Entscheidungsstichwort (Thema)
Gehaltsentwicklung eines Betriebsratsmitglieds während der Dauer seiner Amtszeit in Relation zu derjenigen vergleichbarer Arbeitnehmer
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Anwendung des § 37 Abs. 4 S. 1 BetrVG darf nicht zu einer Begünstigung des Betriebsratsmitglieds gegenüber anderen Arbeitnehmern führen.
2. Die Übertragung höherwertiger Tätigkeiten ist nur dann betriebsüblich, wenn diese dem Betriebsratsmitglied nach den betrieblichen Gepflogenheiten hätten übertragen werden müssen oder die Mehrzahl der vergleichbaren Arbeitnehmer einen solchen Aufstieg erreicht.
3. Ein Betriebsratsmitglied, das nur infolge der Amtsübernahme nicht in eine Position mit höherer Vergütung aufgestiegen ist, kann den Arbeitgeber unmittelbar auf Zahlung der höheren Vergütung in Anspruch nehmen.
Normenkette
BetrVG § 37 Abs. 4, § 78 S. 2; BGB § 611a Abs. 1; ZPO § 138 Abs. 1-2, § 286; BetrVG § 37 Abs. 4 S. 1
Verfahrensgang
ArbG Koblenz (Entscheidung vom 19.01.2023; Aktenzeichen 2 Ca 2384/22) |
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 19.01.2023 - 2 Ca 2384/22 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über Vergütungsansprüche.
Die Klägerin ist seit dem 15. April 2006 aufgrund Arbeitsvertrags vom gleichen Tag (Bl. 11 bis 16 d.A.) bei der Beklagten, die bundesweit Einrichtungshäuser betreibt, in deren Niederlassung in B-Stadt (mit derzeit 260 bis 270 Arbeitnehmern) als Mitarbeiterin im Bereich Kundenservice beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden die Tarifverträge für den Einzel- und Versandhandel in Rheinland-Pfalz Anwendung. Danach wird die Klägerin unter Eingruppierung in die Gehaltsgruppe G II 6. Berufs-/Tätigkeitsjahr vergütet.
Zuvor war die Klägerin bereits bei der Beklagten in deren Einrichtungshaus am Standort E-Stadt seit dem 1. Dezember 2000 als Mitarbeiterin im Kundenservice beschäftigt. Dort war sie in der Zeit vom 1. Dezember 2003 bis zum 31. Mai 2004 kommissarisch als Teamassistentin im Kundenservice tätig. Im Jahr 2006 wechselte sie dann nach B-Stadt und nahm dort in dem neu eröffneten Einrichtungshaus der Beklagten ihre Tätigkeit als Mitarbeiterin im Kundenservice auf.
Seit dem Jahr 2008 ist die Klägerin Mitglied des am Standort B-Stadt gebildeten neunköpfigen Betriebsrats und seit dem Jahr 2014 dessen - vollständig freigestellte - Vorsitzende.
Mit Schreiben vom 6. Dezember 2017 (Bl. 60 d.A.) bewarb sich die Klägerin auf die ausgeschriebene Stelle "Teamassistent Recovery" (Bl. 213, 214 d.A.). Die Ausschreibung war erfolgt, nachdem der bisherige Inhaber dieser Stelle, Herr F., zuvor mitgeteilt hatte, dass er die Stelle als Teamassistent zum 31. Dezember 2017 aufgeben wolle. Daraufhin wurde mit der Klägerin am 18. Dezember 2017 ein Bewerbungsgespräch geführt, an dem auf Seiten der Beklagten der Teamleiter für den Bereich Recovery, Herr G., und die Personalreferentin, Frau H., teilnahmen. Über dieses Gespräch fertigte die Personalreferentin Frau H. handschriftliche Notizen auf Zetteln, die sie zur Personalakte der Klägerin nahm (Anlagen D 1 und D 2 zum Schriftsatz der Klägerin vom 16. November 2023 = Bl. 233 bis 238 d.A.); die Einzelheiten des Bewerbungsgesprächs vom 18. Dezember 2017 sind zwischen den Parteien streitig. Nach dem Gespräch erhielt die Klägerin zeitnah noch vor Weihnachten eine Absage. In der Zeit vom 1. Januar bis 28. Februar 2018 war die Stelle als Teamassistent im Bereich Recovery nicht besetzt. Mit Wirkung ab dem 1. März 2018 wurde sodann die Stelle "Teamassistent Recovery" wieder mit dem früheren Stelleninhaber, Herrn F., besetzt.
Mit ihrer am 14. Oktober 2022 beim Arbeitsgericht Koblenz eingegangenen Klage, die der Beklagten am 19. Oktober 2022 zugestellt worden ist, hat die Klägerin ihre Vergütung nach der höheren Vergütungsgruppe G IV b 3. Tätigkeitsjahr, hilfsweise nach der Vergütungsgruppe G III 5. Tätigkeitsjahr gemäß dem Tarifvertrag für den Einzelhandel in Rheinland-Pfalz verlangt und für die Monate März bis Mai 2022 die sich danach ergebende Differenzvergütung beziffert geltend gemacht sowie für die Zeit danach ab dem 1. Juni 2022 die entsprechende Feststellung der Vergütungspflicht der Beklagten begehrt.
Hinsichtlich des wechselseitigen Vorbringens der Parteien erster Instanz wird auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Koblenz vom 19. Januar 2023 - 2 Ca 2384/22 - Bezug genommen.
Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,
- die Beklagte zu verurteilen, an sie 10.722,00 EUR brutto (3 x 3.574,00 EUR brutto) abzüglich gezahlter 8.496,00 EUR brutto (3 x 2.832,00 EUR brutto) zu zahlen,
- die Beklagte zu verurteilen, sie ab dem 1. Juni 2022 in die Vergütungsgruppe G IV b / 3, hilfsweise in die Vergütungsgruppe G III / 5 gemäß dem derzeit gültigen Tarifvertrag für den Einzelhandel einzugruppieren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Mit Urteil vom 19. Januar 2023 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Wegen der Begründung des Arbeitsg...