Entscheidungsstichwort (Thema)
Schadensersatz wegen fehlender Packmittel. Aufrechnung mit Schadensersatzansprüchen gegenüber unpfändbarem Lohn. Pfändbarkeit von Spesen. Widerklage wegen Schadensersatz aufgrund abhandengekommener Paletten
Leitsatz (redaktionell)
1. § 394 S. 1 BGB schließt die Aufrechnung gegen eine Forderung aus, die nicht der Pfändung unterliegt (Pfändungsfreigrenze).
2. Spesen sind als Aufwandsentschädigung nicht pfändbar.
3. Ein Anspruch auf Schadensersatz wegen fehlender Paletten und Gitterboxen setzt eine objektive Pflichtverletzung voraus, für die der Arbeitgeber beweispflichtig ist. Das bloße Abhandenkommen von Packmitteln reicht dafür nicht aus.
Normenkette
BGB §§ 280, 389, 394, 619 a; ZPO § 850 Abs. 1; BGB §§ 388, 823 Abs. 1-2; EFZG § 3; StGB § 246; ZPO § 97 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Koblenz (Entscheidung vom 24.02.2021; Aktenzeichen 7 Ca 1419/20) |
Tenor
- Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 24. Februar 2021, Az. 7 Ca 1419/20, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
- Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger und Widerbeklagte (im Folgenden Kläger) der Beklagten und Widerklägerin (im Folgenden Beklagte) wegen eines Fehlbestandes an Paletten und Gitterboxen zum Schadensersatz verpflichtet ist.
Die Beklagte betreibt ein Transportunternehmen; sie wird als Subunternehmerin von der Spedition Z. beauftragt. Der 1989 geborene Kläger (verheiratet, zwei Kinder) war vom 2. Mai 2019 bis zum 31. Januar 2020 bei der Beklagten als Lkw-Fahrer zu einem Monatsentgelt von zuletzt € 1.750,00 brutto zuzüglich Spesen beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete durch Eigenkündigung des Klägers.
Der Kläger nahm vom 1. bis zum 5. Januar 2020 Urlaub, vom 6. bis 14. Januar 2020 erbrachte er seine Arbeitsleistung, vom 15. bis 31. Januar 2020 war er arbeitsunfähig erkrankt. Die Beklagte zahlte ihm für Januar 2020 kein Entgelt, sondern rechnete mit vermeintlichen Gegenansprüchen "auf null" auf. Mit seiner am 4. Mai 2020 erhobenen Klage verlangt der Kläger für Januar 2020 die Erteilung einer ordnungsgemäßen Lohnabrechnung und die Zahlung von € 1.571,05 netto (Nettobetrag aus € 1.750,00 brutto zuzüglich Spesen von € 168,00 für 7 Arbeitstage x € 24,00) nebst Zinsen. Die Beklagte erhob am 8. Juni 2020 eine Hilfswiderklage auf Schadensersatz iHv. € 5.925,00, weil der Kläger laut Packmittelabrechnungen der Spedition Z. im Zeitraum von Mai bis Dezember 2019 insgesamt 202 übernommene Paletten (€ 12,50 pro Stück) und 40 Gitterboxen (€ 85,00 pro Stück) nicht abgeliefert haben soll.
Weil im ersten Kammertermin für die Beklagte niemand erschienen ist, hat das Arbeitsgericht Koblenz mit Versäumnisurteil vom 14. Oktober 2020 der Klage stattgegeben und die Hilfswiderklage abgewiesen. Nach Einspruch der Beklagten hat das Arbeitsgericht das Versäumnisurteil mit Urteil vom 24. Februar 2021 aufrechterhalten.
Von einer weitergehenden Darstellung des unstreitigen Tatbestandes, des erstinstanzlichen Parteivorbringens und der gestellten Sachanträge wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen und auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils vom 24. Februar 2021 Bezug genommen.
Das Arbeitsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung - zusammengefasst - ausgeführt, die Klage sei begründet, die Hilfswiderklage unbegründet. Die Beklagte könne der Klageforderung keinen Schadensersatzanspruch entgegenhalten, weil sie bereits keine Aufrechnungserklärung abgegeben habe. Im Übrigen habe sie ihre vermeintliche Gegenforderung nicht hinreichend bestimmt. Die Hilfswiderklage sei unschlüssig. Den vorgelegten Packmittel-Kontoblättern der Spedition Z. lasse sich nicht entnehmen, dass der Kläger 202 Paletten und 40 Gitterboxen nicht abgeliefert habe. In den Kontoblättern von Mai bis Dezember 2019 seien zwar 40 fehlende Gitterboxen aufgeführt, allerdings nur 152 Paletten. Die Ursache für diese Diskrepanz sei weder ersichtlich noch von der Beklagten erläutert worden. Die vorgelegte Rechnung der Spedition Z. vom 31. Juli 2019 über eine Schadensersatzforderung von € 5.440,00 könne den Hilfswiderklageanspruch von € 5.925,00 ebenfalls nicht stützen. Zum einen bestehe eine Darlegungslücke von knapp € 500,00, zum anderen habe Z. die Rechnung ausgestellt für 64 Gitterboxen (€ 85,00 pro Stück), was nicht zum Vortrag der Beklagten passe, wonach 40 Gitterboxen und 202 Paletten fehlen sollen. Zum anderen heiße es in der Rechnung ausdrücklich "Kontoausgleich 2018". Im Jahr 2018 sei der Kläger noch nicht bei der Beklagten beschäftigt gewesen. Schließlich datiere die Rechnung vom 31. Juli 2019, so dass sie sich nicht auf fehlende Packmittel bis einschließlich Dezember 2019 beziehen könne. Die Hilfswiderklage sei auch unbegründet. Der Kläger habe nach seinem Vortrag regelmäßig die Anweisung der Beklagten befolgt, auf den Lieferscheinen Vermerke über den Packmittelstand anbringen zu lassen; sämtliche Lieferscheine lägen der Spedition Z. vor. Die Beklagte habe nicht dargelegt, dass derartige Vermerke fe...