpunkt, in dem im Kündigungsprozess ein die Unwirksamkeit der Kündigung feststellendes Urteil ergehe. Im Streitfall begründe die Ungewissheit über den Ausgang des Kündigungsrechtsstreits ein schutzwertes Interesse der Beklagten an der Nichtbeschäftigung des Klägers, denn die ordentliche Kündigung vom 27.05.2014 sei nicht offensichtlich unwirksam. Eine offensichtliche Unwirksamkeit sei insb. nicht deshalb anzunehmen, weil der Kläger behaupte, er habe vier Monate nichts von den Kündigungsgründen erfahren, seine Karriere werde ein Ende finden für den Fall der Nichtweiterbeschäftigung, im Übrigen stünde eine familiäre Veränderung an, wenn er eine neue Arbeitsstelle im süddeutschen Raum antreten müsste.
Auch der Hilfsantrag auf unwiderrufliche Freistellung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsrechtsstreits sei unbegründet. Die ordentliche Kündigungsfrist sei am 31.08.2014 abgelaufen. In § 7 Abs. 4 des Arbeitsvertrags sei zwar geregelt, dass die Beklagte den Kläger jederzeit bei W...