Entscheidungsstichwort (Thema)

Soziale Rechtfertigung einer krankheitsbedingten Kündigung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Eine krankheitsbedingte ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses ist sozial gerechtfertigt, wenn zum Zeitpunkt der Kündigung die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit der betroffenen Arbeitnehmerin völlig ungewiss ist. Davon ist auszugehen, wenn die Arbeitnehmerin seit mehr als zwei Jahren durchgehend arbeitsunfähig erkrankt war und der durch die lange Arbeitsunfähigkeit in der Vergangenheit begründete Indizwirkung nicht in erheblicher Weise entgegen getreten ist.

2. Dass ein betriebliches Eingliederungsmanagement nicht durchgeführt wurde, ist rechtlich ohne Bedeutung, wenn die Arbeitnehmerin auf verschiedene Anfragen und Vorschläge des Arbeitgebers nicht eingegangen ist und entsprechende Schreiben nicht beantwortet hat.

 

Normenkette

KSchG § 1 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Trier (Entscheidung vom 29.11.2016; Aktenzeichen 3 Ca 831/16)

 

Tenor

  • I.

    Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 29.11.2016 - 3 Ca 831/16 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

  • II.

    Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung.

Die am 16.04.1968 geborene Klägerin war bei der Beklagten seit dem 16.07.1988 als Angestellte beschäftigt. Seit dem 07.04.2014 war sie durchgehend arbeitsunfähig erkrankt. Vom 10.02. bis zum 31.03.2015 absolvierte sie eine Reha-Maßnahme in einer Klinik, aus der sie als arbeitsunfähig entlassen wurde. Nachdem der Beklagten vom Integrationsfachdienst mitgeteilt worden war, dass seitens der Klägerin ein Interesse an einer Wiedereingliederung bestehe, fand am 01.06.2015 ein Gespräch zwischen den Parteien im Beisein des Integrationsfachdienstes statt, um Möglichkeiten für eine Wiedereingliederung auszuloten. Die Beklagte bot der Klägerin eine Wiedereingliederung in den Filialen N./ W. an. Die Klägerin erklärte, dass sie dies mit ihrem Arzt besprechen wolle, gab der Beklagten jedoch in der Folgezeit keine Rückmeldung. Mit Schreiben vom 18.04.2016 bat die Beklagte die Klägerin um Mitteilung, ob sie der Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements (bEM) zustimme. In diesem Schreiben heißt es u. a.:

"Angesichts Ihrer Arbeitsunfähigkeitszeiten sind wir gemäß § 84 Abs. 2 SGB IX verpflichtet, ein betriebliches Eingliederungsmanagement durchzuführen. Dies bedeutet, dass wir gemeinsam mit Ihnen und unter Beteiligung des Betriebsrates sowie der Schwerbehindertenvertretung Möglichkeiten abklären, wie Ihre Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden und mit welchen Leistungen oder Hilfen erneuter oder weiterer Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und damit Ihr Arbeitsplatz erhalten und hierfür - soweit erforderlich - der Betriebsarzt hinzugezogen werden kann. Im Rahmen dieses betrieblichen Eingliederungsmanagements werden - soweit erforderlich - personenbezogene und insbesondere gesundheitsbezogene Daten von Ihnen erhoben und verwendet ... Wir bitten Sie, uns mit dem beigefügten Antwortformular Ihre Entscheidung mitzuteilen. Sollten Sie dieser Bitte bis zum 30.04.2016 nicht nachkommen, gehen wir davon aus, dass Sie an einem betrieblichen Eingliederungsmanagement kein Interesse haben bzw. dessen Durchführung nicht wünschen".

Eine Reaktion der Klägerin hierauf erfolgte nicht. Am 06.05.2015 übersandte die Beklagte das vorgenannte Schreiben erneut an die Klägerin und setzte ihr für deren Antwort eine Frist bis zum 19.05.2016. Auch auf dieses Schreiben blieb jedwede Reaktion der Klägerin aus.

Daraufhin hörte die Beklagte am 23.05.2016 den bei ihr gebildeten Betriebsrat zur ordentlichen krankheitsbedingten Kündigung der Klägerin an. Der Betriebsrat erklärte am 03.06.2016, keinen Widerspruch einzulegen.

Mit Schreiben vom 09.06.2016, welches der Klägerin am 13.06.2016 zuging, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 31.03.2017. Gegen diese Kündigung richtet sich die von der Klägerin am 01.07.2016 beim Arbeitsgericht eingereichte Klage.

Von einer weitergehenden Darstellung des unstreitigen Tatbestandes sowie des erstinstanzlichen streitigen Parteivorbringens wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen. Insoweit wird Bezug genommen auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Trier vom 29.11.2016 (Bl. 61 - 64 d. A.).

Die Klägerin hat beantragt,

festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 09.06.206 nicht zum 31.03.2017 aufgelöst wird.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Arbeitsgericht hat Beweis erhoben über die Ordnungsgemäßheit der Betriebsratsanhörung durch Vernehmung des Zeugen von L.. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 29.11.2016 (Bl. 53 ff d. A.) verwiesen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 29.11.2016 abgewiesen. Zur Darstellung der maßgeblichen Entscheidungsgründe wird auf die Seiten 5 - 14 dieses Urteils (= Bl. 64 - 73 d. A.) verwiesen.

Gegen das ihr am 21.12.2016 zu...

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