Entscheidungsstichwort (Thema)
Altersdiskriminierung. Altersschwelle. Kündigungsfrist. Mindestalter. Vorabentscheidungsverfahren. Anknüpfung an Mindestalter für Kündigungsfrist. Anwendbarkeit des § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB
Leitsatz (amtlich)
§ 622 Abs. 2 Satz 2 BGB ist bei der Berechnung der maßgeblichen Kündigungsfrist von den nationalen Gerichten anzuwenden.
Normenkette
BGB § 622 Abs. 2 S. 2; EG Art. 234; EGRL 78/2000; GG Art. 100, 20 Abs. 3
Verfahrensgang
ArbG Kaiserslautern (Urteil vom 09.04.2008; Aktenzeichen 4 Ca 801/07) |
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern – Auswärtige Kammern Pirmasens – vom 9. April 2008, 4 Ca 801/07, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten (noch) über die Dauer der Kündigungsfrist.
Die Klägerin ist am 02.08.1979 geboren. Sie ist seit dem 15.09.1998 im Betrieb der Beklagten ausgebildet worden. Im unmittelbaren Anschluss an ihre dreijährige Berufsausbildung wurde sie als Einzelhandelskauffrau zu einem Bruttomonatsgehalt von zuletzt EUR 1.857,00 beschäftigt.
Mit Schreiben vom 28.11.2007, das der Klägerin am 01.12.2007 ausgehändigt worden ist, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis aus betrieblichen Gründen wegen der Schließung ihrer Filiale in Pirmasens zum 31.12.2007, hilfsweise zum nächstmöglichen Zeitpunkt.
Mit ihrer Klage hat sich die Klägerin gegen diese Kündigung gewandt und unter anderem geltend gemacht, aufgrund ihrer Beschäftigungszeit von mehr als acht Jahren, hätte die Beklagte die gesetzliche Kündigungsfrist nach § 622 Abs. 2 Satz 1 Ziffer 3 BGB einhalten müssen. Die Vorschrift des § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB, wonach bei der Berechnung der Beschäftigungsdauer Zeiten, die vor der Vollendung des 25. Lebensjahres liegen, nicht berücksichtigt werden, stelle einen Verstoß gegen das AGG sowie höherrangiges Europarecht dar.
Das Arbeitsgericht Kaiserlautern – Auswärtige Kammern Pirmasens – hat mit Urteil vom 09.04.2008 festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 28.11.2007 nicht zum 31.12.2007, sondern erst zum 31.01.2008 geendet hat. Zur Begründung dieser Entscheidung hat das Arbeitsgericht ausgeführt, die Kündigungsfrist betrage gemäß § 622 Abs. 2 Satz 1 Ziffer 1 BGB einen Monat zum Monatsende, weil das Arbeitsverhältnis nach Vollendung des 25. Lebensjahres der erst 28-jährigen Klägerin drei Jahre bestanden hat. Es könne dahinstehen, ob die Altersgrenze des § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB gegen das europarechtliche Verbot der Benachteiligung wegen Alters verstoße. Da diesbezüglich noch keine einheitliche Rechtsprechung vorliege, sei ausschließlich vom Gesetzestext auszugehen.
Die Klägerin, der das Urteil am 28.04.2008 zugestellt worden ist, hat am 23.05.2008 Berufung zum Landesarbeitsgericht eingelegt und diese gleichzeitig begründet. Sie ist unter Hinweis auf die Entscheidungen des LAG Berlin-Brandenburg vom 24.07.2007 (7 Sa 561/07) und des LAG Düsseldorf vom 21.11.2007 (12 Sa 1311/07) der Ansicht, § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB sei europarechtswidrig. Die Beklagte hätte eine Kündigungsfrist von drei Monaten zum Monatsende einhalten müssen. Da sie bei ihrer erstinstanzlichen Antragstellung übersehen habe, dass ihr das Kündigungsschreiben erst am 01.12.2007 zugegangen sei, erweitere sie ihre Klage auf Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis erst zum 31.03.2008 sein Ende gefunden hat.
Die Klägerin beantragt zweitinstanzlich,
das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern – Auswärtige Kammern Pirmasens – vom 09.04.2008, Az.: 4 Ca 801/07, teilweise abzuändern und festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 28.11.2007 nicht zum 31.01.2008, sondern zum 29.02.2008,
klageerweiternd, zum 31.03.2008 geendet hat.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen und die in der Berufungsinstanz erweiterte Klage abzuweisen.
Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil und führt aus, die Vorschrift des § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB sei nicht altersdiskriminierend, weil junge Arbeitnehmer anders als ältere Arbeitnehmer auf dem Arbeitsmarkt leichter zu vermitteln seien. Sie beruft sich auf Vertrauensschutz, wenn das BAG oder der EuGH die Vorschrift im Nachhinein für unwirksam erklären sollten.
Entscheidungsgründe
I. Die nach § 64 Abs. 1 und Abs. 2 ArbGG statthafte Berufung der Klägerin ist gemäß §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG i. V. m. §§ 517, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie ist somit zulässig.
Soweit die Klägerin ihre Berufung mit einer Klageerweiterung verbunden hat, ist diese ungeachtet der Regelung des § 264 Nr. 2 ZPO schon im Hinblick auf die rügelose Einlassung der Beklagten zulässig (§ 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. §§ 533 Nr. 1, 267 ZPO).
II. Die Berufung der Klägerin nebst ihrer zweitinstanzlichen Klageerweiterung ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat zutreffend festgestellt, dass das Ar...