Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an eine ordnungsgemäße Betriebsratsanhörung bei fehlendem Kündigungsschutz. Betriebsratsanhörung bei Kündigung eines Berufsausbildungsverhältnisses während der Probezeit
Leitsatz (redaktionell)
1. Nach § 22 Abs. 1 BBiG kann ein Berufsausbildungsverhältnis während der Probezeit jederzeit ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden; die Arbeitgeberin ist daher berechtigt, das Ausbildungsverhältnis innerhalb der vereinbarten Probezeit zu kündigen, ohne dass hierfür ein Kündigungsgrund erforderlich ist.
2. Bei der Kündigung eines Arbeitsverhältnisses, für das kein Kündigungsschutz besteht, ist die Substantiierungspflicht gegenüber dem Betriebsrat nicht an den objektiven Merkmalen der (noch) nicht erforderlichen Kündigungsgründe sondern daran zu messen, welche konkreten Umstände oder subjektiven Vorstellungen zum Kündigungsentschluss geführt haben.
3. Hat die Arbeitgeberin keine Gründe oder wird ihr Kündigungsentschluss allein von subjektiven, durch Tatsachen nicht belegbare Vorstellungen bestimmt, reicht die Unterrichtung über diese Vorstellungen aus; dagegen kommt sie ihrer Unterrichtungspflicht nicht nach, wenn sie auch aus ihrer subjektiven Sicht dem Betriebsrat bewusst unrichtige oder unvollständige Sachdarstellungen unterbreitet oder wenn sie bewusst ihr bekannte, genau konkretisierbare Kündigungsgründe nur pauschal vorträgt, obwohl ihr Kündigungsentschluss auf der Würdigung konkreter Kündigungssachverhalte beruht.
4. Der Betriebsrat ist über die Gründe oder Umstände, die für den Kündigungsentschluss der Arbeitgeberin maßgebend waren, ausreichend informiert worden, wenn ihm ausweislich des Widerspruchsschreibens mitgeteilt worden ist, dass man den Auszubildenden im Hinblick auf sein Alter (27 Jahre) für "sehr geprägt und nicht mehr erziehbar" und "zu sehr gesetzt in seinen Verhaltensweisen" erachtet und der Auszubildende einen "militärischen Umgangston" hat und lieber allein als in der Gruppe arbeitet.
Normenkette
BBiG §§ 20, 22 Abs. 1; BetrVG §§ 102, 102 Abs. 1 Sätze 3, 1
Verfahrensgang
ArbG Kaiserslautern (Entscheidung vom 28.04.2011; Aktenzeichen 6 Ca 836/10) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern - Auswärtige Kammern Pirmasens - vom 28.4.2011, Az.: 6 Ca 836/10, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Kündigung eines Berufsausbildungsverhältnisses.
Der am 07.09.1983 geborene Kläger war bei der Beklagten seit dem 01.09.2010 als Auszubildender für den Beruf des Mechatronikers beschäftigt. Die im Ausbildungsvertrag vereinbarte Probezeit beträgt vier Monate.
Mit Schreiben vom 10.12.2010 kündigte die Beklagte das Ausbildungsverhältnis zum 31.12.2010. Gegen diese Kündigung richtet sich die vom Kläger am 28.12.2010 beim Arbeitsgericht eingereichte Klage. Darüber hinaus hat der Kläger erstinstanzlich gegen die Beklagte hilfsweise einen Schadensersatzanspruch, gestützt auf § 15 AGG, geltend gemacht.
Der Kläger hat erstinstanzlich u. a. vorgetragen, die Kündigung sei in Er-mangelung einer ordnungsgemäßen Betriebsratsanhörung gemäß § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG unwirksam.
Zur Darstellung des unstreitigen Tatbestandes sowie des erstinstanzlichen streitigen Parteivorbringens wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Kaiserslautern - Auswärtige Kammern Pirmasens - vom 28.04.2011 (Bl. 92 bis 96 d. A.).
Der Kläger hat beantragt,
festzustellen, dass das Ausbildungsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 10.12.2010 nicht beendet wird,
im Falle des Obsiegens mit dem Antrag zu 1. die Beklagte zu verurteilen, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Auszubildender Mechatroniker weiter zu beschäftigen,
im Falle der Abweisung der Klageanträge zu Ziffer 1. und 2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn Schadensersatz gem. § 15 Abs. 1, 2 AGG in Höhe gerichtlichen Ermessens zu zahlen. Der Schadensersatzanspruch solle jedoch einen Betrag von 3.000,00 EUR netto nicht unterschreiten.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 28.04.2011 abgewiesen. Zur Darstellung der maßgeblichen Entscheidungsgründe wird auf die Seiten 8 bis 12 dieses Urteils (= Bl. 97 bis 101 d. A.) verwiesen.
Gegen das ihm am 24.06.2011 zugestellte Urteil hat der Kläger am 15.07.2011 Berufung eingelegt und diese am 04.08.2011 begründet.
Der Kläger macht im Wesentlichen geltend, nach Maßgabe der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sei der Betriebsrat - entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts - vor Kündigungsausspruch nicht ordnungsgemäß angehört worden. Die im Anhörungsschreiben vom 29.11.2010 enthaltene schlagwortartige, pauschale Behauptung, er habe den "Erwartungen nicht entsprochen", genüge insoweit keineswegs den gesetzlichen Anforderungen an eine ordnungsgemäße Betri...