Entscheidungsstichwort (Thema)

Auslegung von Tarifnormen. Zeitanteilige Kürzung eines tariflichen Erhöhungsbetrages bei Teilzeitbeschäftigten. Keine Kostenerstattungspauschale im arbeitsgerichtlichen Urteilsverfahren

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrages folgt den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Zunächst ist vom Tarifwortlaut auszugehen, danach ergänzend vom wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien, vom Sinn und Zweck der Tarifnorm, vom tariflichen Gesamtzusammenhang, von der Entstehungsgeschichte und ggfs. auch von der praktischen Tarifübung.

2. Ein fester tariflicher Betrag, um den sich das monatliche Entgelt erhöht, steht in Gegenleistung zur Arbeitsleistung (sog. Synallagma). Er ist deshalb bei einer kürzeren Arbeitszeit eines Teilzeitbeschäftigten proportional zu kürzen.

3. In arbeitsrechtlichen Prozessen schließt § 12a Abs. 1 S. 1 ArbGG als spezielle arbeitsrechtliche Regelung jeden Kostenerstattungsanspruch und damit auch einen Anspruch auf Kostenpauschalen gemäß § 288 Abs. 5 S. 1 BGB wie z.B. die Verzugspauschale aus.

 

Normenkette

BGB § 288 Abs. 5; TVG § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1; AbGG § 12a Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Trier (Entscheidung vom 24.01.2018; Aktenzeichen 5 Ca 943/17)

 

Tenor

  • I.

    Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 24.01.2018 - 5 Ca 943/17 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

  • II.

    Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über Ansprüche der Klägerin auf Differenzvergütung und die Zahlung von Verzugspauschalen.

Die Klägerin ist bei der Beklagten, einem Fenster- und Türenhersteller, seit dem 21. Mai 1991 als Angestellte beschäftigt. Die regelmäßige Arbeitszeit einer Vollzeitkraft beträgt 40 Stunden pro Woche. Die Klägerin ist nach der zwischen den Parteien vereinbarten Vertragsänderung vom 17./21. April 2008 (Bl. 15 d.A.) in Teilzeit mit einer auf 35 Stunden pro Woche reduzierten Arbeitszeit beschäftigt. Sie ist seit dem 01. Juli 2016 Mitglied der Gewerkschaft IG Metall.

Unter dem 06. März 2017 vereinbarten die Beklagte und die Gewerkschaft IG Metall ein "Verhandlungsergebnis" vom 28. Februar 2017 (Bl. 10, 11 d.A.) mit auszugsweise folgendem Inhalt:

1. Diese Vereinbarung gilt gemäß § 3 Abs. 1 Tarifvertragsgesetz für die Mitglieder der IG Metall.

persönlich: für alle Arbeiter, Angestellten und Auszubildenden, mit Ausnahme leitender Angestellter und Gebietsverkaufsleiter.

räumlich: für den Betrieb der C., C-Stadt.

2. Die monatlichen Löhne und Gehälter erhöhen sich ab März 2017 um einen festen Betrag von 100,00 Euro brutto.

Ab Januar 2018 erhöhen sich die monatlichen Löhne und Gehälter um einen weiteren festen Betrag von 100,00 Euro brutto.

Ab Januar 2019 erhöhen sich die monatlichen Löhne und Gehälter um einen weiteren festen Betrag von 100,00 Euro brutto.

Die Ausbildungsvergütungen werden zum 1. März 2017 um 20,00 Euro monatlich sowie zum 1. Januar 2018 um weitere 20,00 Euro monatlich und noch einmal zum 1. Januar 2019 um weitere 20,00 Euro monatlich erhöht.

3. Das Lohnsystem wird neu geordnet. Zukünftig existieren drei Bestandteile:

a. Neuer Grundlohn (enthält alten Grundlohn + 2,5 % Lohnerhöhung 2009 + Gruppenprämie von 2,27 Euro pro Stunde)

b. ILP

c. L&Q-Prämie

Der jeweils aktuelle Satz der Mitarbeiter bei der ILP ist bestandsgeschützt, d.h. ein Mitarbeiter kann in Zukunft nur besser gestellt werden gegenüber dem Stand Dezember 2016.

Die Lohnerhöhungen nach Ziffer 2 werden in den neuen Grundlohn einge- arbeitet. Neuer Grundlohn mit eingearbeiteter Lohnerhöhung nach Ziffer 2 zuzüglich ILP und L&Q-Prämie stellen den Gesamtlohn dar.

(...)

10. Der Tarifvertrag tritt zum 1. Januar 2017 in Kraft und hat eine Laufzeit bis zum 31. Dezember 2019. (...)

Nach dem vorgenannten "Verhandlungsergebnis" vom 28. Februar 2017 erhöhte die Beklagte ab März 2017 das Monatsgehalt der Klägerin nicht um 100,00 EUR brutto, sondern um einen anteiligen Betrag von 87,50 EUR entsprechend ihrer von 40 auf 35 Wochenstunden reduzierten Arbeitszeit (100,00 EUR x 35/40 = 87,50 EUR). Ab Januar 2018 erhöhte die Beklagte das Monatsgehalt der Klägerin um weitere 87,50 EUR brutto.

Mit ihrer beim Arbeitsgericht Trier erhobenen Klage hat die Klägerin aufgrund des ihrer Ansicht nach bestehenden Anspruchs auf ungekürzte Gehaltserhöhungen die sich danach ergebenden monatlichen Differenzbeträge von 12,50 EUR brutto (100,00 EUR - 87,50 EUR) für die Monate März bis Dezember 2017 und 25,00 EUR brutto (weitere 12,50 EUR ab Januar 2018) für die Monate Januar sowie Februar 2018 geltend gemacht und für jeden Monat die Zahlung einer Verzugspauschale von 40,00 EUR verlangt.

Wegen der erstinstanzlich gestellten Anträge und des wechselseitigen Vorbringens der Parteien wird auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Trier vom 24. Januar 2018 - 5 Ca 943/17 - Bezug genommen.

Mit dem vorgenannten Urteil hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Wegen der Begründung des Arbeitsgerichts wird auf die Entscheidungsgründe seines Urteils verwie...

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