Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein Anspruch auf Zeugniserteilung aufgrund Ausgleichsklausel im Prozessvergleich. Umfassender Prozessvergleich mit der Wirkung eines konstitutiven negativen Schuldanerkenntnisses. Kein § 242 BGB bei Berufung auf Prozessvergleich
Leitsatz (redaktionell)
Eine Ausgleichsklausel im Vergleich umfasst auch mögliche Ersatzansprüche für den Fall der nicht ordnungsgemäßen Erfüllung eines mitgeregelten Anspruchs auf Zeugniserteilung, da auch dies zum Arbeitsverhältnis gehört.
Normenkette
BGB §§ 133, 157, 779, 242; GewO § 109 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Mainz (Entscheidung vom 14.03.2019; Aktenzeichen 3 Ca 772/18) |
Tenor
- Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 14. März 2019, Az. 3 Ca 772/18, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
- Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin fordert Schadensersatz wegen nicht gehöriger Erfüllung des Zeugnisanspruchs.
Die 1991 geborene Klägerin war vom 12.09.2011 bis zum 30.06.2016 in der Hausarztpraxis des Beklagten als medizinische Fachangestellte zu einem Bruttomonatsgehalt von € 1.230,00 beschäftigt. Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses stritten die Parteien über Form und Inhalt eines qualifizierten Arbeitszeugnisses. Mit dem Zeugnis, das ihr der Beklagte am 11.07.2016 ausgestellt hatte, war die Klägerin nicht einverstanden. Am 31.01.2017 erhob sie vor dem Arbeitsgericht Mainz eine Klage auf Zeugnisberichtigung. Am 19.07.2017 stellte das Arbeitsgericht im Vorprozess (3 Ca 158/17) nach § 278 Abs. 6 ZPO das Zustandekommen eines Vergleichs fest, den die anwaltlich vertretenen Parteien zuvor ausgehandelt und dem Gericht übereinstimmend unterbreitet hatten. Der Vergleich hat auszugsweise folgenden Wortlaut:
"Vergleich
1. Der Beklagte erteilt der Klägerin unter seinem Briefkopf ein Zeugnis mit nachfolgendem Inhalt:
...
2. Das Zeugnis wird vom Beklagten unterschrieben und an die Klägerin versendet.
3. Mit Erfüllung dieses Vergleichs sind sämtliche wechselseitigen Ansprüche der Parteien aus dem Arbeitsverhältnis und seiner Beendigung, gleich ob bekannt oder unbekannt und gleich aus welchem Rechtsgrund, erledigt."
Der Beklagte erteilte das im Vergleichstext formulierte Zeugnis bereits vor dem 19.07.2017. Mit Schriftsatz vom 24.11.2017 beantragte die Klägerin, die Festsetzung von Zwangsmitteln gem. § 888 ZPO. Sie machte geltend, der Beklagte habe das Zeugnis nicht "unter seinem Briefkopf" erteilt. Das Arbeitsgericht hat den Antrag mit Beschluss vom 29.01.2018 zurückgewiesen; das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz hat die sofortige Beschwerde der Klägerin mit Beschluss vom 27.03.2018 (5 Ta 31/18) zurückgewiesen.
Seit dem 01.08.2016 ist die Klägerin an der Universitätsmedizin der J. G.-Universität (im Folgenden: Klinik) im Verwaltungsdienst beschäftigt. Sie wird nach Entgeltgruppe 6 des Haustarifvertrags vergütet, der auszugsweise wie folgt lautet:
"§ 5 Stufen der Entgelttabelle
(1) Die Entgeltgruppen 9 bis 15 umfassen fünf Stufen und die Entgeltgruppen 2 bis 8 sechs Stufen. Bei der Einstellung werden die Beschäftigten der Stufe 1 zugeordnet, sofern keine einschlägige Berufserfahrung vorliegt. ... Verfügen Beschäftigte über eine einschlägige Berufserfahrung ... aus einem vorherigen ... Arbeitsverhältnis zum selben Arbeitgeber, erfolgt die Stufenzuordnung unter Anrechnung der Zeiten der einschlägigen Berufserfahrung aus diesem vorherigen Arbeitsverhältnis.
Ist die einschlägige Berufserfahrung von mindestens einem Jahr in einem Arbeitsverhältnis zu einem anderen Arbeitgeber erworben worden, erfolgt die Einstellung in die Stufe 2, bei Vorliegen einer einschlägigen Berufserfahrung von mindestens drei Jahren in Stufe 3."
Bei ihrer Einstellung wurde die Klägerin der Stufe 1 der Entgeltgruppe 6 zugeordnet. Erst im Juli 2017 legte die Klägerin der Klinik das Arbeitszeugnis des Beklagten vor. Daraufhin wurde sie (aufgrund tariflicher Ausschlussfristen) rückwirkend ab Februar 2017 in Stufe 3 der Entgeltgruppe 6 eingestuft. Mit ihrer am 30.05.2018 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage verlangt die Klägerin vom Beklagten Schadensersatz in Höhe der Entgeltdifferenzen zwischen den Stufen 1 und 3 der Entgeltgruppe 6 zuletzt für sechs Monate von August 2016 bis Januar 2017.
Die Klägerin hat vorgetragen, die Klinik hätte sie bei früherer Vorlage des korrekten Zeugnisses bereits ab 01.08.2016 in Stufe 3 der Entgeltgruppe 6 eingestuft. Die Ausgleichsklausel in Ziff. 3 des Prozessvergleich habe ihren Anspruch nicht zum Erlöschen gebracht. Die Klausel erfasse keine Schadensersatzansprüche. Außerdem sei dem Beklagten wegen rechtsmissbräuchlichen Verhaltens verwehrt, sich auf die Klausel zu berufen.
Die Klägerin hat erstinstanzlich zuletzt beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an sie € 2.655,30 nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Arbeitsgericht Mainz hat die Klage mit Urteil vom 14.03.2019 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausge...