Entscheidungsstichwort (Thema)

Altersteilzeit. Cemische Industrie. Überforderungsschutz. Anspruch auf Altersteilzeit in der chemischen Industrie

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der tarifliche Anspruch auf Begründung eines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses nach § 2 TV ATZ richtet sich auf ein Altersteilzeitarbeitsverhältnis nach dem Altersteilzeitarbeitsmodell I und nicht auf ein solches im sog. Blockmodell.

2. „Betrieb” im Sinne des § 3 TV ATZ (Überforderungsschutz) ist nur ein selbständiger Betrieb im Sinne des BetrVG, nicht jedoch ein Betriebsteil nach § 4 Abs. 1 BetrVG.

3. Die rückwirkende Begründung eines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses als Folge einer (gerichtlichen) Auseinandersetzung ist rechtlich möglich (im Anschluss an BAG, Urteil vom 23.01.2007 – 9 AZR 393/06 –).

 

Normenkette

TV ATZ vom 22.03.2000; TVG § 1

 

Verfahrensgang

ArbG Koblenz (Urteil vom 20.09.2006; Aktenzeichen 4 Ca 2591/05)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 12.08.2008; Aktenzeichen 9 AZR 620/07)

 

Tenor

1. Die Berufungen der Parteien gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 20.09.2006, Az.: 4 Ca 2591/05 werden jeweils zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Beklagte zu 70 % und der Kläger zu 30 %.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob und in welcher Form der Kläger gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Abschluss eines Altersteilzeitarbeitsvertrags nach Maßgabe des „Tarifvertrages zur Förderung der Altersteilzeit” der Chemischen Industrie in der Fassung vom 14.05.2004 (TV ATZ) hat.

Der am…1948 geborene Kläger ist Mitglied der IG und seit dem 01.01.2000 als Außendienstmitarbeiter bei der Beklagten beschäftigt. Grundlage des Arbeitsverhältnisses ist der „Einstellungsfragebogen und Einstellungsvereinbarung” vom 13.09.1999 (Bl. 92 d. A.). Der Kläger übt seine Tätigkeit vom Werk L. aus. Dort steht ihm für seine Tätigkeit ein Schreibtisch zur Verfügung, den er sich mit einem weiteren Außendienstmitarbeiter teilt. Die vom Kläger vertriebenen Produkte der Beklagten werden über die Niederlassung L. abgerechnet. Der durchschnittliche Bruttomonatsarbeitsverdienst des Klägers beträgt 4.331,88 EUR.

Der Kläger ist seit Januar 2004 mit Bescheid des Versorgungsamtes A-Stadt als schwerbehinderter Mensch mit einem GdB von 70, seit 01.07.2005 mit einem solchen von 60 bis 31.12.2006 anerkannt. Ein weiteres Feststellungsverfahren ist noch nicht abgeschlossen.

Im Werk L. werden insgesamt 9 Arbeitnehmer beschäftigt. In einem weiteren Werk der Beklagten in D. werden ca. 150 Arbeitnehmer beschäftigt. Die Beklagte ist kraft Verbandszugehörigkeit an die Tarifverträge der Chemischen Industrie gebunden.

Unter dem 22.03.2005 richtete der Kläger ein Schreiben folgenden Wortlauts an die Beklagte:

„Hiermit beantrage ich für meine Position Altersteilzeitanspruch zum 01.06.2005.”

Die Beklagte lehnte dies mit Schreiben des Werksleiters des Werkes D. vom 15.04.2005 ab.

Der genannte Tarifvertrag (Bl. 6 ff. d. A.) hat auszugsweise folgenden Wortlaut:

§ 1 Geltungsbereich

Der Tarifvertrag gilt

  1. räumlich:

    für die Bundesrepublik Deutschland,

  2. persönlich:

    für die den Tarifvertragsparteien angehörenden Mitglieder, nämlich Arbeitgeber und in deren Betrieben tätige Arbeitnehmer, nicht aber für Arbeitnehmer, deren Aufgabengebiet höhere Anforderungen stell als die höchste tarifliche Beschäftigungsgruppe verlangt und deren Entgelt und allgemeine Arbeitsbedingungen im Ganzen gesehen die tariflichen Mindestbestimmungen überschreiten, wenn sie durch Einzelvertrag aus dem Geltungsbereich des Tarifvertrages unter Mitbestimmung des Betriebsrates gem. §§ 99 ff. BetrVG herausgenommen worden sind.

  3. fachlich:

    für den jeweiligen manteltarifvertraglichen Geltungsbereich.

§ 2

Voraussetzungen der Altersteilzeitarbeit

Arbeitnehmer, die das 55. Lebensjahr vollendet haben und innerhalb der letzten fünf Jahre vor Beginn der Altersteilzeitarbeit mindestens 1.080 Kalendertage in einer versicherungspflichtigen Beschäftigung nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch gestanden haben, können vom Arbeitgeber eine Teilzeitbeschäftigung (Altersteilzeitarbeitsverhältnis) von bis zu 6 Jahren Dauer verlangen. Kein Anspruch Auf Altersteilzeit besteht, wenn nach Halbierung der Arbeitszeit keine versicherungspflichtige Beschäftigung i. S. des SGB III vorliegt.

Der Arbeitgeber kann ein Teilzeitverlangen des Arbeitnehmers auf das Altersteilzeitarbeitsmodell I aus betriebsbedingten Gründen ablehnen, wenn er ihm stattdessen eine Beschäftigung nach dem Altersteilzeitarbeitsmodell II anbietet.

§ 3

Ausschluss des Anspruchs

Der Anspruch auf Abschluss eines Altersteilzeitarbeitsvertrages ist ausgeschlossen, wenn und solange 5 % der Arbeitnehmer des Betriebes von einer Altersteilzeitregelung Gebrauch machen oder diese Grenze durch den Abschluss eines Altersteilzeitarbeitsvertrages überschritten würde.

Der Anspruch auf Abschluss eines Altersteilzeitarbeitsvertrages für die Altersjahrgänge der 55-Jährigen bis 58-Jährigen ist ferner ausgeschlossen, wenn

mehr als 30 % des Jahrgangs der 50-Jährigen,

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