Entscheidungsstichwort (Thema)

Einigungsstelle. Offensichtliche Unzuständigkeit. Gemeinschaftsbetrieb. Betriebsänderung

 

Leitsatz (amtlich)

Ist ein Gemeinschaftsbetrieb von einer Betriebsänderung betroffen, so besteht ein Mitbestimmungsrecht mit dem Ziel der Erstellung eines Sozialplans nur dann, wenn für diesen Gemeinschaftsbetrieb ein Betriebsrat eingerichtet ist.

 

Normenkette

BetrVG §§ 111-112; ArbGG § 98 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Neunkirchen (Beschluss vom 13.11.2006; Aktenzeichen 1 BV 23/06)

 

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den am13. November 2006 verkündetenBeschluss des Arbeitsgerichts Neunkirchen (1 BV 23/06) wird zurückgewiesen.

 

Tatbestand

A.

Der Antragsteller ist der Betriebsrat der Antragsgegnerin, der K. GmbH. Im August 2006 teilte die Antragsgegnerin ihren Arbeitnehmern mit, dass sie sich entschlossen habe, den Betrieb zum 31. Dezember 2006 zu schließen. Anfang Oktober 2006 forderte der Antragsteller die Antragsgegnerin auf, mit ihm Verhandlungen über einen Sozialplan aufzunehmen. Das lehnte die Antragsgegnerin unter Hinweis darauf ab, dass die Voraussetzungen für die Erstellung eines Sozialplans nach den §§ 111 und 112 des Betriebsverfassungsgesetzes nicht vorlägen, weil in dem Unternehmen nicht mehr als zwanzig wahlberechtigte Arbeitnehmer beschäftigt seien.

In dem vorliegenden Verfahren will der Antragsteller erreichen, dass für eine einzurichtende Einigungsstelle, die einen Sozialplan erstellen soll, ein Vorsitzender bestimmt und außerdem die Anzahl der Beisitzer festgesetzt wird. Der Antragsteller vertritt die Auffassung, die gesetzlichen Voraussetzungen dafür lägen entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin vor. In erster Instanz hat der Antragsteller zum einen geltend gemacht, in dem Unternehmen der Antragsgegnerin seien mehr als zwanzig wahlberechtigte Arbeitnehmer beschäftigt. Zum anderen hat er die Ansicht vertreten, dass die Antragsgegnerin zusammen mit der R. GmbH einen Gemeinschaftsbetrieb bilde, weshalb der Schwellenwert des § 112 des Betriebsverfassungsgesetzes, nämlich mehr als zwanzig wahlberechtigte Arbeitnehmer, auf jeden Fall überschritten sei.

Das Arbeitsgericht hat den Antrag des Antragstellers zurückgewiesen. Dagegen wendet sich der Antragsteller mit seiner Beschwerde, mit der er seinen Antrag aus erster Instanz weiterverfolgt. Die Antragsgegnerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen. Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Beschluss des Arbeitsgerichts (Blatt 75 bis 85 der Akten) sowie auf die Schriftsätze der Beteiligten im Beschwerdeverfahren verwiesen. Das Beschwerdegericht hat den Beteiligten mit einer Verfügung vom 16. Februar 2007 (Blatt 122 und 123 der Akten) rechtliche Hinweise erteilt.

 

Entscheidungsgründe

B.

Die Beschwerde des Antragstellers ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat den Antrag des Antragstellers zu Recht und mit zutreffender Begründung zurückgewiesen. Das Vorbringen des Antragstellers im Beschwerdeverfahren rechtfertigt keine andere Beurteilung.

Die Einigungsstelle ist offensichtlich unzuständig (§ 98 Absatz 1 Satz 2 ArbGG). Offensichtlich unzuständig ist die Einigungsstelle dann, wenn deren Zuständigkeit unter keinem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt begründet ist; das muss bei fachkundiger Beurteilung durch das Gericht auf den ersten Blick erkennbar sein (dazu beispielsweise LAG Köln, Beschluss vom 13. Januar 1998 in dem Verfahren 13 TaBV 60/97, LAGE Nummer 33 zu § 98 ArbGG mit umfangreichen weiteren Nachweisen; dazu außerdem der Beschluss der Kammer vom 14. Mai 2003, 2 TaBV 7/03). Um einen solchen Fall handelt es sich hier. Dem Antragsteller steht offensichtlich kein Mitbestimmungsrecht nach den §§ 111 und 112 BetrVG zu. Davon ist das Arbeitsgericht zu Recht ausgegangen.

1. Die §§ 111 und 112 BetrVG gelten nur für Unternehmen mit in der Regel mehr als zwanzig wahlberechtigten Arbeitnehmern. Dass bei der Antragsgegnerin in der Regel nicht mehr als zwanzig wahlberechtigte Arbeitnehmer beschäftigt gewesen sind, hat das Arbeitsgericht zutreffend dargelegt. Dagegen wendet sich der Antragsteller im Beschwerdeverfahren auch nicht mehr.

2. Ein Mitbestimmungsrecht nach den §§ 111 und 112 BetrVG würde dem Antragsteller auch dann nicht zustehen, wenn seine Einschätzung zuträfe, dass die Antragsgegnerin und die R. GmbH einen Gemeinschaftsbetrieb unterhalten haben, dem nicht nur die Arbeitnehmer der Antragsgegnerin angehörten, sondern auch Arbeitnehmer der R. GmbH. Dabei kann offen bleiben, ob in einem solchen Fall die Erstellung eines Sozialplans grundsätzlich in Betracht kommt, was in der Rechtsprechung und der rechtswissenschaftlichen Literatur unterschiedlich beurteilt wird (dazu etwa ANNUß, in: RICHARDI, Betriebsverfassungsgesetz, 10. Auflage 2006, Randnummer 26 zu § 111 BetrVG, und FITTING, Betriebsverfassungsgesetz, 23. Auflage 2006, Randnummern 20 bis 23 zu § 111 BetrVG, jeweils mit einer Übersicht zum Meinungsstand).

Selbst dann, wenn man diese Frage bejahen wollte, wäre nämlich weitere Voraussetzung für die Anwen...

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