Entscheidungsstichwort (Thema)
Unwirksame Vertragsklausel zur Rückzahlung von Ausbildungskosten bei fehlender Zuordnung von Verantwortungs- und Risikobereichen
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine arbeitsvertragliche Klausel zur Rückzahlung von Ausbildungskosten benachteiligt den Arbeitnehmer dann im Sinne von § 307 Abs. 1 BGB unangemessen, wenn er mit den Kosten auch für den Fall belastet wird, in denen die Gründe für eine vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht seinem Verantwortungs- und Risikobereich zuzuordnen sind sondern dem der Arbeitgeberin; eine derartige Regelung ist insgesamt unwirksam.
2. Unwirksam ist auch eine Vertragsklausel, die den Arbeitnehmer mit Ausbildungskosten belastet, obwohl er durch die Ausbildung keinen beruflichen Vorteil erlangt; das liegt insbesondere nahe bei kurzfristigen Schulungen, in denen Kenntnisse erworben werden, die unmittelbar der im Arbeitsvertrag vereinbarten Tätigkeit dienen.
3. Dem Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB genügt eine Vertragsklausel über die Erstattung von Fortbildungskosten nur dann, wenn die durch die Fortbildung entstehenden Kosten dem Grunde und der Höhe nach im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren bezeichnet sind, wozu zumindest Art und Berechnungsgrundlagen der Fortbildungskosten benannt werden müssen; ist eine Rückzahlungsklausel wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot in § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksam, bleibt die Fortbildungsvereinbarung im Übrigen zwar wirksam, jedoch scheiden bereicherungsrechtliche Ansprüche der Klauselverwenderin nach § 812 ff. BGB regelmäßig aus.
Normenkette
BGB §§ 305, 307 Abs. 1 Sätze 1-2, § 611 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Trier (Entscheidung vom 20.02.2014; Aktenzeichen 3 Ca 1475/13) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 20.02.2014 - 3 Ca 1475/13 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits streiten darüber, ob der auf Lohnzahlung klagende Kläger zur Rückzahlung von Fortbildungskosten an die Beklagte verpflichtet ist.
Der Kläger war bei der Beklagten vom 01.03.2012 bis zum 31.07.2013 als Master of Engineering zu einem durchschnittlichen Bruttomonatsgehalt von 3.200,00 EUR beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete aufgrund einer Eigenkündigung des Klägers.
Der schriftlich abgeschlossene Arbeitsvertrag vom 29.12.2012, hinsichtlich dessen weiteren Inhalts auf Bl. 4 bis 11 d. A. Bezug genommen wird, enthält unter § 16 folgende Regelung:
"Der AG übernimmt für Fortbildungskosten die Fortzahlung der vollen Bezüge sowie die vollen Lehrgangskosten. Der AN ist zur Rückzahlung der Lehrgangskosten verpflichtet, wenn er das Arbeitsverhältnis kündigt. Für je 6 Monate der Beschäftigung nach dem Ende des Lehrganges werden von den Lehrgangskosten ¼ der Rückzahlungsbeträge erlassen. Fällige Rückzahlungsforderungen können gegen noch ausstehende Restforderungen, soweit die Aufrechnung gesetzlich zulässig ist, aufgerechnet werden."
Am 01. und 02.06.2012 sowie vom 04. bis 06.06.2012 nahm der Kläger an einer CAD-Schulung teil, wofür ihm die Beklagte 253,28 EUR und 262,15 EUR netto vom Julilohn abgezogen hat. Weiterhin hat die Beklagte 168,75 EUR abgezogen für die Teilnahme am 1. Deutschen Reparaturtag am 26.09.2012 sowie 576,00 EUR für eine Fortbildung zur Kanalnetzberechnung am 15.10.2012.
Der Kläger hat vorgetragen,
nach seiner Auffassung sei die vertragliche Rückzahlungsvereinbarung unwirksam. Die Dauer der Fortbildung stehe nicht in angemessenem Verhältnis zur weiteren Bindung eines Arbeitsverhältnisses. Die Grenzen, die insoweit zu setzen seien, würden in der Regel nicht berücksichtigt. Zudem habe die Beklagte bei den Lohnabzügen die Pfändungsfreigrenzen nicht beachtet.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.260,18 EUR nebst Zinsen aus diesem Betrag in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 01.08.2013 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat vorgetragen,
die Fortbildungsveranstaltungen seien in erster Linie dem Kläger zu Gute gekommen. Falls sie sich nicht auf die Rückzahlungsvereinbarung berufen könne, habe sie Entgeltfortzahlungskosten und Fahrtkosten für die Fortbildungsmaßnahmen letztlich umsonst aufgewendet.
Das Arbeitsgericht Trier hat die Beklagte daraufhin durch Urteil vom 20.02.2014 - 3 Ca 1475/13 - verurteilt, an den Kläger 1.260,18 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.08.2013 zu zahlen. Hinsichtlich des Inhalts von Tatbestand und Entscheidungsgründen wird auf Bl. 39 bis 42 d. A. Bezug genommen.
Gegen das ihr am 20.03.2014 zugestellte Urteil hat die Beklagte durch am 16.04.2014 beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt. Sie hat die Berufung durch am 19.05.2014 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz begründet.
Die Beklagte wiederholt ihr erstinstanzliches Vorbringen und hebt insbesondere hervor, die Voraussetzungen des § 16 Satz 2 ...