Entscheidungsstichwort (Thema)
Auswahl, soziale. Punkteschema. Sozialauswahl der Kündigung
Leitsatz (amtlich)
Jeder gekündigte Arbeitnehmer kann sich auf einen Fehler des Arbeitgebers bei Finden der Sozialauswahl berufen, auch wenn er selbst dann noch zum Kreis derjenigen gehören würde, die trotz des Fehlers zur Kündigung angestanden hätten.
Normenkette
KSchG § 1
Verfahrensgang
ArbG Ludwigshafen (Urteil vom 27.07.2004; Aktenzeichen 6 Ca 494/04) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen – Auswärtige Kammern Landau – vom 27.07.2004 – AZ: 6 Ca 494/04 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision an das Bundesarbeitsgericht wird für die Beklagte zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger, auf dessen Arbeitsverhältnis mit der Beklagten das Kündigungsschutzgesetz Anwendung findet, ist seit 08.09.1997 als Schweißer beschäftigt und hat sich mit seiner Klage, Gerichtseingang 06.05.2004, gegen eine ordentliche betriebsbedingte Kündigung der Beklagten gewendet, die ihm mit Schreiben vom 19.04.2004 zum 19.05.2004 erklärt wurde, weil die Geschäftsleitung der Beklagten in der Sitzung vom 24.03.2004 aufgrund von Umsatzrückgängen beschlossen hatte, insgesamt 57 Arbeitsplätze abzubauen. In Befolgung dieser Entscheidung hat die Beklagte den 55 Arbeitnehmern, die sich aus der Liste vom 08.04.2004 (Bl. 46 d. A.) ergeben, gekündigt und zwei Arbeitnehmer haben eine Eigenkündigung erklärt.
Der Kläger hat im Wesentlichen ausgeführt,
dass in seinem Bereich im großen Umfang Mehr- und Überarbeit abgeleistet worden sei und Leiharbeitnehmer beschäftigt würden, um die vorhandenen Aufträge abwickeln zu können. Die Beklagte habe im Rahmen einer Presseerklärung erklärt, dass sie sich über eine Auftragslage freuen könne, die niemals stärker gewesen sei und auf eine Leistungssteigerung insbesondere im vierten Quartal 2004 hoffe, wobei das Arbeitsamt mittlerweile an ihn herangetreten sei, da die Beklagte offensichtlich Arbeitskräfte suche.
Die Beklagte habe auch nicht konkret und substantiiert dargelegt, dass durch die getroffene Unternehmerentscheidung ein Überhang an Arbeitskräften entstanden sei, so dass sein Arbeitsplatz entfalle.
Auch sei die erforderliche Sozialauswahl nicht ordnungsgemäß durchgeführt und er müsse die ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrates bestreiten.
Der Kläger hat beantragt:
- Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 19.04.2004, nicht beendet wird.
- Im Fall des Obsiegens mit dem Antrag zu 1) wird die Beklagte verurteilt, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Schweißer weiterzubeschäftigen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat es im Wesentlichen damit begründet,
dass sie aufgrund der Auftragslage im Automobilzulieferbereich seit 2002 deutliche Auftragsrückgänge zu verzeichnen habe, was zu einem Umsatzrückgang am Standort A-Stadt von 511 Millionen EUR in 2001, auf 420 Millionen EUR in 2002 und 360 Millionen EUR in 2003 geführt habe.
Im Jahre 2002 habe man einen grundsätzlichen Einstellungstop im Bereich der direkten gewerblichen Mitarbeiter verfügt und alle Möglichkeiten ergriffen, die Anzahl der Mitarbeiter ohne den Ausspruch von betriebsbedingten Kündigung dem Niveau von Produktions- und Arbeitsstunden anzupassen. Man habe befristete Arbeitsverträge auslaufen lassen, Mitarbeiter mit überdurchschnittlicher hoher Krankheitsquote gekündigt und Mitarbeitern über Auflösungsvereinbarungen sowie den Abschluss von Altersteilzeitverträgen das vorzeitige Ausscheiden ermöglicht. Aufgrund der derzeitigen Planung gehe man für 2004 von einem sich weiter reduzierenden Umsatz auf 328,6 Millionen EUR aus, der sich aus dem bisher bekannten Datenmaterial auch für 2005 auf diesen Niveau bewegen werde.
Ab 02.04.2002 habe man die Arbeitszeit im direkten Produzierenden Bereich auf die tarifliche Wochenarbeitszeit von 35 Stunden zurückgefahren. Den 697.574 direkten werksseitigen Produktionsstunden aus 2003 stünden für 2004 noch geplante 612.630 direkte Produktionsstunden für gewerbliche Mitarbeiter im Presswerk und Aggregatewerk gegenüber, weswegen die Geschäftsleitung in der Sitzung vom 24.03.2004 beschlossen habe, die Anzahl der Direktbeschäftigten dem Volumen der entfallen den direkten Produktionsstunden anzupassen, wobei der Verlust von 84.944 Produktionsstunden 57 direktgewerblichen Arbeitsplätzen entspreche, weil das Arbeitsvolumen eines Mitarbeiters 1.484 Arbeitsstunden bei einer Vollzeitbeschäftigung betrage.
Das verringerte Auftragsvolumen im Produktionsbereich habe unmittelbaren Einfluss auf das Beschäftigungsvolumen der direkten Arbeitnehmer in den 6 Fokusbereichen, in dem auch der Kläger beschäftigt sei und sich aus Maschinenbedienern, Maschinenführern sowie Schweißern zusammensetze. Dieser Bereich sei unmittelbar vom Rückgang der Auftragsstunden betroffen, auch wenn ein i...