Entscheidungsstichwort (Thema)
Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung im Zuge eines Interessenausgleichs
Leitsatz (redaktionell)
1. Ist ein Arbeitnehmer in der Namensliste des Interessenausgleichs namentlich benannt, so wird gemäß § 125 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 InsO vermutet, dass die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers entgegenstehen, bedingt ist.
2. Die Vermutungswirkung des § 125 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 InsO erstreckt sich nicht nur auf den Wegfall von Beschäftigungsmöglichkeiten des auf der Namensliste aufgeführten Arbeitnehmers zu unveränderten Bedingungen, sondern umfasst auch die Vermutung, dass eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers zu veränderten Bedingungen im Beschäftigungsbetrieb nicht möglich ist.
Normenkette
BetrVG § 102 Abs. 1; InsO § 125 Abs. 1 S. 1 Nrn. 1-2; KSchG § 17 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Kaiserslautern (Entscheidung vom 24.06.2021; Aktenzeichen 6 Ca 75/21) |
Tenor
- Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern - Auswärtige Kammern Pirmasens - vom 24. Juni 2021, Az. 6 Ca 75/21, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
- Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung.
Der im Juli 1965 geborene Kläger (verheiratet, kinderlos) war seit dem 2. Februar 1998 bei der Beklagten, zuletzt als Abnahmemonteur für All-Terrain-Cranes, beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis fanden aufgrund beiderseitiger Tarifbindung die Tarifverträge der pfälzischen Metall- und Elektroindustrie Anwendung. Der Kläger war in Entgeltgruppe 6 ERA eingruppiert. Die Beklagte ist ein Kranhersteller. Sie beschäftigte in ihren zwei Werken am Standort Y. (Z.-Straße und W.) vor der Massenentlassung 1.536 Arbeitnehmer; es besteht ein Betriebsrat.
Unter dem 8. Oktober 2020 beantragte die Beklagte die Eröffnung eines Schutzschirmverfahrens in Eigenverwaltung nach § 270b InsO. Mit Beschluss vom 8. Oktober 2020 (1 IN 52/20) hat das zuständige Amtsgericht Zweibrücken die vorläufige Eigenverwaltung im Schutzschirmverfahren angeordnet und WP/StB A. G. zum vorläufigen Sachwalter bestellt. Mit Beschluss vom 1. Januar 2021 hat das Amtsgericht das Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung eröffnet.
Nach Verhandlungen schloss die Beklagte am 4. Januar 2021 mit dem Betriebsrat einen Interessenausgleich mit Namensliste, einen Insolvenzsozialplan sowie eine Betriebsvereinbarung zur Schaffung von Auffangstrukturen, die ua. die Errichtung einer Transfergesellschaft vorsah. Im Interessenausgleich wurden Umstrukturierungsmaßnahmen beschrieben, die zu einem Wegfall von Beschäftigungsmöglichkeiten führten. Es wurden ua. 58 Versetzungen, 51 Änderungskündigungen sowie 392 Beendigungskündigungen geregelt. In der mit dem Interessenausgleich fest verbundenen Namensliste der Mitarbeiter, denen die betriebsbedingte Beendigungskündigung ausgesprochen werden sollte, findet sich auch der Name des Klägers. Der Kläger lehnte den angebotenen Übertritt in die Transfergesellschaft ab.
Mit Schreiben vom 5. Januar 2021 hörte die Beklagte den Betriebsrat zu einer beabsichtigten betriebsbedingten ordentlichen Kündigung des Klägers mit der dreimonatigen Frist des § 113 Satz 2 InsO an. Der Betriebsrat stimmte der Kündigung mit Schreiben vom 11. Januar 2021 zu. Mit Formular und Begleitschreiben vom 11. Januar 2021 nebst Anlagen erstattete die Beklagte bei der zuständigen Agentur für Arbeit eine Massenentlassungsanzeige nach § 17 KSchG, deren Eingang die Agentur am 11. Januar 2021 bestätigte. Mit Schreiben vom 25. Januar 2021 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger zum 30. April 2021. Hiergegen erhob der Kläger rechtzeitig Kündigungsschutzklage.
Der Kläger hat erstinstanzlich zuletzt beantragt,
- festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 25. Januar 2021 beendet worden ist,
- im Falle des Obsiegens mit dem Klageantrag zu 1) die Beklagte zu verurteilen, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Probemonteur weiterzubeschäftigen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Von einer weitergehenden Darstellung des unstreitigen Tatbestandes und des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen und auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 24. Juni 2021 abgewiesen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe verwiesen. Gegen das am 19. Juli 2021 zugestellte Urteil hat der Kläger mit einem am 9. August 2021 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese innerhalb der bis zum 20. Oktober 2021 verlängerten Begründungsfrist mit Schriftsatz vom 19. Oktober 2021 begründet.
Der Kläger macht zur Begründung seiner Berufung nach Maßgabe seiner Berufungsbegründungsschrift vom 19. Oktober 2021, auf die ergänzend Bezug geno...