Entscheidungsstichwort (Thema)

Berufungsbegründung bei mehreren Entscheidungsbegründungen des Erstgerichts zu demselben Streitgegenstand. Bestimmtheit der Gesamtklage i.S.d. § 253 Abs. 2 Nr. 2. Formulararbeitsvertrag als Allgemeine Geschäftsbedingung. Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen. Transparenzgebot bei Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Unangemessene Benachteiligung i.S.d. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Zulässigkeit der Stufenklage i.S.d. § 254 ZPO

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Hat das erstinstanzliche Gericht seine Entscheidung hinsichtlich eines Streitgegenstands auf mehrere selbständig tragende Begründungen gestützt, muss die Berufungsbegründung das Urteil in allen diesen Punkten angreifen. Setzt sich die Berufung nur mit einer der Begründungen auseinander, ist sie in Bezug auf diesen Streitgegenstand unzulässig, da der Angriff gegen eine der Begründungen nicht ausreicht, um die Entscheidung insgesamt in Frage zu stellen.

2. Bei mehreren im Wege einer objektiven Klagehäufung gemäß § 260 ZPO in einer Klage verfolgten Ansprüchen muss erkennbar sein, aus welchen Einzelforderungen sich die "Gesamtklage" zusammensetzt.

3. Arbeitsverträge sind in der Regel schon dem äußeren Erscheinungsbild nach als Formularverträge Allgemeine Geschäftsbedingungen i.S.d. § 305 Abs. 1 BGB. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Vertragsklauseln nicht "ausgehandelt" worden wären, weil sie vom Verwender inhaltlich ernsthaft zur Disposition gestellt und dieser dem Arbeitnehmer Gestaltungsfreiheit zur Wahrung eigener Interessen eingeräumt hätte mit der realen Möglichkeit, die inhaltliche Ausgestaltung der Vertragsbedingungen zu beeinflussen.

4. Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Ansatzpunkt für die Auslegung allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut.

5. Das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB verpflichtet den Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen, die Rechte und Pflichten seines Vertragspartners möglichst klar, verständlich und durchschaubar darzustellen. Das Transparenzgebot schließt das Bestimmtheitsgebot ein. Danach müssen die tatbestandlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen so genau beschrieben werden, dass für den Verwender keine ungerechtfertigten Beurteilungsspielräume entstehen.

6. Eine unangemessene Benachteiligung ist nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist. Von maßgeblicher Bedeutung ist insoweit, ob die gesetzliche Regelung nicht nur auf Zweckmäßigkeitserwägungen beruht, sondern eine Ausprägung des Gerechtigkeitsgebots darstellt.

7. Bei der Stufenklage wird ein der Höhe oder dem Gegenstand nach noch unbekannter und daher entgegen § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO noch nicht zu beziffernder Leistungsanspruch zugleich mit den zu seiner Konkretisierung erforderlichen Hilfsansprüchen auf Auskunft und ggf. Richtigkeitsversicherung erhoben. Dabei muss die in der ersten Stufe verlangte Auskunft dem Zweck dienen, einen bestimmten Leistungsantrag im Klageweg verfolgen zu können.

 

Normenkette

BGB § 307 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 Nr. 1; HGB § 87 Abs. 1 S. 1; ZPO §§ 254, 253 Abs. 2 Nr. 2, §§ 260, 520; BGB § 305c Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Ludwigshafen (Entscheidung vom 22.06.2022; Aktenzeichen 9 Ca 481/21)

 

Tenor

  • I.

    Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen am Rhein -Auswärtige Kammern Landau in der Pfalz- vom 22. Juni 2022 - 9 Ca 481/21 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

  • II.

    Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um Provisions- und Auskunftsansprüche des Klägers.

Die Beklagte ist die deutsche Vertriebsgesellschaft der europäischen Firmengruppe F. und im Bereich der industriellen Formen- und Teilereinigung mit Ultraschall tätig.

Der Kläger ist bei der Beklagten seit dem 01. April 2012 auf der Basis des am 05. März 2012 geschlossenen Arbeitsvertrages (Blatt 6 ff. d. A., im Folgenden: AV) als Mitarbeiter im technischen Vertrieb beschäftigt. Unter dem 20. Dezember 2013 vereinbarten die Parteien eine Änderung zum Arbeitsvertrag (Blatt 11 ff. d. A.) wonach der das Arbeitsentgelt regelnde § 4 AV wie folgt abgeändert wurde:

"§ 4 Arbeitsentgelt

1. Das Jahresgehalt beträgt ab 01.01.2014 42.000,00 EUR brutto. Es wird zu 12 gleichen Teilen (je 3.500,00 EUR) ausbezahlt.

2. Darüber hinaus erhält der Arbeitnehmer eine Provisionszahlung in Höhe von 3 % des Nettowarenwertes aller von ihm eingebuchten Maschinenaufträge. Diese Regelung ist nicht im Volumen begrenzt.

Für das Jahr 2014 gehen wir von einem eingebuchten Auftragsvolumen (Netto-Warenwert für Maschinenverkäufe) von 600.000,00 EUR aus. Bei E...

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